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# taz.de -- Dolmetsch-Flatrate in Bremen: Bei Anruf Übersetzung
> In Bremen sollen Online-Dolmetscher*innen bei der Verständigung helfen,
> Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlasten – und Gewaltopfern helfen.
Bild: Wird in Zukunft in Bremen vielleicht einfacher: Sprachmittlung für ukrai…
Bremen taz | Eine Frau steht am Empfang einer Gemeinschaftspraxis in
Bremen, sie spricht auf Polnisch in ihr Handy. Eine Praxismitarbeiterin
steht neben ihr, schaut auf den Bildschirm und sagt dann in das Telefon:
„Sie müssen dort einen Termin machen.“ Pause. Die Patientin scheint nicht
zu verstehen, was ihre App ihr übersetzt. Die Mitarbeiterin versucht es
erneut: „Sie müssen einen Termin machen“ sagt sie deutlich und langsam.
[1][Solche Situationen] könnten in Bremen in Zukunft erleichtert werden.
Der bremische Senat hat kurz vor Weihnachten eine Dolmetscher-Flatrate
beschlossen, die in Zukunft allen Mitarbeiter*innen von Behörden, sowie
im Sozial- und Gesundheitssystem zur Verfügung stehen soll.
Wenn etwa Polizist*innen, die wegen häuslicher Gewalt gerufen werden, keine
gemeinsame Sprache mit der Betroffenen teilen, können sie in Zukunft eine
zentrale Telefonnummer anrufen und werden dann online mit einem*einer
Dolmetscher*in verbunden, der*die ihnen bei der Verständigung helfen
kann. Funktionieren soll das sowohl über das Smartphone, als auch über den
Computer oder das Telefon.
Entstanden ist die Idee in der Zusammenarbeit der Gesundheitsbehörde und
der [2][Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der
Gleichberechtigung der Frau (ZGF)], die zusammen den Landesaktionsplan
gegen Gewalt an Frauen umsetzen, sagt Susanne Gieffers von der ZGF. Das
Problem sei, dass es in Fällen von Gewalt oft an geschlechtssensiblen und
anonymen Übersetzungsmöglichkeiten fehlt.
„Ganz schlimm ist, wenn Kinder für ihre Mütter übersetzen und ihnen
womöglich schlimme Botschaften übermitteln müssen“, sagt Gieffers. Durch
den schnellen Zugriff auf die Übersetzungen, „wird [3][hilfesuchenden
Frauen mit Sprachbarrieren] der Zugang zum gesamten Hilfesystem überhaupt
erst ermöglicht“, sagt Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm. „Die
betroffenen Frauen können sich selbstständig Hilfe holen und verständlich
machen“. Das sei „ein riesiger Fortschritt beim Gewaltschutz“, so Wilhelm.
## Hilfe bei der Verständigung
Aber nicht nur Menschen, die von geschlechtsspezifischer oder häuslicher
Gewalt betroffen sind, sollen davon profitieren. Die Flatrate soll auch
Lehrer*innen bei Elterngesprächen, Beamt*innen bei Kontrollen auf
Baustellen, oder bei der Führerscheinstelle helfen.
Vor allem in kurzfristigen Situationen – wenn etwa jemand Wohngeld
beantragen möchte, sich aber nicht verständigen kann – bekommt dieser
Mensch dann „sofort eine Dolmetschung“ sagt Matthias Makosch von der
Finanzbehörde.
Bezahlt wird die Flatrate vom Finanzressort, das als Querschnittsressort
für bremische Personalangelegenheiten und auch die bisher bereits
bestehenden Dolmetsch- und Sprachmittlerdienste der Verwaltung zuständig
ist, sagt Makosch.
Für Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) ist der Beschluss ein „Meilenstein�…
für mehr Bürgerservice und soll gleichzeitig die Beschäftigten im
öffentlichen Dienst entlasten. „In Bremen ist gut ein Viertel der
Bevölkerung zugewandert. Nicht alle beherrschen das Amtsdeutsch so gut,
dass die Verständigung reibungslos klappt“, sagt Fecker. Das Angebot solle
Sprachbarrieren überwinden und Teilhabe sichern.
## Dolmetsch-Flatrate als Ergänzung gedacht
In Thüringen, wo es die Dolmetsch-Flatrate schon seit 2019 gibt,
kritisierten Thüringer Dolmetschbüros 2020 in einem gemeinsamen
[4][Positionspapier zum Videodolmetschen], dass das Programm „in seiner
aktuellen Gestalt“ die regionalen Strukturen in Thüringen schwäche und sich
„als Existenzbedrohung für in Thüringen lebende und arbeitende
Dolmetscher*innen“ erweise.
Dass der Online-Service auch in Bremen die lokalen Strukturen bedrohen
könnte, glaubt man zumindest in der Verwaltung nicht. Die bestehenden
Dolmetscher- und Sprachmittlerdienste sollen erhalten bleibe. Die Flatrate
ist in Bremen „definitiv als Ergänzung gedacht“, sagt Matthias Makosch von
der Finanzbehörde.
Auch in Brandenburg gibt es seit diesem Jahr einen Dolmetsch-Service.
„Funktioniert super“, sagt Sozialarbeiterin Jana Reinhardt vom Frauenhaus
Rathenow aus Brandenburg, wo der Dienst seit Juli genutzt wird. „Vorher war
es wirklich schwierig“, sagt Reinhardt. Die finanziellen Mittel hätten oft
gefehlt um Dolmetscher*innen und deren Anfahrt zu bezahlen. Man habe
sich mit Übersetzungs-Apps geholfen. Der Online-Service funktioniere „sehr
schnell“ und man könne sogar Termine vereinbaren, so dass etwa eine
fortlaufende Beratung immer wieder mit der gleichen Dolmetscherin
durchgeführt werden könne.
In wie viele Sprachen übersetzt werden soll, steht noch nicht fest. Die
Details werden in Bremen noch ausgearbeitet. Der Dolmetsch-Dienst soll
Anfang des Jahres – in Zusammenarbeit mit der ZGF – europaweit
ausgeschrieben werden. Voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte 2024
soll er, laut Senat, zur Verfügung stehen.
3 Jan 2024
## LINKS
[1] /Hilfe-fuer-Gefluechtete-in-Bremen/!5656522
[2] https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/senat-bringt-do…
[3] /Fluechtlings-Dolmetscherin-ueber-Traumata/!5686016
[4] https://www.ibs-thueringen.de/wp-content/uploads/2020/07/Positionspapier-de…
## AUTOREN
Franziska Betz
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Bremen
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häusliche Gewalt
Gewalt gegen Frauen
häusliche Gewalt
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
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