| # taz.de -- Berlins Clubszene: Tatsächlich Schluss im Mensch Meier | |
| > Der linksalternative Traditionsklub gibt auf. Die Location an der | |
| > Storkower Straße in Prenzlauer Berg soll der benachbarte Club Anomalie | |
| > übernehmen. | |
| Bild: Beim linkslalternativen Club Mensch Meier zimmerten die Mitglieder alles … | |
| Berlin taz | Letzte Woche telefonierte man noch mit Simone Meier, ab heute | |
| heißt sie anders. Es war immer so: Sprach man mit Leuten aus dem | |
| Betreiberkollektiv des linksalternativen Clubs Mensch Meier in Prenzlauer | |
| Berg, fügten die ihrem Vornamen ein „Meier“ an. Wie einst bei den Ramones, | |
| nur dass bei denen die Bandmitglieder in Wahrheit gar keine wirkliche | |
| Einheit, sondern heillos zerstritten waren. | |
| Aber ab heute ist das Mensch Meier Geschichte, und damit heißt auch Simone | |
| mit Nachnamen nur noch Müller oder sonst wie. Denn der Club hat es wirklich | |
| getan: Er hat sich selbst abgewickelt. Angekündigt hatte er das schon | |
| lange, aber so richtig wollte man nie glauben, dass es ihm todernst damit | |
| war. | |
| Am Wochenende lief nun wirklich die ultimativ letzte Party im Mensch Meier, | |
| drei Tage und Nächte nonstop. Viele Weggefährten und Mitstreiter aus den | |
| letzten zehn Jahren legten noch einmal auf. Man versammelte sich ein | |
| letztes Mal im Clubgarten, in dessen Begrünung viel Liebe und Arbeit | |
| gesteckt wurden. Und man verabschiedete sich von der sogenannten | |
| „Räuberhöhle“, einem Raum mit Dancefloor, der, wie alles im Club, von | |
| Mitgliedern selbst zusammengezimmert wurde. | |
| ## Kläglicher Einheitslohn | |
| Mit dem Mensch Meier verliert Berlin einen seiner am konsequentesten | |
| linksalternativen Orte. Der Idee, mehr als nur Partys steigen zu lassen, | |
| wurde hier mit einer Passion nachgegangen, die in Richtung | |
| Selbstaufopferung ging. Alle wichtigen Entscheidungen wurden in Plena | |
| getroffen, immer wieder wurden Solidaritätsveranstaltungen organisiert. | |
| Niemals wäre infrage gekommen, den Laden unter der Woche an | |
| Fremdveranstalter zu vermieten, wie es in Berliner Clubs inzwischen | |
| ziemlich üblich ist. Am Wochenende gegen den Kapitalismus raven, und unter | |
| der Woche schmeißt hier die Junge Union ein Event in einer originellen | |
| Location? So etwas war hier ausgeschlossen. | |
| Zum Teil liegt es sicher auch an dieser kompromisslosen Haltung, dass das | |
| Mensch Meier nun Geschichte ist. Der Einheitslohn, den man sich ausbezahlen | |
| konnte, fühlte sich seit der Inflation in den letzten Monaten noch etwas | |
| kläglicher an als schon zuvor. Gleichzeitig wollte man nach Corona nicht | |
| die Eintritts- und Getränkepreise bis zur Schmerzgrenze erhöhen wie andere | |
| Clubs in Berlin. Das Mensch Meier sollte immer ein sozialer, für alle | |
| zugänglicher Ort sein. Bevor man dieses Versprechen auch an sich selbst | |
| nicht mehr einlösen konnte, hat man jetzt das Projekt lieber beendet. | |
| Respekt! Aber auch sehr bedauerlich. Denn dass es solch einen Ort noch | |
| einmal geben wird in Berlin, zumindest in solch einer innerstädtischen | |
| Lage, ist ziemlich ausgeschlossen. | |
| In den letzten Monaten versuchte das Clubkollektiv, das bekannt gegeben | |
| hatte, geschlossen abtreten zu wollen, dem Eigentümer der Location | |
| Nachfolger schmackhaft zu machen, die den Laden wenigstens im Geiste des | |
| Mensch Meier fortführen würden. Doch nun ist klar: Daraus wird nichts. | |
| Simone, die nun nicht mehr Meier mit Nachnamen heißt, nennt das, was nun in | |
| die Storkower Straße 121 einziehen wird, eine „Diskothek“. Und das ist das | |
| schlimmste Schimpfwort in der Berliner Clubszene. Diskotheken sind aus | |
| dieser Sicht Läden, in denen Frauen nur halben Eintritt bezahlen und DJs | |
| geschmacklose Partyhits auflegen. Was jetzt kommen werde, so Simone, werde | |
| „nichts mit dem zu tun haben, was wir gemacht haben. Alternative Subkultur | |
| wird das nicht mehr sein.“ | |
| ## Nachbar wird Nachfolger | |
| Simone druckst am Telefon herum. Wer der Nachfolger denn nun genau sein | |
| werde, wolle sie noch nicht verraten. Dabei hat das Mensch Meier diesen in | |
| einem Newsletter selbst mittlerweile bekannt gegeben: Der Club Anomalie, | |
| bislang direkter Nachbar des Mensch Meier, übernimmt. Die Anomalie ist ein | |
| Club, der auf Subkultur und Kunst macht, aber sehr kommerziell ausgerichtet | |
| ist. Simone will das lieber nicht bewerten: „Wir wünschen denjenigen, die | |
| nach uns kommen, viel Erfolg.“ Und fügt hinzu: „Ein klarer Schnitt kann | |
| vielleicht auch gut sein.“ | |
| Bis Ende Januar wird das Kollektiv des Mensch Meier in seinen alten | |
| Räumlichkeiten noch weitere Partys schmeißen, auch an Silvester. Aber nicht | |
| mehr als Mensch Meier, sondern als „Storkower Straße 121“ in der | |
| Zwischennutzung. Danach ist der Traum endgültig aus. | |
| 18 Dec 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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