# taz.de -- Prozess gegen eine Klimaaktivistin: Ein Deal unter Zeitdruck | |
> Eine Straßenblockiererin verteidigt sich vor Gericht selbst. Doch die | |
> angesetzte Zeit für das Verfahren reicht nicht aus – zur allgemeinen | |
> Unzufriedenheit. | |
Bild: Ellen Gerdes ist Klimaaktivistin und steht vor Gericht. Die 64-jährige h… | |
BERLIN taz | Am Donnerstagmorgen um 9 Uhr beginnt in einem kleinen | |
Sitzungsraum im Amtsgericht Tiergarten der Prozess gegen Ellen Gerdes. Die | |
64-jährige Diplom-Ingenieurin aus Nordstemmen bei Hildesheim ist | |
Klimaaktivistin. Im September 2022 hatte sie sich im Rahmen einer | |
[1][Aktionswoche] der Klimabewegung Extinction Rebellion auf der Straße | |
Unter den Linden festgeklebt. Der Tatvorwurf: Widerstand gegen | |
Vollstreckungsbeamte sowie Nötigung im Straßenverkehr. | |
Anders als einige ihrer Mitstreiter:innen damals hat sie den | |
Strafbefehl nicht akzeptiert und zieht sie vor Gericht. Sie will die | |
rechtmäßige Notwendigkeit ihres zivilen Ungehorsam beweisen. Deshalb | |
verteidigt sie sich selbst. Fünf Vertraute geben ihr Rückendeckung. | |
Angesetzt ist die Verhandlung für eine Stunde. Zu wenig, findet neben | |
Gerdes auch der zuständige Richter, der den Fall kurzfristig übernommen | |
hatte. Die Terminierung erfolgte durch seinen Vorgänger. Schließlich wären | |
zwei Zeugen geladen gewesen, von denen aber nur einer, ein Polizist, | |
aussagen kann. | |
Zumindest ist Zeit für ihre Einlassung, in der Gerdes ihre Motivation | |
schildert. Wiederholt beruft sie sich auf den Grundgesetzartikel 20a, in | |
dem die Bundesregierung sich selbst verpflichtet, die natürlichen | |
Lebensgrundlagen der künftigen Generationen zu schützen sowie auf Paragraph | |
34 StGB, wonach Straftaten in dem Fall nicht bestraft werden, sofern sie | |
dazu dienen, eine unmittelbare Gefahr von sich oder einem anderem | |
abzuwenden. Das sieht sie im [2][Nichthandeln der Bundesregierung] und dem | |
Zusteuern auf den klimatischen Kontrollverlust als erfüllt an. | |
## Die Zeit rennt | |
Auch aus ihrer eigenen Berufserfahrung aus der Entwicklungszusammenarbeit | |
berichtet sie: Dadurch habe sie die Auswirkungen der Klimakatastrophe im | |
Globalen Süden persönlich miterlebt. Letztlich beruft sie sich auch auf | |
anerkannte Klimaforscher:innen, wie etwa [3][Stefan Rahmstorf] vom | |
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Jener wird in einem ähnlichen | |
Fall nächste Woche vor dem Landgericht persönlich als Sachverständiger | |
gehört. Ein Novum im Falle der Prozesse gegen Klimaaktivist:innen, mit dem | |
Potenzial, ein Präzedenzfall zu werden. Gerdes allerdings nützt dies noch | |
nichts, immerhin wird ihre Argumentation aufmerksam vom Richter verfolgt. | |
Doch in der einen Stunde kann gerade einmal die Nötigung verhandelt werden. | |
Gerdes ist entsetzt. Der zuständige Richter möchte die Verhandlung zu einem | |
späteren Termin weiterführen. Doch da wird Gerdes beruflich im Ausland | |
sein. | |
Um die Verhandlung nicht wieder von vorne beginnen zu müssen, bietet die | |
Staatsanwaltschaft den Kompromiss an, den Vorwurf der Nötigung nicht | |
weiterzuverfolgen. Bezüglich des Widerstands müsse Gerdes sich aber in Form | |
einer Geldstrafe verantworten. Erschöpft nimmt sie das Angebot an. | |
11 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Luise Bartsch | |
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