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# taz.de -- Die Wahrheit: Das neue Jahr wird verboten gut
> „Spatzi“, Schwarzfahren und Streiks: 2024 schleicht sich leise an als
> Jahr des woken Wahnsinns und nimmt dann voll Fahrt auf.
Bild: Weg mit Weselsky! Motto 2024: Streiken fürs Streikverbot
Ojemine! Auf 2024 zurückschauen wird man aller Voraussicht nach als das
Jahr, in dem die Wokeness explodierte und von allen gesellschaftlichen
Sphären Besitz ergriff. In der Folge tanzt der nackte Irrsinn auf den
Straßen, und die Frage, ob denn jetzt alle verrückt geworden seien, kann
abschließend mit einem kristallklaren Ja beantwortet werden.
Im Januar werden deshalb – im Rahmen eines juristischen Feldzugs gegen das
zwanghafte Gendern – von den unionsgeführten Bundesländern vorsorglich
schon mal sämtliche weiblichen Spitz- und Kosenamen in Familie und Beruf
verboten. Es geht gegen jene, an denen der Ruch der sprachlichen
Sichtbarmachung von Frauen klebt: von „Spatzi“ über „Frollein“ bis „…
Medusa“. Damit soll der ständigen Bevorzugung von Personen weiblichen
Geschlechts in der charmanten Alltagskommunikation ein Riegel vorgeschoben
werden.
Dass auch das damit verschwisterte Flirten unter die Räder kommt, wird von
den hölzernen und ungeschickten Konservativen gerne hingenommen. Den Damen
gefällt das allerdings überraschenderweise ausgezeichnet, da haufenweise
peinliche Anlässe für Nerverei und Belästigung entfallen, und die Herren
trauen sich nicht mehr, wahllos verschwiemelte Komplimente zu verteilen
sowie Union zu wählen – 1:0 für die Wokeness!
Davon ermutigt, verbietet der Verband christdemokratischer
Kommunalkörperschaften im Frühjahr den regionalen Verkehrsbetrieben im
ganzen Land, durch ihre Tarifstrukturen eine unfaire Altersdiskriminierung
durchzusetzen. In der Folge werden alle Privilegien junger Menschen im
öffentlichen Nahverkehr abgeschafft, also alle vergünstigten Fahrscheine
für Kinder und Jugendliche verboten. Die Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft und die AfD-Bundestagsfraktion feiern den Beschluss als
Sieg der Leistungsgerechtigkeit und Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen
Normalität.
Die Betroffenen aber fahren anschließend verbotenerweise schwarz, wandern
nach Schnellurteilen zuhauf in die Kinder- und Jugendgefängnisse, dort
kommt es zu Aufständen – vor allem jeweils in Zellenblock Nr. 9. Eine
rebellische Jugendmusik entsteht aus dieser Bewegung hinter Gittern
(„Jailhouse Rock“), die Regierung wankt und wackelt bedenklich, und wie es
weitergeht, soll hier noch nicht verraten werden – schauen Sie ab April
doch gegen alle Gewohnheit hin und wieder in die Abendnachrichten!
Im Frühsommer geht es dann Schlag auf Schlag: Der Deutsche Städtetag
untersagt Krankenhäusern, Gesunde zu diskriminieren, sodass für sie eigene
Gesundenzimmer und Fitnessräume eingerichtet werden müssen; der
Immobilienbesitzer-Lobbyverein Haus & Grund verbietet für Vermieter jede
andere Anrede als „Hoheit“ oder „Ihro Gnaden“; und weil die Masche so g…
zieht, irgendetwas strikt zu verbieten mit der Rechtfertigung, anderenfalls
würden die Mächte des Woken demnächst gewiss das genaue Gegenteil unter
Strafe stellen, gelingt es dem Unions-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz
in Verbund mit FDP-Abtrünnigen aus der Ampelkoalition, die Besteuerung von
Einkünften über 100.000 Euro im Jahr zu verbieten.
Ziel des Gesetzespakets ist, Hassverbrechen gegen wohlhabende Personen
schon im Ansatz, also in Gedanken, zu ersticken und wenigleistenden
Personen mit niedrigerem Einkommen einen Denkzettel zu verpassen. Das
Bundesverfassungsgericht begrüßt diese erzieherische Zielsetzung
ausdrücklich. Es kündigt für Mitte 2025 eine kritische Überprüfung des
Sozialstaatsgebots an.
Am Jahresende gleicht die Bundesrepublik jedenfalls in Form und Inhalt
einer lateinamerikanischen Militärdiktatur traditionellen Zuschnitts. Sie
gilt jedoch international als abschreckendes Beispiel für die
strangulierende Macht von Wokeness und Gutmenschentum. Damit vereint sie
das Beste aus beiden Welten: Unterdrückung und Repression! Wundersamerweise
waren es just die lautesten, vorgeblich antiwoken Kräfte in Konservatismus
und Reaktion, die diese Tendenz flächendeckend durchsetzen, ganz im Sinne
von Goethes Mephistopheles und seinem ewig gültigen Prinzip der Kraft, die
stets das Böse will und stets das Gute schafft.
## Erschütternde Streikwellen in 2024
Genau andersherum verfährt hingegen eine gesellschaftliche Kraft, der wir
2024 viele graue Haare und abgekaute Fingernägel verdanken. Von
Jahresbeginn an erschüttern nämlich verschiedene Streikwellen das Land. Aus
Empörung über die freche Lokführer-Gewerkschaft GdL und ihren unverschämten
Führer Claus Weselsky, die es wagen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ihre
Rechte und Interessen einzutreten, streiken von Woche zu Woche immer
weitere Berufsgruppen für ein endgültiges Verbot von Streiks.
„Es passt einfach nicht zu uns Deutschen, die Arbeit streikweise
niederzulegen.“ Das sagt zum Beispiel im März eine als Arbeiterin
verkleidete Pressesprecherin der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände
(BDA) in den „Tagesthemen“: „Wir sind doch eher Ameisen, Duckmäuser und
Schleimer, die ihren Chefs gefallen wollen!“ Laut einer Umfrage am
folgenden Tag stimmen 87 Prozent der Deutschen dieser Aussage
uneingeschränkt zu.
„Streiken ist Mist“ und „Streiken schadet allen“ werden die Slogans der
Massendemonstrationen des Sommers. Im Herbst versteht auch die SPD endlich,
dass es keinen Sinn ergibt, gegen die Bevölkerungsmehrheit zu regieren, und
kündigt für das kommende Jahr an, den Faschismus einzuführen, damit es kein
anderer oder keine andere tut.
Die Aussichten fürs just begonnene Jahr erscheinen also insgesamt alles
andere als rosig, nämlich absolut hammerhart krass ätzend, auch angesichts
der weltumspannenden Kämpfe, Kriege und Konflikte, die im Laufe von 2024 in
ganz neue Dimensionen vorstoßen. Dafür entschädigt uns das Jahr allerdings
mit zahllosen Genussmomenten, auf die sich besonders all jene freuen
dürfen, die sich das genussvolle Genießen mit allen Sinnen nicht verbieten
lassen – ganz gleich, was heute dieser Politiker und morgen jener sagt!
2 Jan 2024
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Vorhersage
Friedrich Merz
Gendern
Streik
Neujahr
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Diäten
Gastronomie
Fleischkonsum
Reiseland Slowenien
Deutsche Bahn
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