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# taz.de -- Politologe über Serbien: „Neuwahlen in Belgrad sind denkbar“
> Wegen des mutmaßlichen Wahlbetrugs gibt es Proteste. Florian Bieber
> erklärt, was es bräuchte, damit sie Präsident Vučić gefährlich werden.
Bild: Belgrad, 25.12.2023: Studierende protestieren mit einer Straßenblockade …
taz: Gibt es schon belastbare Informationen zur Qualität und Quantität des
mutmaßlichen Wahlbetrugs? Ist es schlimmer als bei früheren Wahlen?
Florian Bieber: Es gibt Informationen dazu im Bericht des Büros für
Demokratie und Menschenrechte ODIHR, allerdings ohne [1][Details, sowie
Hinweise vom Recherche Center Crta]. Die systematische Anmeldung von
serbischen Staatsbürgern in Belgrad, die dann dort wählen, ist eine neue
Dimension, die zumindest in dem Umfang bisher nicht stattfand und bereits
im Vorfeld beobachtet wurde. Natürlich sind alle in Belgrad gemeldeten
Bürger stimmberechtigt, aber es gibt den Verdacht, dass Tausende zum Zweck
der Wahl in Belgrad angemeldet wurden, obwohl sie tatsächlich anderswo
wohnen.
Können die aktuellen Proteste Präsident Aleksandar Vučić gefährlich werden…
Ich denke nicht wirklich. Erstens sind die Hinweise auf Wahlbetrug nur für
Belgrad wirklich ausreichend. Bei den Parlamentswahlen gab es sicher auch
Unregelmäßigkeiten und Betrug, aber das Ausmaß ist wohl geringer und auch
der Erfolg der SNS zu groß. Natürlich kann es gefährlich werden, wenn er
sich ungeschickt verhält und externer Druck groß wird. Das ist jedoch eher
unwahrscheinlich. Die [2][Proteste sind bisher auch zu klein], gerade im
Vergleich mit den Protesten im Frühsommer.
Also halten Sie Neuwahlen für unwahrscheinlich?
Neuwahlen in Belgrad sind denkbar, wenn die Proteste andauern und klare
Signale aus der EU und den US kommen, die auf eine Untersuchung und
Neuwahlen drängen. Natürlich müssten bei Neuwahlen die Bedingung
grundsätzlich verbessert werden, das geht nicht sofort.
Wie bereit ist Vučić, Gewalt einzusetzen, um auch Massenproteste im ganzen
Land niederzuschlagen?
Bisher gibt es keine landesweite Protestbewegung und diese wirkt auch eher
unrealistisch. Generell hat Vučić Proteste generell nicht unterdrückt,
sondern sie sind meist selbst verlaufen, nachdem nichts passiert ist. Es
ist wahrscheinlich, dass er beibehält. Gewalt durch der Polizei ist eher
die Ausnahme, weil das oft die Unzufriedenheit mit dem Regime noch
bestärkt.
Welche Rolle spielt Russland bei alldem?
Natürlich versucht Russland daraus Kapital zu schlagen und Serbien und
Russland haben ein Abkommen [3][zur Bekämpfung von „Farbrevolutionen“]
unterzeichnet. Das Maidan-Szenario betonen Vučić und Brnabić (Ana Brnabić,
die Ministerpräsidentin Serbiens, Anmerkung der Redaktion) auch dieser
Tage. Ich denke, dass es weniger darum geht, Hilfe aus Russland zu
bekommen, sondern eine Botschaft an die USA und die EU zu schicken: Wenn
ihr auf uns Druck ausübt, wenden wir uns Russland zu. Dabei geht es um
geopolitische Fragen, wie serbische Munition für die Ukraine und
Kompromisse im Kosovo. Vučić erhofft sich durch die Mischung aus Drohung
und positiven [4][Signalen vom Druck des Westens zu befreien].
Welche Reaktionen müssten von EU und Österreich kommen?
Es müsste eine klare Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung kommen;
Druck, um eine Aufklärung voranzutreiben. Wichtig wäre auch, die Opposition
zumindest zu treffen und der Zivilgesellschaft den Rücken zu stärken. Die
Grundlage hierfür gibt es durch die Wahlbeobachtung der OSZE. Bisher gab es
zwar Erklärungen, aber keine klaren Schritte. Es scheint, als wären die
Fragen des Kosovo bzw. Waffen für die Ukraine wichtiger, als Demokratie in
Serbien.
30 Dec 2023
## LINKS
[1] https://crta.rs/en/the-results-of-the-belgrade-elections/
[2] /Nach-den-Wahlen-in-Serbien/!5977948
[3] /Syrisch-russische-Beziehungen/!5911444
[4] /Serbische-Wahlen/!5975837
## AUTOREN
Florian Bayer
## TAGS
Serbien
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