# taz.de -- Vor Streik der GDL: Signale auf stillstehende Züge | |
> Von Mittwochfrüh bis Freitagabend ruft die GDL ihre Mitglieder zum Streik | |
> auf. Bahnreisende müssen trotz Notfallplans mit Einschränkungen rechnen. | |
Bild: Wer könne, solle die eigene Reise verschieben, rät die Bahn: verwaiste … | |
BERLIN taz | Alle Weichen stehen auf Streik. Zwar versuchte die Deutsche | |
Bahn bis zuletzt, den Streik der Lokführergewerkschaft GDL juristisch zu | |
verhindern. Ihr erster Versuch [1][scheiterte am Montag vor dem Frankfurter | |
Arbeitsgericht.] Am späten Dienstagnachmittag, kurz vor Streikbeginn also, | |
wollte das Landesarbeitsgericht Hessen in zweiter Instanz darüber befinden | |
(nach Redaktionsschluss). Viel spricht dafür, dass der 64-Stunden-Streik | |
wie geplant anlaufen wird. Wer könne, solle die eigene Reise verschieben, | |
empfiehlt die Deutsche Bahn ihren Kund*innen. | |
Voraussichtlich werden ab Mittwoch um 2 Uhr viele Mitarbeitende der Bahn | |
ihre Arbeit niederlegen und in Streik treten. Ab dann wird der | |
Personennahverkehr bis Freitag um 18 Uhr stark eingeschränkt sein. Im | |
Güterverkehr bei DB Cargo sollte der Streik bereits am Dienstagabend um 18 | |
Uhr beginnen. Neben der Deutschen Bahn richtet sich der Streik auch gegen | |
das private Eisenbahnunternehmen Transdev sowie die City Bahn Chemnitz. | |
Nach Schätzungen der Bahn sind Millionen Kund*innen betroffen. Ihrer | |
Erfahrung nach musste die Bahn beim letzten GDL-Warnstreiks vor Weihnachten | |
jeweils rund 80 Prozent des Fernverkehrsangebotes streichen. In manchen | |
Bundesländern fuhr so gut wie kein Zug mehr. Dieses Mal ist mit ähnlichen | |
Auswirkungen zu rechnen. Auch im Schienengüterverkehr könne es zu massiven | |
Einschränkungen für Industrie und Wirtschaft kommen, schätzt der Konzern. | |
Auch das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft warnte am | |
Dienstag vor Millionenschäden für deutsche Unternehmen. | |
Auch wenn das Urteil der letzten Instanz noch ausstand, hat die Bahn einen | |
Notfallfahrplan mit stark eingeschränktem Angebot eingerichtet. „Für diese | |
Fahrten setzt die DB längere Züge mit mehr Sitzplätzen ein, um möglichst | |
viele Menschen an ihr Ziel bringen zu können. Dennoch kann eine Mitfahrt | |
nicht garantiert werden“, teilte das Unternehmen mit. Wie auch bei den | |
vergangenen Streiks gilt, dass die Zugbindung für Tickets in diesem | |
Zeitraum ausgesetzt wird und die Fahrten auch zu einem späteren Zeitpunkt | |
angetreten werden können. | |
## „Substanzlos und vergiftet“ | |
Die GDL hatte die Verhandlungen mit der Bahn Ende November für gescheitert | |
erklärt, da der Konzern nicht über Kernforderungen, insbesondere eine | |
Wochenarbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, verhandeln wollte. | |
Während des Weihnachtsfriedens habe die Deutsche Bahn versäumt, ein | |
verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen, sagte GDL-Chef Claus Weselsky. | |
Zwar legte die Bahn am vergangenen Freitag ein Angebot vor, das auch | |
erstmals auf eine Arbeitszeitverkürzung einging. Doch die Gewerkschaft | |
lehnte es als „substanzlos und vergiftet“ ab. | |
Der Konzern will über ein Wahlmodell für Schichtarbeiter verhandeln. Im | |
Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Bahn-Personalvorstand Martin | |
Seiler jüngst: „Die können dann statt 38 nur noch 35 Stunden arbeiten – | |
oder auch 40 Stunden. Jeder wählt aus, wie in einer Cafeteria.“ Doch das | |
ginge nur mit Abstrichen bei einer tariflich vereinbarten Lohnerhöhung. | |
Eine 35-Stunden-Woche für alle käme für die Bahn allerdings nicht in Frage, | |
da dies ihre Personallage nicht hergeben würde. „Für uns ist es zentral, | |
dass manche Beschäftigte länger arbeiten, wenn andere kürzer arbeiten“, | |
sagte Seiler. Der Fachkräftemangel sei heute schon Realität. | |
Mit Blick auf die Entgelte blieb die Bahn bei ihrem bisherigen Angebot von | |
11 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 32 Monaten. Die Gewerkschaft | |
verlangt 555 Euro mehr im Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie in | |
Höhe von 3.000 Euro. Über das Angebot der Deutschen Bahn sagte Weselsky, | |
dieses empfänden die „Mitarbeiter als Schlag ins Gesicht“ und es sei eine | |
„Mogelpackung“, die bestehende Regelungen als neuartige Verbesserungen | |
verpacke. | |
## Klage der Bahn | |
Mit dem Argument, dass der GDL eine rechtliche Grundlage fehle, reichte die | |
Deutsche Bahn am Montag Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den | |
Ausstand vor dem Arbeitsgericht Frankfurt ein. „Die Lokführergewerkschaft | |
hat ihre Tariffähigkeit durch die Gründung ihrer | |
Leiharbeiter-Genossenschaft verloren“, begründete Seiler das Vorgehen der | |
Bahn. Die braucht es in Deutschland gesetzlich, um überhaupt in Streik | |
treten zu dürfen. Es geht um die im Juni 2023 von der GDL gegründete | |
Leiharbeitsgenossenschaft Fair Train, bei der Lokführer zu besseren | |
Arbeitsbedingungen angestellt werden und von dieser an Bahnunternehmen | |
verliehen werden sollen. Die Deutsche Bahn sieht darin einen | |
Interessenkonflikt. | |
In der Sache hat die Deutsche Bahn bereits vergangene Woche eine | |
Feststellungsklage zur Tariffähigkeit erhoben. In den Augen der GDL ist das | |
nicht mehr als „Nebelkerze“. Auch im Eilverfahren geht es um die Frage der | |
Tariffähigkeit. Dennoch unterscheiden sich die beiden Verfahren. Während | |
die Feststellungsklage eine volle Beweisaufnahme umfasst, wird im | |
Eilverfahren zur Zulässigkeit des Streiks lediglich nach Aktenlage geprüft. | |
Vor dem Arbeitsgericht prallte der Eilantrag ab. „Die GDL ist nicht | |
offenkundig tarifunfähig“, sagte der Richter zur Begründung. Der | |
angekündigte Streik sei eine „Zumutung, die auf Sand gebaut ist“. Ihm fehle | |
die Legitimation und die Grundlage, sagte der Hauptgeschäftsführer des | |
DB-Arbeitgeberverbands AGV Move, Florian Weh, nach der Verhandlung. | |
Stattdessen forderte er in Verhandlungen, zum jüngsten Angebot der Bahn zu | |
gehen, dieses sei eine „hervorragende Grundlage für einen Kompromiss“.. | |
Der Streit zwischen GDL und Deutscher Bahn ist nicht der erste | |
Tarifkonflikt in den letzten Monaten, bei dem es härter zur Sache geht. | |
Denn aufgrund der Lohnzurückhaltung in der Coronakrise und der steigenden | |
Energiepreise haben die Bezüge der Beschäftigten zuletzt massiv an | |
Kaufkraft verloren. Allein 2022 betrug der Reallohnverlust durchschnittlich | |
4,1 Prozent. Und diesen versuchen die Gewerkschaften in letzter Zeit mit | |
besonders hohen Tarifforderungen wieder wett zu machen. | |
## GDL befürchtet, verdrängt zu werden | |
Vergangenes Jahr machte deswegen ein Wort besonders die Runde: | |
Urabstimmung. Diese müssen die Gewerkschaften durchführen, um zu ihrer | |
schärfsten Waffe, dem sogenannten Erzwingungsstreik zu greifen. Im Gegenzug | |
zu Warnstreiks, die während Tarifverhandlungen üblich und stets zeitlich | |
und räumlich begrenzt sind, können Gewerkschaften mit einem | |
Erzwingungsstreik prinzipiell unbefristet, also tagelang, die Arbeit | |
niederlegen. Deshalb wird er auch „unbefristeter Streik“ genannt. Dafür | |
müssen aber in der Regel mindestens 75 Prozent ihrer Mitglieder für diese | |
Maßnahme stimmen. | |
Bei der GDL stimmten bereits kurz vor Weihnachten 97 Prozent der Mitglieder | |
für eine Ausweitung der Arbeitskämpfe. Damit machte sie seit Längerem | |
einmal wieder den Weg frei für einen großen Erzwingungsstreik. Andere | |
Gewerkschaften schreckten davor in den letzten Tarifverhandlungen zurück. | |
Die Eisenbahngewerkschaft EVG etwa führte bei ihrem Tarifstreit im | |
vergangenen Jahr zwar eine Urabstimmung durch, doch auch sie nahm einen | |
Schlichterspruch an und verzichtete auf [2][einen „richtigen“ Streik]. | |
Dabei spielt bei der Deutschen Bahn das Verhältnis zwischen GDL und EVG | |
eine besondere Rolle. Die zum DGB gehörende EVG ist mit rund 185.000 | |
deutlich größer als die GDL, die rund 40.000 Mitglieder hat. Die GDL gibt | |
sich dafür kämpferischer – auch weil sie Angst hat, verdrängt zu werden. | |
9 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Lokfuehrerstreik-ab-Mittwoch/!5982234 | |
[2] /Juristin-ueber-Bahnstreik/!5982118 | |
## AUTOREN | |
Adefunmi Olanigan | |
Simon Poelchau | |
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