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# taz.de -- Alternatives Zentrum in Lüneburg geräumt: Krach in der Katzenstra…
> Nach Räumungsklage und Gerichtsurteil sitzen die Öko- und Politgruppen
> und Initiativen aus dem Lüneburger Heinrich-Böll-Haus auf der Straße.
Bild: Nicht vor Gericht ausgetragener Disput (Symbolabb.)
Lüneburg taz | Seit 1990 war es ein fester Anlaufpunkt für umwelt- und
sozialpolitisch Engagierte in [1][Lüneburg]. Jetzt steht das
„Heinrich-Böll-Haus“ leer. Über Jahre hatte sich ein Konflikt zwischen dem
Trägerverein und dem Eigentümer, Lars Meyer-Ohlendorf, aufgebaut, der
zuletzt in einem Gerichtsprozess gipfelte: Am 8. Dezember gab das
Landgericht Lüneburg Meyer-Ohlendorfs Räumungsklage statt. „Es fühlt sich
immer noch surreal an“, sagt Frieder Dähnhardt vom [2][Café „Avenir“],
einer der Mietparteien des 1685 erbauten Backsteinhauses in der
Katzenstraße.
Dabei berufen sich beide Konfliktparteien eigentlich auf ein gemeinsames
Hauptanliegen: den Fortbestand des Böll-Hauses als Informations- und
Aktionszentrum für politisches Engagement.
Das Haus war seit seinen Anfängen über einen [3][Trägerverein] organisiert,
der als Mieter gegenüber dem Eigentümer auftrat, anfangs noch den
Großeltern Meyer-Ohlendorfs. Der Verein betrieb das Böll-Haus in
Selbstverwaltung, vermietete einzelne Räume zu günstigen Konditionen an
politisch und ökologisch arbeitende Initiativen und Vereine, etwa
Lokalgruppen von Greenpeace und [4][Fridays for Future], Initiativen wie
„FossilFree Lüneburg“, das Infocafé „Anna & Arthur“ oder eben das kol…
geführte Café „Avenir“.
Letzteres spielte unwillentlich eine zentrale Rolle im Konflikt: Der
Eigentümer hat in seiner Räumungsklage zwar eine Vielzahl an
Kündigungsgründen angegeben, das Gericht beschäftigte sich aber vor allem
mit zweien, die sich um das „Avenir“ drehen. Das Café ist seit 2014 im
Erdgeschoss des Hauses angesiedelt, hatte indes jahrelang
Brandschutzauflagen nicht erfüllt – und besaß damit keine finale
Betriebsgenehmigung. Hauseigentümer Meyer-Ohlendorf, der in Argentinien
lebt, erfuhr von diesen [5][Brandschutzmängeln] erst 2020 durch ein
Schreiben des Lüneburger Bauamts.
Die Hausgemeinschaft habe den Brandschutz immer ernst genommen, sagt Eva
Kern, Vorstandsmitglied des Trägervereins. Wartungen von Meldeanlagen und
Feuerlöschern hätten regelmäßig stattgefunden. „Wir haben nach bestem
Wissen und Gewissen gehandelt – akzeptieren aber unsere Mitschuld“, sagt
Dähnhardt.
## Problem Brandschutz
Kurz vor dem Gerichtstermin erhielt Meyer-Ohlendorf eine Mitteilung der
Gebäudeversicherung, dass „das Haus eigentlich seit Jahren aufgrund der
jetzt bekannt gewordenen Umstände aus brandschutzrechtlichen Bedenken und
der aktuellen Nutzung nicht versicherungsvertraglich versichert werden
kann“. Zudem hatte das „Avenir“ ohne städtische Genehmigung
Abendveranstaltungen durchgeführt.
Neben Fragen des Versicherungsschutzes und dieser Genehmigungen missfiel
Meyer-Ohlendorf der kommerzielle Betrieb durch das Café selbst, der seiner
Ansicht nach gegen den Mietvertrag verstößt. Allerdings hatte es auch in
früheren Jahren schon Betriebe mit nachhaltigen Konzepten im Haus gegeben –
ein vegetarisches Restaurant zum Beispiel. Auch betrachtet sich das
„Avenir“ gerade nicht als profitorientiert, schüttet auch keine Gewinne
aus. Das Café will transparent wirtschaften und strebt eine komplett faire
Lieferkette an.
Das Gericht befand dennoch, das „Avenir“ sei ein kommerzieller Betrieb, der
die bewusst niedrige Miete im Böll-Haus gewinnbringend eingebracht habe in
ein zweites Standbein: eine eigene Kaffeerösterei am Ilmenauufer. Für das
Team ist das schwer verständlich: Die Rösterei sei vielmehr teilweise
fremdfinanziert. Und die Einkünfte aus dem Böll-Haus reichen demnach nicht
einmal, um allen zentral am Projekt Beteiligten ein ordentliches Gehalt zu
zahlen.
Der Café-Konflikt war aber nicht alleine ausschlaggebend für den Gang vor
Gericht. Nach einer ersten Kündigung im Januar 2022 – die Hausgemeinschaft
nutzte das Gebäude weiter und zahlte weiter monatlich eine
Nutzungsentschädigung – verhandelten beide Seiten über einen neuen Vertrag.
Das aber scheiterte – an der Kommunikation und den fehlenden Genehmigungen.
Meyer-Ohlendorf wandte sich an die Industrie- und Handelskammer, um einen
Gutachter zu benennen.
Im Februar 2023 startete der Verein deshalb eine
[6][Crowdfunding-Kampagne], „#BöllhausErhalten“: Man habe nicht gewusst,
sagt Kern, „wie wir die gestiegenen Nebenkosten und eine potentielle
Mieterhöhung ohne Unterstützung tragen sollten“. Vermieter Meyer-Ohlendorf
wiederum sah sich durch die Kampagne und in ihrem Rahmen geäußerte Vorwürfe
diffamiert. Auch wenn ihn der Verein nie namentlich erwähnt hatte: Auf
Social Media wetterten manche Nutzer:innen gegen Vermieter:innen und
Immobilienkonzerne an sich und stellten Fragen zu Meyer-Ohlendorfs
Identität.
## Vermieter stößt sich an Berichterstattung
Lokalen Medien warf er „Verdachtsberichterstattung“ durch einseitige
Darstellung des Konflikts vor, ließ etwa die örtliche Landeszeitung
abmahnen. Gemeinsam mit René Böll, Sohn und Nachlassverwalter von
Namensstifter Heinrich Böll, versuchte er in einem offenen Brief eine
Gegendarstellung. Kern betont, dass es dem Verein nie um einen Angriff auf
Meyer-Ohlendorf gegangen sei, sondern immer um das Haus.
Das steht nun erst mal leer. Meyer-Ohlendorf sagt, er sei offen für neue,
aber und auch alte (Unter-)Mieter:innen – bloß nicht unter dem alten Dach
des Trägervereins. Wie es für die nun ehemalige Hausgemeinschaft
weitergeht, ist unklar: Sie würden gerne zusammenbleiben, allerdings sei
fraglich, ob sich ein passendes Mietobjekt finden lässt.
In der Zwischenzeit helfen andere Lüneburger Projekte unter anderem mit
Lagerflächen aus. Der [7][Co-Working-Space „Utopia]“ direkt gegenüber des
Böll-Hauses, bietet dem „Avenir“ sogar an, den Café-Betrieb übergangswei…
dort weiterzuführen. Dafür brauche es nun Genehmigungen für Umbau und
Betrieb, erzählt die „Avenir“-Aktivistin Marthe Kristin Jordan: Die
früheren Versäumnisse sollen sich nicht wiederholen.
Transparenzhinweis: Einige Passagen wurden nachträglich aufgrund von
ergänzenden Hiweisen geändert. Die Redaktion
27 Dec 2023
## LINKS
[1] /!s=l%C3%BCneburg/
[2] https://insavenir.de/
[3] http://www.boell-haus-lueneburg.de/spenden/
[4] /Schwerpunkt-Fridays-For-Future/!t5571786
[5] /Zwangsraeumungen-wegen-Brandschutzmaengeln/!5871507
[6] /!s=crowdfunding
[7] https://www.utopia-lueneburg.de/
## AUTOREN
Hagen Gersie
## TAGS
Lüneburg
Heinrich Böll
Mietpreise
Bürger-Initiativen
Zivilgesellschaft
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Stadtland
Leipzig-Connewitz
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