# taz.de -- Deutsche Nahost-Unterstützung: Hilfe unter unsicheren Umständen | |
> Die Bundesregierung hat die Hilfen für die Palästinensischen Gebiete | |
> geprüft – und setzt sie nun fort. Eine Zweckentfremdung sei nicht | |
> feststellbar. | |
Bild: Palästinensische Familien finden Zuflucht in UNRWA-Zelten im Grenzort Ra… | |
BERLIN taz | Nur einen Tag nach dem brutalen Angriff der Terrormiliz Hamas | |
auf Israel am 7. Oktober [1][meldete sich Bundesentwicklungsministerin | |
Svenja Schulze (SPD) zu Wort]. Die Entwicklungszusammenarbeit mit den | |
Palästinensischen Gebieten werde ausgesetzt, oder konkreter gesagt, auf den | |
Prüfstand gestellt. Diese Prüfung ist nun – rund zwei Monate später – | |
abgeschlossen und die Finanzierung und Betreuung der Projekte wieder | |
aufgenommen. Nach Aussagen des Ministeriums „haben sich die | |
Kontrollmechanismen als robust erwiesen“. Eine Zweckentfremdung sei nicht | |
festgestellt worden, heißt es weiter. | |
Bei der deutschen Entwicklungshilfe für die Palästinensischen Gebiete geht | |
es vor allem um die grundlegende Versorgung der Zivilbevölkerung in der | |
Region. Dazu zählen auch finanzielle Mittel für [2][UNRWA, dem UN-Hilfswerk | |
für palästinensische Geflüchtete]. Das Ministerium unter Schulze hält die | |
Hilfen wichtig für die Linderung des Leids der Menschen im Gazastreifen und | |
für die Stabilisierung der Lage im Westjordanland sowie in Jordanien und im | |
Libanon. Es geht ihr um bessere Lebensbedingungen, aber auch um | |
Zukunftsperspektiven. | |
Und noch eine recht versteckte politische Botschaft soll die Wiederaufnahme | |
aufzeigen. Diese wird in diesen Tagen zwar international gefordert, scheint | |
aber angesichts des andauernden Kriegs im Nahen Osten in weite Ferne | |
gerückt. Nur mit „leistungsfähigen Institutionen“ – also mit | |
Verwaltungsstrukturen, mit Behörden, mit Einrichtungen, die wertebasiert | |
und auf einem demokratischen Fundament arbeiten, könne die Basis für eine | |
Zweistaatenlösung geschaffen werden. Begründet wird das Engagement | |
Deutschlands auch mit der „besonderen historischen Verantwortung für die | |
Sicherheit Israels und als Beitrag zu einer Friedenslösung im Nahen Osten.“ | |
Für Cornelia Möhring, Mitglied im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche | |
Zusammenarbeit und Entwicklung, ist die Wiederaufnahme der | |
Entwicklungszusammenarbeit in den Palästinensischen Gebieten | |
„alternativlos und ein Gebot der Solidarität mit Menschen in akuter Not“. | |
„Ein Stopp dieser Hilfe würde selbst in Friedenszeiten Hunderttausende in | |
Hunger, Not und Krankheit stürzen“, sagte die Linken-Sprecherin für | |
Entwicklungspolitik und Globale Gerechtigkeit der taz. Möhring bezieht sich | |
darauf, dass insbesondere die Zivilbevölkerung am Tropf internationaler | |
Organisationen hängt. Seit Jahren sorgen das Welternährungsprogramm, | |
kirchliche Organisationen oder eben UNRWA dafür, dass die Menschen mit | |
Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe versorgt werden. Auch der Aufbau | |
von Schulen oder Infrastruktur wäre ohne internationales Geld nicht | |
möglich. Allein aus Deutschland erhält UNRWA 91 Millionen Euro. | |
## Betreibt die UNRWA Hamas-Propaganda? | |
Allerdings gibt es nicht erst seit dem brutalen Überfall der Hamas auf | |
Israel am 7. Oktober scharfe Kritik an den Zahlungen und den | |
UN-Organisationen vor Ort. Ihnen wird Hamas-Propaganda vorgeworfen, dass | |
Terroristen die Hilfsgüter für ihre Zwecke nutzen. Linken-Politikerin | |
Möhring hält die Prüfmechnismen des Auswärtigen Amts, des | |
Bundesentwicklungsministeriums sowie der deutschen Sicherheitsbehörden für | |
valide. „Wer behauptet, dass Deutschland Terror, Hamas und Judenfeinde | |
finanziert, verbreitet wissentlich Fake News und torpediert damit den | |
Frieden in Nahost und das friedliche Zusammenleben in Deutschland.“ | |
Um zu einem Ergebnis zu kommen, werden alle lokalen Partnerorganisationen | |
einzeln kontrolliert. Es geht um Verbindungen zur Hamas und anderen | |
Terrorgruppen, es wird kontrolliert, ob zu Hass und Gewalt aufgerufen wird, | |
ob das Existenzrechts Israel infrage gestellt wird. „Zudem werden keine | |
Vorhaben von Organisationen gefördert, die sich in der [3][BDS-Bewegung] | |
engagieren“, heißt es aus dem Ministerium. | |
Verläuft die Prüfung positiv, dann bescheinigen Auswärtiges Amt und | |
Bundesentwicklungsministerium „außenpolitische Unbedenklichkeit“. Alles an | |
Material, das in den Gazastreifen gelangen soll, kann nur eingeführt | |
werden, wenn die israelischen Behörden entsprechend zustimmen. Bestimmte | |
Geräte, etwa Bohrer, werden videoüberwacht. Deutsches Geld soll auf keinen | |
Fall in falsche Hände geraten. Geht es um Schulen im Gazastreifen gibt es | |
sogar Beauftragte im jeweiligen Projekt, die die die Finanzströme | |
kontrollieren. Die Palästinensischen Behörde wird nicht direkt aus | |
Bundesmitteln gefördert. | |
Rund 2,3 Millionen Menschen leben im Gazastreifen. Die UN gehen davon aus, | |
dass rund 1,9 Millionen innerhalb des Küstengebiets vertrieben wurden. Ein | |
Großteil davon sind Kinder und Frauen. Wie dramatisch die Lage im | |
Gazastreifen ist, bestätigte in dieser Woche erneut UNRWA-Generalkommissar | |
Philippe Lazzarini. „Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza“, sagte er beim | |
Global Refugee Forum in Genf. Und Lazzarini wies auch auf diesen Umstand | |
hin. „Von unseren Kollegen wird verlangt, dass sie in einer unmöglichen | |
Situation das Unmögliche tun.“ | |
Wie kann humanitäre Hilfe – auch die der Bundesregierung – in dieser | |
schwierigen Lage überhaupt eingesetzt werden? Eine BMZ-Sprecherin sagte der | |
taz: „Maßnahmen im Gazastreifen müssen, mit Blick auf die Situation, | |
aktuell auf akute Unterstützung bei der Basisversorgung beschränkt | |
bleiben.“ Längerfristige Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit, auch mit | |
UNRWA, sind unter den aktuellen Umständen nicht umsetzbar. Aber dies | |
bedeute nicht, dass UNRWA im Gazastreifen nicht mehr arbeite. | |
14 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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