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# taz.de -- In Russland inhaftierter Putin-Kritiker: Alexei Nawalny verschwunden
> Der Aufenthaltsort von Russlands bekanntestem Gefangenen Alexei Nawalny
> ist seit Tagen unbekannt. Das ist im dortigen Strafvollzug nicht
> unüblich.
Bild: Der Oppositionelle Alexei Nawalny wird im April per Video zu seiner Geric…
Moskau taz | Stille. Seit einer Woche nun. Und der Satz: „Ein Häftling
namens Nawalny wird hier nicht mehr geführt.“ So sollen es Mitarbeiter der
Strafkolonie Nummer 6 in Melechowo mitgeteilt haben, schreibt Nawalnys
Sprecherin Kira Jarmysch per Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) am
Montag. Dort, knapp 300 Kilometer östlich von Moskau, saß Russlands
bekanntester politischer Häftling wegen angeblichen Betrugs ein. Wo ist
Alexei Nawalny nun?
Seit Tagen war er nicht zu seinen Gerichtsverhandlungen zugeschaltet
worden. Nicht einmal seine Anwälte hatten Zugang zu ihm. Jarmysch und
weitere Mitstreiter*innen sind in großer Sorge, zumal der 47-Jährige
vor zwei Wochen zusammengebrochen sein soll. Seitdem habe Nawalny kaum
Essen zu sich genommen.
Die Behörden bleiben stumm. Das Vorgehen ist bei Russlands
Strafvollzugsdienst (FSIN) üblich, wenn ein Häftling von einer Haftanstalt
in die nächste verlegt wird. „Etappiert“, heißt es im Russischen.
Nawalny ist seit Januar 2021 in Haft. Nach [1][seiner Vergiftung mit dem
Nervengift Nowitschok] im August 2020 und seiner Behandlung in Deutschland
war er – voller Überzeugung, in Moskau sei sein Platz für politische
Betätigung – zurückgekehrt und an der Passkontrolle verhaftet worden. Der
Staat warf ihm Betrug vor. Es folgte eine Reihe absurder Verhandlungen.
[2][Im vergangenen August wurde Nawalny zu weiteren 19 Jahren verurteilt],
nun wegen „Extremismus“.
## Ein Verfahren aus der Zarenzeit
Seine Organisationen sind längst zerschlagen, die meisten
Mitstreiter*innen im Ausland oder ebenfalls im Gefängnis. Schon die
Sowjetunion hatte vorgeführt, wie mit Menschen zu verfahren sei, die nicht
ins vermeintlich „Normale“ passten. Ohne Gegenwehr kann das Putin-Regime
alle verhaften, die aufmucken.
Selbst Nawalnys Anwälte Alexei Lipzer, Wadim Kobsew und Igor Sergunin sind
seit Oktober in U-Haft. Sie sollen sich, so die groteske Erklärung von
Russlands Justiz, an „extremistischer Vereinigung“ beteiligt haben, indem
sie Nawalnys Mitstreiter*innen „regelmäßig Informationen des
Gefangenen“ hätten zukommen lassen.
Anwälte sind für Gefangene in Russland, [3][zumal für politische, der Draht
zur Außenwelt]. Sie sind oft die Einzigen, mit denen sich die Gefangenen
austauschen können. Dass der Staat Verteidiger*innen zu
Verbrecher*innen erklärt, ist eine neue Stufe politisch motivierter
Justiz. Es ist ein Signal an jede und jeden, die Fälle von
Regimekritiker*innen annehmen. Auch Nawalnys neue Anwälte werden
gegängelt und unverrichteter Dinge wieder weggeschickt.
Nawalny hatte seit Wochen auf seine Verlegung in eine härtere Kolonie
gewartet. Darauf, dass er „auf Etappe“ geht, eine entwürdigende Maßnahme …
einem ohnehin brutalen Strafvollzug, in dem es um [4][Erniedrigung und
Sühne] geht, nie um Resozialisierung. Die regelrechte Verschickung geht
noch auf Zarenzeiten zurück, in denen die Häftlinge etappenweise und oft zu
Fuß von Ort zu Ort gebracht wurden, bis sie das Ziel ihrer Verbannung
erreicht hatten.
Bis heute wissen weder der Häftling noch seine Familie, wann und wohin die
„Etappierung“ erfolgt. Erst im Straflager darf der Verurteilte jemanden
anrufen. Nawalnys Mitstreiter*innen hoffen auf ein Lebenszeichen, damit
klar ist, wo das Regime seinen Gegner versteckt.
12 Dec 2023
## LINKS
[1] /Vergiftung-von-Alexei-Nawalny/!5712163
[2] /Alexei-Nawalny-in-Russland-verurteilt/!5952415
[3] /Politische-Gefangene-in-Russland/!5952420
[4] /Repression-in-Russland/!5934662
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
Russland
Alexei Nawalny
Strafvollzug
politische Gefangene
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Russland
Krim
Schwerpunkt Pressefreiheit
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