Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Afghanistan unter den Taliban: Zwei Frauenrechtlerinnen frei
> Das Taliban-Regime hält weiterhin viele Aktivistinnen in Haft und
> schüchtert sie und ihre Familien immer noch massiv ein. Zwei aber sind
> jetzt frei.
Bild: Die Frauenrechtlerin Julia Parsi, hier im November 2022 in Kabul
Berlin taz | Zur Abwechslung mal eine gute Nachricht aus Afghanistan: Die
Taliban haben in den letzten Tagen mit [1][Zhulia Parsi] und [2][Neda
Parwani] zwei prominente Frauenrechtlerinnen aus der Haft entlassen. In
beiden Fällen bestätigten Familienangehörige und Mitaktivist*innen
gegenüber afghanischen Exilmedien die Freilassung.
Beide waren vor etwa drei Monaten in ihren Wohnungen in Kabul verhaftet
worden, Parwani am 19. und Parsi am 27. September. Beide mussten auch
jeweils ein Kleinkind ins Gefängnis mitnehmen.
Parsi hatte als Leiterin der „Spontanen Bewegung der Afghanischen Frauen“
in Kabul mehrere Straßenproteste gegen die Entrechtung der weiblichen
Bevölkerung Afghanistans durch das Taliban-Regime mitorganisiert. Auch
Parwani gehörte zur Führung dieser Bewegung. Mit ihr kam auch ihr Ehemann
in Haft und jetzt wieder frei. Anfang Dezember waren Meldungen nach außen
gedrungen, dass sich Parsis und Parwanis Gesundheitszustände verschlechtert
hätten und die Taliban beide in ein Krankenhaus verlegt hätten.
Bereits im Oktober war nach einmonatiger Haft ein drittes führendes
Mitglied der Bewegung, [3][Manizha Sediqi], nach einmonatiger Haft
freigekommen. Im selben Monat entließen die Taliban nach fast
siebenmonatiger Haft auch den Bildungsaktivisten [4][Matiullah Wisa].
## Auch Bildungsaktivist frei, der Taliban kritisierte
Er hatte seit 2009 mit seinem [5][Verein Pen Path] Bildungsaktivitäten in
entlegenen Gebieten Afghanistans organisiert und die Taliban öffentlich
wegen ihres Verbots von Frauen- und Mädchenbildung kritisiert.
Eine vierte Aktivistin der spontanen Frauenbewegung, Parisa Azada, befindet
sich weiter in Taliban-Haft. Human Rights Watch teilte Ende November mit,
dass die Organisation über viele Fälle verhafteter Frauen nicht berichten
könne. „Familien fürchten sich und verschleiern ihre Verhaftungen, in der
Hoffnung, dass Schweigen ihre Freilassung erkaufen oder Misshandlungen in
der Haft verhindern können“, erklärte die [6][Organisation].
Keine der freigelassenen Frauen äußerte sich bisher selbst öffentlich, auch
nicht zu ihren jeweiligen Haftumständen. Es ist bekannt, dass sich
Freigelassene schriftlich verpflichten müssen, künftig von ihren
Aktivitäten abzulassen. Halten sie sich nicht daran, können
Familienangehörige belangt werden.
Auch die Taliban äußern sich weder zu solchen Freilassungen noch zu
Verhaftungen. Es gibt kein offizielles Verfahren; den Verhafteten werden
keine Haftgründe mitgeteilt, und sie haben keinen Zugang zu einer
anwaltlichen Verteidigung.
Die jüngsten Freilassungen signalisieren keine Kursänderung des
Taliban-Regimes, sondern zeigen mutmaßlich das „Strafmaß“, das die Taliban
für solche „Vergehen“ zumessen. Für sie dürfte es das wichtigste sei, die
Entlassenen so einzuschüchtern, dass sie nicht mehr erneut protestieren –
und ihre Familien dafür sorgen.
## Frauenhäuser geschlossen
Die ebenfalls im Exil tätige Plattform für Frauennachrichten
[7][Ruchschana] hingegen veröffentlichte jüngst den Bericht von drei
Frauen, die im März 2022 bei einer Razzia in einem Frauenhaus verhaftet
worden waren, nach ihrer Freilassung aber das Land verlassen konnten. Sie
sprachen von Schlägen während nächtlicher Vernehmungen, mentaler
Misshandlung wie Bedrohungen und Beschimpfungen. Es gebe erzwungene und auf
Video aufgezeichnete Geständnisse, dass sie vom Ausland finanziert würden,
und sie berichten von der Aufforderung, vom Schiitentum zur
Mainstream-Islam, der Sunna zu konvertieren. Sie sind weiterhin
traumatisiert.
Anfang Dezember interviewte der Afghanistan-Dienst der Deutschen Welle den
sichtlich traumatisierten Bildungsaktivisten Ismail Maschal, einen früheren
Universitätsprofessor, der in Kabul eine mobile Lastenfahrrad-Bibliothek
betrieben hatte. Er musste ab Anfang Februar anderthalb Monate in
Taliban-Haft verbringen und erhielt inzwischen Asyl in Deutschland.
Seit März gab es wegen der Taliban-Repression in Afghanistan keinen
Straßenprotest von Frauen mehr. Allerdings versammelten sich im August
mehrere Frauen zur Gründung einer weiteren Frauenorganisation. [8][Acht von
ihnen wurden festgenommen, nach 24 Stunden aber wieder auf freien Fuß
gesetzt.]
Zuletzt berichtete die [9][UNO], dass unter den Taliban Fälle von
genderbezogener Gewalt nur noch von männlichem Polizei- und Justizpersonal
bearbeitet werde. Viele davon seien der Auffassung, Frauen „zu ihrem
eigenen Schutz“ ins Gefängnis zu bringen, sei die einzig mögliche
Gegenmaßnahme, wenn es keine männlichen Angehörigen gebe, die sich
schriftlich verpflichteten, die Frauen zu schützen.
Seit dem Sturz der Vorgängerregierung hätten die Taliban 23 staatlich
geführte Frauenhäuser geschlossen, da sie ein „westliches Konzept“ seien.
20 Dec 2023
## LINKS
[1] https://8am.media/eng/trailblazing-womens-rights-activist-julia-parsi-emerg…
[2] https://www.afintl.com/en/202312153951
[3] https://www.rferl.org/a/afghan-womens-rights-activist-siddiqi-detention/326…
[4] /Maedchenbildung-in-Afghanistan/!5924485
[5] /Afghanistan-unter-den-Taliban/!5865143
[6] https://www.hrw.org/news/2023/11/30/womens-rights-activists-under-attack-af…
[7] https://rukhshana.com/en/the-ongoing-torture-after-taliban-detention-of-wom…
[8] https://amu.tv/61983/
[9] https://news.un.org/en/story/2023/12/1144837
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Taliban
Frauenfeindlichkeit
Frauenbewegung
Frauenrechtlerin
Bildung
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Pakistan
## ARTIKEL ZUM THEMA
UN-Gipfel zu Afghanistan: Taliban zieren sich
Ein internationales Treffen in Katar soll die Tür zu einer Zusammenarbeit
mit Kabul öffnen. Jetzt findet das Treffen wohl ohne die Taliban statt.
Afghanistan-Untersuchungsausschuss: Die Fragen bleiben
Seit 18 Monaten analysiert ein Untersuchungsausschuss den Truppenabzug aus
Afghanistan. Ab Donnerstag dürfte es im Gremium politischer werden.
Kochbuch aus Afghanistan: Chutneys und Pickles
Afghanistan kommt nicht zur Ruhe, aber die Traditionen werden weiter
gepflegt. Sarghuna Sultanie hat typische Gerichte in einem Kochbuch
versammelt.
Pakistans Umgang mit Afghanen: Ausweisen, abschieben, abkassieren
Die Ausweisung Hunderttausender Afghanen aus Pakistan geht unbeirrt weiter.
Verschärfte Pass- und Visaregeln sorgen unterdessen für anhaltende
Proteste.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.