# taz.de -- Ärztliche Bereitschaftsdienste: Sprechstunde nur noch bis 23 Uhr | |
> Ab dem 1. Januar 2024 gibt es in Bremen nachts keine Bereitschaftspraxis | |
> mehr. Auch in anderen Ländern drohen Einschränkungen für | |
> Patient:innen. | |
Bild: Werden, wenn nötig, weiter losgeschickt: Ärzt:innen in Fahrbereitschaft | |
Bremen taz | Ab dem 1. Januar kann man in Bremen nach 23 Uhr keinen | |
ärztlichen Bereitschaftsdienst mehr aufsuchen. Wer nachts Beschwerden hat, | |
die nach eigenem Empfinden kein Notfall für die Klinik sind, aber auch | |
keinen Aufschub bis zum Arztbesuch am Morgen dulden, kann nur noch mit | |
einem Arzt oder einer Ärztin telefonieren, der oder die entscheidet, ob | |
eine Kolleg:in in Fahrbereitschaft raus fährt. Das teilte vergangene | |
Woche die kassenärztliche Vereinigung Bremen mit. | |
Der Hintergrund seien fehlende Fachkräfte, vor allem medizinische | |
Fachangestellte. Nachteile für Patient:innen seien nicht zu erwarten, | |
sagte Christoph Fox, Sprecher der kassenärztlichen Vereinigung am Dienstag | |
der taz. „Nachts kamen ohnehin immer nur sehr wenig Menschen.“ | |
Das sagt auch sein Kollege Detlef Haffke, Sprecher der kassenärztlichen | |
Vereinigung in Niedersachsen. „Zwischen ein und sechs Uhr ist so gut wie | |
nichts los.“ In Niedersachsen seien die Dienste in den 19 | |
Bereitschaftspraxen unterschiedlich organisiert, so Haffke. Unter der Woche | |
ende der Dienst dort spätestens um 23 Uhr. Stark frequentiert seien sie am | |
Wochenende und Mittwochs, wenn die meisten niedergelassenen Ärzt:innen | |
nur vormittags geöffnet haben. | |
Haffke bezeichnet nächtliche Bereitschaftspraxen als „reine | |
Serviceleistung“. Zudem gebe es in fast keinem anderen europäischen Land | |
ein solches Konstrukt. „Da gehen Sie tagsüber zum Arzt und nachts in die | |
Klinik.“ | |
## Gericht bemängelte Scheinselbstständigkeit | |
Aufgrund eines Ende Oktober erfolgten Urteils des Bundessozialgerichts | |
könnten die Bereitschaftsdienste der Kassenärzt:innen bundesweit noch | |
weiter eingeschränkt werden. Im Fall eines Zahnarztes aus Baden-Württemberg | |
hatte es entschieden, dass auch für so genannte „Pool-Ärzt:innen“ | |
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Dabei handelt es sich | |
um Ärzt:innen ohne Kassensitz, denen die kassenärztlichen Vereinigungen | |
Honorare für Bereitschaftsdienste in Rand- oder Nachtstunden zahlen. | |
Interessant ist dies für Mediziner:innen im Ruhestand, | |
Krankenhausärzt:innen oder Ärzt:innen, die etwa aus familiären Gründen | |
nicht regulär arbeiten. Im Fall des gegen die Deutsche Rentenversicherung | |
klagenden Zahnarztes aus Baden-Württemberg hatte das Bundessozialgericht | |
geurteilt, es handle sich um eine Scheinselbständigkeit, die | |
kassenärztliche Vereinigung müsse ihn wie einen | |
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten behandeln. | |
Ob sich das Urteil auf andere Konstellationen in anderen Regionen | |
übertragen lässt, ist noch unklar und hängt von der schriftlichen | |
Begründung ab, die Ende Januar erwartet wird. Die kassenärztlichen | |
Vereinigungen (KV) in Norddeutschland sind unterschiedlich damit | |
umgegangen. Eine Sprecherin der KV Hamburg sagte, man warte die | |
schriftliche Begründung ab. In Schleswig-Holstein hatte die KV die Verträge | |
mit 400 Pool-Ärzt:innen zum Januar gekündigt. Diesen Schritt ist auch die | |
KV Bremen gegangen. Betroffen sind hier 69 Pool-Ärzt:innen, die nach | |
Angaben der Bremer KV 25 bis 40 Prozent der Bereitschaftsdienste übernommen | |
haben – neben den Kassenärzt:innen. | |
## Kinderärzte sind am Limit | |
Die Spanne kommt dadurch zustande, dass es im Land Bremen sechs Standorte | |
gibt. Drei davon sind kinderärztliche Notdienste, die auch in der | |
Vergangenheit nur bis 23 Uhr geöffnet hatten. Der Anteil der | |
Pool-Ärzt:innen sei hier vergleichsweise gering, sagt der Sprecher des | |
Bremer Landesverbands der Kinder- und Jugendärzte, Marco Heuerding. | |
Dennoch seien er und seine 66 Kolleg:innen dringend darauf angewiesen, | |
dass diese weiter Dienste übernehmen können. Drei bis fünf fielen im | |
Quartal pro Arzt oder Ärztin an – neben der Arbeit in der Praxis. „Wenn ich | |
von 8 bis 19 Uhr behandelt habe, dann bin ich froh, wenn ich danach nicht | |
noch Notdienst habe und den an einen Kollegen oder Kollegin aus dem Pool | |
abgeben konnte“, so Heuerding. Es sei so schon schwer genug, allen | |
Patient:innen gerecht zu werden. In Infektzeiten wie der aktuellen sehe | |
er rund 80 Kinder am Tag. | |
Einen eigenen Weg ist die KV Niedersachsen gegangen. Sie hatte nach dem | |
Urteil des Bundessozialgerichts 160 Mediziner:innen aus den | |
Bereitschaftsdiensten genommen, was für rund zwei Wochen für Engpässe | |
sorgte – nach Angaben des KV-Sprechers Detlef Haffke allerdings nur in den | |
Großstädten Hannover, Braunschweig und Göttingen, wo diese überwiegend | |
eingesetzt wurden. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, hatte die KV bei der | |
Deutschen Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren für die | |
betroffenen Ärzt:innen angestrengt und diese Mitte November wieder | |
eingesetzt. | |
„Für uns ist klar, dass es sich nicht um ein abhängiges | |
Beschäftigungsverhältnis handelt“, sagte Haffke. Der Gesetzgeber müsse die | |
Pool-Ärzt:innen Ärzt:innen im Rettungsdienst gleichstellen, für die keine | |
Sozialabgaben fällig werden. | |
25 Dec 2023 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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