# taz.de -- Pakistans Umgang mit Afghanen: Ausweisen, abschieben, abkassieren | |
> Die Ausweisung Hunderttausender Afghanen aus Pakistan geht unbeirrt | |
> weiter. Verschärfte Pass- und Visaregeln sorgen unterdessen für | |
> anhaltende Proteste. | |
Bild: In unbeheizten Zelten ohne Nahrung nach dem Grenzübertritt Torkham | |
ISLAMABAD taz | Winterkälte in unbeheizten Zelten und fast nichts zu essen | |
und zu trinken: Das ist die Lage der meisten Afghan*innen, die in den | |
letzten Wochen – oft nach Jahrzehnten in Pakistan – das Nachbarlang | |
verlassen mussten und jetzt im Reich der völlig überforderten Taliban | |
[1][vor dem Nichts stehen]. | |
412.000 Afghan*innen haben nach Angaben aus Islamabad Pakistan | |
verlassen, seit die dortige Übergangsregierung 1,7 Millionen Afghanen ohne | |
gültige Aufenthaltspapiere ultimativ zum [2][Stichtag 1. November] zum | |
Verlassen des Landes aufgefordert hatte. | |
Die meisten Ausgereisten, die oder deren Eltern einst vor der Gewalt in | |
Afghanistan geflohen sind. leben jetzt in provisorischen afghanischen Camps | |
ohne ausreichende Versorgung. Zehntausende weitere sind in Pakistan in | |
Abschiebezentren interniert worden und warten auf ihre Deportation. | |
Bisher lebten geschätzte 4,4 Millionen Menschen afghanischer Abstammung in | |
Pakistan, darunter 600.000, die nach der Machtübernahme der Taliban in | |
Kabul im August 2021 vor diesen nach Pakiastan flohen, oft mit kurzzeitigen | |
Aufenthaltsberechtigungen und den Aufnahmezusagen westlicher Länder. | |
## Paschtunen blocken Grenze aus Protest | |
Doch weil sich die Weiterreisen aus bürokratischen Gründen oft verzögerten, | |
sind inzwischen auch viele dieser Geflohenen von Abschiebung aus Pakistan | |
bedroht. | |
Doch die Regierung in Islamabad hat zugleich auch die Einreisebestimmungen | |
und Passregeln geändert. Gegen die neuen Bestimmungen zum Überqueren der | |
einst von den Briten willkürlich gezogenen Grenze protestieren auf der | |
pakistanischen Seite schon seit Mitte Oktober überwiegend örtliche | |
Paschtunen beider Staaten mit Demonstrationen, Sit-ins und | |
Straßenblockaden. | |
Den südlichen Hauptübergang Chaman zwischen der pakistanischen Provinz | |
Balutschistan und Spin Boldak in der afganischen Provinz Kandahar passieren | |
normalerweise 20.000 Personen und Hunderte Lkw am Tag. Doch die Proteste | |
verursachen dort bereits seit Wochen große Staus. Denn die Demonstranten | |
lassen nur noch Fußgänger problemlos passieren. | |
Reichten früher Personalausweise zum Passieren der Grenze, verlangt | |
Pakistan jetzt Reisepässe und Visa. Das ist zeitaufwändiger, komplizierter | |
und kostspieliger. | |
Der Protestführer Sher Muhamand aus Chaman verweist gegenüber der taz auf | |
Tausende Kleinhändler: „Sie müssen täglich über die Grenze, denn der | |
Grenzhandel ist ihre einzige Einkommensquelle. Doch die neue Pass- und | |
Visapolitik wirkt sich sehr negativ auf ihre Geschäfte aus.“ | |
## Schmiergeldforderungen zur Umgehen neuer Regeln | |
Der Aktivist Zubair Shah ergänzt: „Die Paschtunen auf beiden Seiten der | |
Grenze gehören zum gleichen Stamm. Die Gräber der Vorfahren sind oft auf | |
der afghanischen Seite, manchmal auch Felder oder Häuser. Weil es hier | |
keine Industrie gibt, leben 70 Prozent der Bevölkerung vom | |
grenzüberschreitenden Handel, oft mit einfachen Handkarren. Die neuen | |
Regeln machen nicht nur alles komplizierter, sondern gehen vor allem in | |
dringenden Fällen auch oft mit Schmiergeldforderungen einher.“ | |
Pakistan hat die Massenausweisung mit Sicherheitsgründen gerechtfertigt: An | |
Selbstmordattentaten der pakistanischen Taliban (TTP) seien angeblich auch | |
auch immer wieder „illegale“ Flüchtlinge aus Afghanistan beteiligt gewesen. | |
Doch letztlich will Islamabad mit der Massenausweisung „Illegaler“ die | |
Taliban-Regierung in Kabul unter Druck setzen, damit diese gegen die von | |
Afghanistan aus operierende TTP vorgeht. Die Taliban in Kabul weisen aber | |
jede Verantwortung von sich. | |
Doch während es Islamabad bei der Ausweisung nach Afghanistan nicht schnell | |
genug gehen kann, wird bei Afghan*innen, die in andere Länder reisen, | |
schamlos die Hand aufgehalten: Ehemalige Ortskräfte westlicher | |
Organisationen, die in Pakistan gestrandet sind, dürfen jetzt das Land erst | |
nach Zahlung einer „Ausreisegebühr“ von 830 Dollar pro Person verlassen. | |
Übersetzung aus dem Englischen: Sven Hansen | |
7 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Zahra Kazmi | |
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