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# taz.de -- Generalsekretär über Habeck-Fähre: „Das geht gar nicht“
> Der Bauernverband Schleswig-Holstein verurteilt den Protest gegen Robert
> Habeck. Grund zur Wut gibt es aber, sagt Generalsekretär Stephan
> Gersteuer.
Bild: Auf zum Vizekanzler: Wütende Bauern am Donnerstag auf dem Weg zur Fähre…
taz: Herr Gersteuer, [1][Hunderte wütende Landwirt:innen] haben am
Donnerstagabend am Hafen Schlüttsiel auf eine Fähre gewartet, auf der sich
Robert Habeck befand, und selbst er, der sich auf Bauerntagen hat ausbuhen
lassen, wagte nicht auszusteigen, so aggressiv war die Stimmung. Was sagt
der Bauernverband Schleswig-Holstein dazu?
Stephan Gersteuer: Ganz eindeutig: Das geht gar nicht, was da passiert ist.
Gewalt oder Drohungen sind kein Mittel, können und dürfen kein Mittel sein.
Dies war nicht unsere Aktion, aber es ist klar, dass wir so etwas ablehnen.
Eine Anmerkung – nicht, um den Vorfall zu relativieren, bloß zur
Einordnung: Ein Privatmann aus der Region hatte über einen
Social-Media-Kanal aufgerufen, zum Hafen zu kommen, weil Robert Habeck dort
eine Bürgersprechstunde abhalte. Es mögen also durchaus Leute hingefahren
sein, um zu reden. Übrigens waren nicht nur Bauern, sondern auch andere
Berufsgruppen vor Ort.
Dazu kam es aber nicht, die Protestierenden lehnten Gespräche sogar ab.
Warum entzündete sich der Zorn am Grünen Robert Habeck? Immerhin kommt er
aus Schleswig-Holstein, [2][war hier Landwirtschaftsminister] und hatte
sich einen guten Draht zum Verband erarbeitet. Ist er verhasst als Teil der
Ampel oder als Person?
Wir haben Herrn Habeck als verlässlichen Gesprächspartner kennengelernt.
Aber in seiner Position als Vizekanzler der Bundesregierung hat er an dem
Beschluss mitgewirkt und steht in der Verantwortung.
Sie sprechen von der [3][Kürzung der Subvention für sogenannten
Agrardiesel]. Die Ampel-Koalition hatte die Maßnahme [4][teilweise
zurückgenommen]. Das reicht Ihnen aber nicht?
Man will uns die Teil-Rückerstattung der Mineralölsteuer für Agrardiesel
gleichwohl nehmen, nur eben über einen längeren Zeitraum gestaffelt.
Darüber hinaus muss Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir weitere 100
Millionen Euro einsparen, das wird uns ebenfalls treffen. Nicht zu
vergessen, dass wir bereits bei früheren Maßnahmen wie
Umsatzsteuerpauschalierung, Landwirtschaftliche Unfallversicherung oder der
Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz einen Sparbeitrag von
rund einer halben Milliarde geleistet haben. Die Landwirtschaft wird
überproportional getroffen. Wir meinen, dass sich weitere Kürzungen
verbieten.
Das wollen Sie in dieser Woche mit [5][zahlreichen Protesten deutlich
machen], unter anderem mit Trecker-Umzügen, die den Verkehr behindern
werden. Wenn Mitglieder der Letzten Generation Straßen blockieren, wird das
als Nötigung oder sogar Terrorismus bezeichnet – wie würden Sie Ihren
Protest nennen?
Wir machen von unserem Demonstrationsrecht Gebrauch. Der Trecker ist das
Symbol der Landwirtschaft. Wenn wir uns damit zeigen, ist das ein starkes
Signal, aber das halten wir für nötig. Natürlich gibt es
Beeinträchtigungen, dafür bitten wir um Verständnis. Aber das ist ein
legitimer Protest, den wir ordnungsgemäß angemeldet haben. Wir fahren in
Kolonnen, an mehreren Tagen in verschiedenen Regionen. Wir wollen das Land
nicht lahmlegen, und auf jeden Fall werden Rettungs- und Pflegekräfte zu
ihren Einsatzorten kommen. Blockaden, bei denen Straßen gesperrt werden,
lehnen wir ab.
Bei Bauernprotesten in anderen Teilen Deutschlands fuhren Wagen mit Galgen
mit, es gab [6][Plakate mit rechten Slogans oder das Logo der völkischen
Bauernbewegung „Landvolk“ aus den 1920er-Jahren]. Wie wollen Sie
verhindern, dass bei Ihren Demos solche Gruppen und Symbole auftauchen?
Der Deutsche Bauernverband hat sich deutlich von solchen Dingen
distanziert. Wir sind uns der Gefahr bewusst, dass es Randgruppen gibt, die
versuchen, unseren Protest zu missbrauchen. Aber der Bauernverband lässt
sich nicht vereinnahmen. Uns geht es allein um die Kürzungspläne der
Regierung, von Zielen anderer distanzieren wir uns in aller Deutlichkeit.
Haben Sie bei Ihren Veranstaltungen Ordnungskräfte, die nach solchen
Gruppen Ausschau halten – und erkennen die deren Symbole überhaupt?
Wir haben unsere Aktionen transparent angekündigt, auch der Presse und den
Behörden, es kann also jeder schauen, ob alles vernünftig abläuft. Ordner
sind eingeteilt und es gibt einen Versammlungsleiter vor Ort, die dafür
sorgen, dass alles im ordentlichen Rahmen passiert. Wenn das nicht so ist,
dann ist Ende der Veranstaltung.
Um mal eine FDP-Argumentation zu benutzen: Warum vertrauen Sie nicht dem
Markt, der bei wegfallenden Subventionen ganz schnell E-Trecker oder
Mähroboter entwickelt, um Trecker mit Dieselmotoren zu ersetzen?
Ja, wenn man das Label,klimaschädliche Subvention' auf etwas klebt, sind
viele dafür, es abzuschaffen. Aber es gibt sachliche Gründe für die
Steuerbefreiung und die Kosten für Diesel sind bereits jetzt so hoch, dass
die Betriebe alles tun, um sie zu senken. Und es gibt keine Alternativen –
heutige E-Motoren können die großen Maschinen nicht ziehen.
Landwirtschaftliche Geräte sind nicht mit Dienstwagen vergleichbar, sondern
mit dem Maschinenpark einer Fabrik. Der wird auch nicht besteuert.
Jenseits der Kosten: Der Klimawandel ist deutlich spürbar, gerade für die
Landwirt:innen, die auf trockenen Böden ackern oder im Dauerregen stehen.
Warum die heftige Gegenwehr gegen Maßnahmen für Klimaschutz oder
Biodiversität? Ich erinnere mich an die Proteste gegen Schutzstreifen an
Knicks.
Da ging es um einen Eingriff ins Eigentum, und das ist für Bauern die
Existenzgrundlage. Der Landwirtschaft ist es völlig bewusst, dass wir einen
Beitrag gegen die Erderwärmung leisten müssen, und ist bereit dazu. Denn
wir sind aufgrund unserer Emissionen Teil des Problems, können aber auch
Lösungen anbieten. Unsere Sektorenziele haben wir erreicht, sogar
unterschritten. Wir können in Wäldern und Grünflächen CO2 binden. Wir
bringen uns aktiv ein, etwa in der Allianz für Gewässerschutz, beim Umbau
für mehr Tierwohl und vielem anderen. Doch da der Markt diese Anstrengungen
nicht honoriert, muss der Staat das tun. Wenn aber zugesagte Hilfen
ausbleiben und die Steuern drastisch erhöht werden, verprellt man sogar die
bereitwilligsten Landwirte.
7 Jan 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Esther Geißlinger
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