# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Die Ukraine nicht im Stich lassen | |
> Die militärische Lage ist bitterernst für die Ukraine. Das geschundene | |
> Land braucht weiter Hilfe aus dem Westen – wie einst versprochen. | |
Bild: Präsident Wolodimir Selenski sieht sich immer öfter mit Vorwürfen konf… | |
In der Ukraine werden die Menschen die Weihnachtsfeiertage zum zweiten Mal | |
im Hagel russischer Bomben begehen. Vielerorts werden dieses Mal auf | |
öffentlichen Plätzen keine Weihnachtsbäume aufgestellt – ein Symbol dafür, | |
dass es nichts zu feiern gibt. Zwar spricht sich, laut jüngsten Umfragen, | |
immer noch eine deutliche Mehrheit der Ukrainer*innen für eine | |
Fortsetzung des Krieges gegen den Aggressor Russland aus. Eine Kapitulation | |
zu Moskaus Bedingungen ist keine Option. Doch dieser Umstand vermag nicht | |
darüber hinwegzutäuschen, dass die Stimmung kippen könnte. | |
Aus gutem Grund: Die Situation an der Front ist desolat. Die ukrainische | |
Gegenoffensive, die mit immensen Verlusten in den Reihen der eigenen Armee | |
einhergeht, ist bislang deutlich hinter den von Anfang an zu hoch | |
gesteckten Erwartungen zurückgeblieben. Längst hat die Phase eines | |
zermürbenden Stellungskrieges begonnen, in dem beide Seiten keine | |
nennenswerten Geländegewinne zu erzielen imstande sind. | |
Hinzu kommt, dass die ausbleibenden militärischen Erfolge Kyjiws und | |
mögliche Gründe dafür immer häufiger zum Gegenstand innenpolitischer | |
Auseinandersetzungen werden. Präsident Wolodimir Selenski, zeitweilig schon | |
fast in eine Art Heldenstatus erhoben, sieht sich mit massiven Anwürfen | |
konfrontiert – [1][kommen sie nun vom Oberkommandierenden der Streitkräfte | |
Walerij Saluschnyj oder Kyjiws Bürgermeister Vitali Klitschko]. | |
Dieser Schlagabtausch in Zeiten eines existenzbedrohenden Krieges und | |
öffentlich ausgetragen – normalerweise gilt das ungeschriebene Gesetz: | |
abgerechnet wird hinterher – ist bemerkenswert. Zwar ist er wohl | |
zuallererst Ausdruck der verzweifelten Gesamtlage, aber gleichzeitig ein | |
Indiz dafür, welche Strecke die Ukraine auf ihrem Weg einer demokratischen | |
Transformation bereits zurückgelegt hat. | |
Wahr ist jedoch auch: Wladimir Putin, bekanntermaßen in historischer | |
Mission im „Kampf gegen den Faschismus“ unterwegs, reibt sich die Hände. | |
Mit Zustimmungswerten von über 80 Prozent im Rücken – und das knapp drei | |
Monate vor der Präsidentschaftswahl – scheint Russlands Staatschef vor | |
Kraft kaum laufen zu können. „Menschenmaterial“, das an die Front und in | |
den Tod geschickt werden kann, scheint noch ausreichend vorhanden. Die | |
westlichen Sanktionen gegen Russland erzielen nicht den gewünschten Effekt, | |
was wohl kaum nur mit deren erfolgreicher Umgehung dank der Hilfe einiger | |
befreundeter Staaten zu erklären ist. | |
Die Wirtschaft des Landes scheint nicht merklich geschwächt. Die Hoffnung, | |
zumindest Teile der russischen Zivilgesellschaft zu mobilisieren und gegen | |
den Krieg auf die Straßen zu bringen, kann ebenfalls ad acta gelegt werden. | |
Dem angeblich international isolierten Paria Putin wird der rote Teppich | |
ausgerollt – so jüngst geschehen in Saudi-Arabien und den Vereinigten | |
Arabischen Emiraten. | |
Mit Genugtuung dürfte Putin eine weitere Entwicklung zur Kenntnis nehmen: | |
Die Unterstützung der westlichen Verbündeten der Ukraine bröckelt. As long | |
as it takes – war da mal was? | |
## Orbán droht | |
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán droht mit einem Veto, sollten die | |
geplanten 50 Milliarden Euro Finanzhilfe für die Ukraine und deren | |
EU-Beitritt beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel | |
kommende Woche nicht von der Tagesordnung genommen werden. Die neue | |
slowakische Regierung unter Robert Fico hat Waffenlieferungen an Kyjiw | |
gestoppt. | |
SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht Deutschland zwar weiterhin | |
fest an der Seite der Ukraine, räumt jedoch ein, dass die Rüstungsindustrie | |
nicht mit der Produktion hinterherkomme. Last but not least: Das | |
US-Engagement für das geschundene Land steht auf der Kippe, weil die | |
Republikaner im Kongress ein Hilfspaket in Milliardenhöhe blockieren und so | |
die Ukraine im Kampf um die Durchsetzung eigener innenpolitischer | |
Interessen in Geiselhaft nehmen. | |
## Moskaus Ziel hat sich nicht geändert | |
Sollten [2][die US-Republikaner ihren Widerstand nicht aufgeben und | |
Washington als wichtigster Unterstützer ausfallen], käme das für Kyjiw | |
einer Katastrophe gleich. Denn an Moskaus Ziel, die Ukraine als Staat samt | |
ihrer Identität ein für alle Mal auszulöschen, hat sich nichts geändert. | |
Die Mittel dafür sind Folter, Tod, Verschleppung und Zwangsdeportationen – | |
ein Blick in die russisch besetzten Gebiete genügt. | |
Die Ukraine im Stich zu lassen hieße, sie der genozidalen Politik des Kreml | |
schutzlos auszuliefern – mit allen Konsequenzen. Doch damit hört es nicht | |
auf. Wer sind die Nächsten? Georgien, die Republik Moldau oder gar [3][die | |
baltischen Staaten Lettland], Litauen und Estland? Die Fragen sind keine | |
abstrakten Gedankenspiele, sondern könnten eines Tages bittere Realität | |
werden. Frohes neues Jahr. Von wegen. | |
8 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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