| # taz.de -- Austausch der Regierung in Frankreich: Auslaufmodell Macron | |
| > Nicht nur in Frankreich schwindet die Überzeugungskraft der politischen | |
| > Elite. Politische Tatkraft muss deshalb in der Gesellschaft sprießen | |
| > dürfen. | |
| Bild: Hat die Technokratisierung der Macht auf die Spitze getrieben: Emmanuel M… | |
| Die [1][Auswechslung des Premierministers] ist in einer Präsidialrepublik | |
| wie Frankreich kein politisches Erdbeben. Der Staatschef hat die Macht, er | |
| sitzt dem Kabinett vor und hat die Richtlinienkompetenz; der Regierungschef | |
| organisiert bloß die Umsetzung der Beschlüsse und verantwortet sie vor dem | |
| Parlament. Nicht umsonst gilt Frankreich als eine Art Wahlmonarchie mit | |
| festen Amtszeiten. | |
| Emmanuel Macron, selbsternannter Erneuerer dieses fundamental | |
| undemokratischen politischen Systems, hat sich inzwischen in dieses System | |
| verliebt und die Technokratisierung der Macht auf die Spitze getrieben. | |
| Aber in drei Jahren ist seine Zeit um, und da er sich um lästige Dinge wie | |
| eine funktionierende Regierungspartei nicht kümmert, ist kein Erbe in | |
| Sicht. Fliehkräfte am linken und rechten Rand werden stärker, im Zentrum | |
| herrscht Stagnation – dort, wo der schon wieder vergessene Bewegungsname La | |
| République En Marche einst Tatendrang und Optimismus suggerieren sollte. | |
| Die Beförderung eines [2][34-jährigen Elitezöglings] aus Macrons | |
| Bewundererzirkeln der ersten Stunde zum neuen Regierungschef verschärft | |
| dieses Problem eher, als es zu lösen. | |
| Nicht nur in Frankreich schwindet die Überzeugungskraft der politischen | |
| Elite. In fast allen europäischen Ländern wächst der Verdruss darüber, dass | |
| die Bedürfnisse der Menschen gegenüber den Bedürfnissen der Politiker das | |
| Nachsehen haben. Auch in Deutschland wollte die Ampelkoalition einst „mehr | |
| Fortschritt wagen“ und festgefahrene politische Raster aufbrechen – heute | |
| stolpert sie ständig über sich selbst und ihren technokratischen Hang, die | |
| realen Folgen ihrer gedanklichen Schnellschüsse erst hinterher erschrocken | |
| zur Kenntnis zu nehmen. | |
| Zu den beliebtesten Worthülsen des Jahres 2024 gehört die Feststellung, | |
| dass Europa Führung braucht, um gegen die Monster in Moskau, Peking und | |
| demnächst vielleicht wieder Washington zu bestehen. Europa suchte Führung | |
| und bekam Macron und Scholz. Sie stecken nun [3][im ermüdenden Wettlauf mit | |
| Populisten] – von Geert Wilders über Marine Le Pen bis Sahra Wagenknecht. | |
| Es sind Bestätigungen des Diktums des italienischen Marxisten Antonio | |
| Gramsci vor 100 Jahren: „Die Krise besteht genau darin, dass das Alte | |
| stirbt und das Neue nicht geboren werden kann; in diesem Zwischenreich | |
| tritt eine Vielzahl von morbiden Symptomen auf.“ | |
| Führer hatte Europa eigentlich immer zu viele. Normale Menschen, die auch | |
| ohne führende Hand die Politik bewegen – die gibt es zu wenig. Europa muss | |
| seine Politik vom Kopf auf die Füße stellen, von den | |
| Führungspersönlichkeiten auf die gesellschaftliche Basis. Macrons Stil von | |
| der Politik als Wüste, mit sich selbst als einziger Oase, hat ausgedient. | |
| Politische Tatkraft muss überall in der Gesellschaft sprießen dürfen. Das | |
| ist die Herausforderung, vor der Europa steht und die Europas Regierende | |
| endlich begreifen müssen. | |
| 10 Jan 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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