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# taz.de -- Studentin über Wahlfälschung in Serbien: „Wir werden weiter pro…
> Emilija Milenković war eine der Rednerinnen auf der Kundgebung gegen
> Wahlfälschungen in Belgrad. Sie berichtet von den Plänen der zivilen
> Opposition.
Bild: Demonstranten schwenken am 30.12. in Belgrad serbische Flaggen während e…
taz: Sie und Ihre Mitstreiter:innen protestieren seit dem 18. Dezember
fast jeden Tag. Warum?
Emilija Milenković: Die Parlaments- und Lokalwahlen vom 17. Dezember waren
weder frei noch fair. Es gab jede Menge Unregelmäßigkeiten, das stellten
auch internationale Wahlbeobachter fest. Es kann nicht sein, dass Tausende
Leute aus Bosnien heran gekarrt werden, um den Belgrader Bürgermeister zu
wählen. Sogar Tote tauchten auf Wählerlisten auf. Wir fordern Transparenz
und Neuwahlen.
Sie sind schon länger in der Zivilgesellschaft aktiv.
Wir haben uns letzten Mai organisiert, als zwei Amokläufe in Serbien verübt
wurden. Damals als „Studierende gegen Gewalt“, wir demonstrierten den
ganzen Sommer lang. Nun haben wir uns umbenannt, denn wir sind nicht nur
für Studierende da. Und unser Ziel ist nun ein anderes: Demokratie.
Werden die aktuellen Proteste überwiegend von Jungen getragen?
Vor allem von uns Studierenden, aber nicht nur. Wir teilen die Ziele auch
mit der politischen Opposition, nicht aber die Herangehensweise. Die
Parteien wollen vor allem institutionell vorgehen, eine
[1][Oppositionspolitikerin begann außerdem einen Hungerstreik] (den sie
nach zwei Wochen aus medizinischen Gründen beendete, Anm.).
Wir sind von Parteien unabhängig und wollten uns von Anfang an etwas
Eigenes einfallen lassen. Daher begannen wir, Straßen im Belgrader
Regierungsviertel lahmzulegen. Wir konnten zwei Blockaden für sechs
Stunden, eine weitere sogar für 24 Stunden aufrechterhalten. Das wollen wir
fortsetzen, noch länger sogar. Wieder mit Zelten und Camps.
Am Abend des 24. Dezember ging die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas
auf Demonstrierende los. Haben Sie das miterlebt?
Ja, [2][es war brutal]. Die Polizei eskalierte grundlos. Zwar gab es eine
kleine Gruppe Demonstrierender, die ins Rathaus eindringen wollten. Zu
diesem Zeitpunkt waren Polizisten im Gebäude, die niemanden hineinließen.
Manche der Demonstrierenden wollten dann die Türen stürmen, die
allermeisten aber blieben friedlich.
Später begann die Polizei, das Areal rund um das Rathaus zu räumen und alle
zu verprügeln, die in ihrem Weg standen. Auch die friedliche Mehrheit.
Viele wurden verhaftet, wohl auf Geheiß der Regierung, um uns Angst zu
machen.
Wurden die festgenommenen Studierenden mittlerweile freigelassen?
Es gibt kaum Informationen, aber soweit ich weiß nicht. Manche stehen unter
Hausarrest, andere warten noch auf ein Urteil. Vielen wird vorgeworfen, die
„verfassungsmäßige Ordnung gestört“ zu haben. Das ist Unsinn. Auf dieses
Delikt stehen jedoch bis zu fünfzehn Jahre Haft.
Sie fordern auch mehr Druck von Seiten der EU.
Den braucht es unbedingt. Alle internationalen Beobachter sagten, dass die
Wahl nicht frei und fair war. Die europäischen Institutionen scheuen sich
aber, das so direkt zu sagen. Immerhin haben viele Regierungen Vučić nicht
zum Sieg gratuliert.
Manchmal denke ich dennoch, dass wir allein sind. Dass uns niemand
unterstützt, wenn sie uns angreifen und verhaften. Als das deutsche
Außenministerium sinngemäß schrieb, die Wahlen seien nicht frei und fair
abgelaufen, wurden eine Kollegin und ich als „deutsche Agenten“ bezeichnet.
Damit will die Regierung die Kritik aus Deutschland verwässern.
Regierungsnahe Medien haben Sie zum Feindbild erklärt?
Ja, unsere Fotos sind überall. Sogar unsere privaten Daten und Ausweisfotos
wurden von der Polizei an die Medien weitergegeben. Einen Freund von mir
bezeichneten sie gar als Mitglied der Hamas.
Momentan ruht der Protest, am 7. Januar feiert Serbien das orthodoxe
Weihnachtsfest. Wie geht es danach weiter?
Wir werden weiter protestieren. Womöglich am 13. Januar, aber das ist noch
nicht sicher. Bis jetzt hat sich fast alles auf Belgrad konzentriert. Wir
wollen den Widerstand aber auf ganz Serbien ausweiten.
Könnte es nach der Weihnachts-Pause schwieriger werden, die Leute zu
mobilisieren?
Ich denke nicht. Die Menschen sind wirklich wütend. Sie denken: Wenn wir
das nicht jetzt lösen, werden wir nie ein demokratisches Land sein. Die
freien Tage jetzt sind für manche wichtig, sich ein bisschen zu erholen –
um dann aber wieder bereit für den Protest zu sein.
5 Jan 2024
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## AUTOREN
Florian Bayer
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