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# taz.de -- Nabu verleiht „Dinosaurier des Jahres“: Die Öko-Frevler 2023
> Windräder, Schienen und Wohnungen sollen schneller gebaut werden. Der
> Nabu straft die Reformen mit dem Schmähpreis „Dinosaurier des Jahres“ ab.
Bild: Der sechsspurige Ausbau der Autobahn A8 bei Pforzheim
Berlin taz | Lässt sich dagegen wirklich etwas sagen? „Deutschland muss
schneller werden“, erklärt die Bundesregierung, „mehr erneuerbare Energie,
klimafreundlich wirtschaften, mehr Wohnraum, leistungsfähige Straßen,
Schienen und Brücken – dringende Aufgaben, die keinen zeitlichen Aufschub
dulden.“
SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz hat darum im November mit den Ländern einen
[1][„Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“]
geschlossen. Darin 100 Maßnahmen, von denen die ersten ab Ende März 2024
greifen sollen. Nun verleiht der [2][Naturschutzbund Deutschland (Nabu)]
diesem Pakt den Anti-Umweltpreis „Dinosaurier des Jahres“. Begründung: Er
drohe „auch die Naturkrise zu beschleunigen“.
[3][Schon seit 1993 zeichnet der Nabu immer am Ende eines Jahres die
größten Umweltsünder und -sünden aus]. Es traf schon
Bundeswirtschaftsminister, Bauernpräsidenten oder [4][Bauprojekte], nun das
neue Deutschlandtempo. Der Ruf nach dem neuen Gesetzespaket sei
„verständlich“, sagte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger zur taz, „do…
werden Böden asphaltiert, betoniert und bebaut, hat das zum Beispiel
Auswirkungen auf die Bildung von neuem Grundwasser. Das Regenwasser kann
dann nicht mehr versickern, sondern wird einfach in die Kanalisation
abgeleitet.“ Solche Eingriffe in die Natur müssten gut geprüft werde.
Die Hitzewellen. Die Dürren. Die Sorgen um das Wasser oder den Wald, der
unter Trockenstress und Borkenkäfern leidet, nehmen zu. Allein zwischen
2018 und 2021, rechnet Krüger vor, seien fünf Prozent der Waldfläche
Deutschlands zerstört worden und damit Bäume verloren gegangen, die zum
Beispiel auch Trinkwasser filtern. Der Pakt zur Planungsbeschleunigung
drehe aber Errungenschaften beim Schutz von Boden, Wasser, Luft, Flora und
Fauna zurück.
## Nicht alles schlecht am Beschleunigungspakt
Mancher begründe den schnellen Bau von Solar- oder Windanlagen zwar mit dem
dringenden Kampf gegen die Erderhitzung. „Aber zu meinen, wir machen erst
mal Klimaschutz, um die Natur kümmern wir uns später, ist naiv“, so Krüger,
„der Grundwasserhaushalt oder die Ökosysteme lassen sich später ja nicht
einfach wieder reparieren.“ Die Ampelregierung habe in ihrem
Koalitionsvertrag auch versprochen, den geplanten Umbau Deutschlands nicht
gegen den Naturschutz auszuspielen – und täte es im Pakt mit den Ländern
nun doch.
Darin sei nicht alles schlecht. Planungsanträge sollen künftig digital
eingereicht werden können. Mit einem neuen bundesweiten Umweltdatenkataster
sollen Daten und Expertise aus früheren Genehmigungsverfahren zugänglich
gemacht werden. Das ist für Krüger „alles gutes Handwerkszeug“.
Doch wollen Bund und Länder bei Ersatzbauten für marode Infrastrukturen
künftig möglichst auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten. Bei
Vorhaben im öffentlichen Interesse sollen Bagger dann ohne neuen Check
anrollen dürfen, Klagen von Umweltverbänden sollen erschwert werden.
„Wir brauchen wahrscheinlich 20 neue Stadtteile in den meistgefragten
Städten und Regionen – so wie in den 70er Jahren“, hatte der Kanzler erst
vor kurzem gefordert. Krüger lastet den Abbau von Umweltstandards aber vor
allem den Bundesländern an: „Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten
der Länder haben die Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen die Belange von
Umwelt- und Naturschutz zurückgedrängt werden.“ Deshalb schicken die
Naturschützer vom Nabu den 2,6 Kilogramm schweren, aus Zinn gegossenen
„Dinosaurier“ an diesem Donnerstag per Express stellvertretend an den
Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, den hessischen
CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein.
Dabei, so Krüger, helfe der Abbau von Ökostandards am Ende wenig. Es hake
nicht am Umweltschutz, sondern an fehlendem Personal in den Behörden und
überbordender Bürokratie. So fehlten der Erneuerbare-Energien-Industrie zum
Beispiel nicht mehr die Flächen, um ihre Windkraftanlagen aufzubauen, seit
beschlossen wurde, dass die Länder im Schnitt zwei Prozent ihrer Flächen
für Windkraft reservieren müssen.
Ihr machten vielmehr die vielen Genehmigungen und Erlasse Probleme, die
nötig seien, um die Flügel und andere Bauteile über die Straße zu
transportieren. Krüger schlägt darum vor: „Wer schneller bauen will, muss
sich mit jeder Branche zusammensetzen, um herauszufinden, wo es wirklich
Probleme gibt.“
28 Dec 2023
## LINKS
[1] /Deutschlandpakt-des-Kanzlers/!5956401
[2] https://www.nabu.de/index.html
[3] /Nach-dem-Fischsterben-im-Sommer/!5905571
[4] /Nabu-Chef-ueber-Dinosaurier-des-Jahres/!5824156
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Bundesregierung
Nabu
Energiekrise
Oder (Fluss)
Naturschutz
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