Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tempo runter für die Umwelt: Vollgas abgewiesen
> Das Verwaltungsgericht erklärt die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung
> von 30 km/h für rechtmäßig.
Bild: Leipziger Straße bleibt Tempo-30-Zone
Die Senatsverwaltung verweist auf Zahlen und Fakten, der Kläger auf seinen
„gesunden Menschenverstand“. Der Anklagepunkt: Die
[1][Tempo-30-Beschränkung auf der Leipziger Straße].
Nachdem im Jahr 2018 auf der Leipziger Straße die höchsten Stickstoffdioxid
(NO2)-Belastungswerte berlinweit gemessen wurden, führte der damals
rot-rot-grüne Senat eine [2][Tempo-30-Zone] sowie ein
Dieseldurchfahrtsverbot zwischen Potsdamer Platz und Markgrafenstraße ein.
Die Versuchsanordnung wurde zeitlich befristet bis Mitte 2022, dann sollte
die Wirkung der Maßnahmen quantifiziert und neu beurteilt werden.
Das Dieselverbot wurde im Jahr 2022, nachdem ein Rückgang des NO2-Ausstoßes
verzeichnet werden konnte, aufgehoben. Die Tempobeschränkung auf der
Leipziger Straße zwischen Charlottenstraße und Potsdamer Platz bislang
nicht.
Dagegen klagt am Dienstagmorgen eine Privatperson vor dem
Verwaltungsgericht. Er argumentiert, dass die Jahresmittelwerte der
gemessenen NO2-Werte für eine Tempo-30-Anordnung nicht ausreichten. Der
Senat hatte die Maßnahme 2018 eingeführt, weil die in der Leipziger Straße
gemessenen Werte den EU-weit festgelegten Grenzwert von 40 Mikrogramm pro
Kubikmeter überschritten. Laut EU-Recht müssen dann Maßnahmen ergriffen
werden.
Der Kläger sieht hinter der Maßnahme vielmehr Scheinpolitik. „Ich schätze
ihre Bemühungen um die Luftreinhaltung, aber mich nervt solche
Symbolpolitik.“ Während es wissenschaftliche Beläge gäbe, dass sich der
CO2-Ausstoß bei einer Geschwindigkeitsverringerung mindere, gebe es einen
solchen Beleg nicht für den NO2-Ausstoß. Das sei ein Dogma, das
fallengelassen werden müsste, so der Kläger.
Das sieht der Senat anders. Aufgrund der Geschwindigkeitsbegrenzung auf
Tempo 30 in der Leipziger Straße habe es eine Immissionsreduktion, also
eine Verringerung der Schadstoffe in der Luft, von 2.3 Mikrogramm pro
Kubikmeter gegeben. Diese [3][Minderungseffekte seien auf die
Tempo-30-Maßnahme zurückzuführen], da die Beschleunigungsvorgänge reduziert
würden und die Fahrtgeschwindigkeit konstanter sei, so die
Senatsverwaltung. Grund für den Rückgang der NO2-Belastungen seien zudem
die Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie die Modernisierung der
Autoflotte. In Letzterem sieht auch der Kläger den Hauptgrund für die
Immissionsreduktion. Dass die Tempo-30-Maßnahme auf die verminderten Werte
einen Einfluss gehabt hätte, hält er für Unsinn.
Die seit der Einführung der Maßnahmen gemessenen Werte seien deutlich
besser als sie prognostisch angenommen hatten, so die Senatsverwaltung.
2022 etwa, lag der Jahresmittelwert nur bei 28 Mikrogramm pro Kubikmeter.
„Dann sollten doch die Prognosen als erledigt gelten und die Schilder
abgehangen werden,“ fordert der Kläger. „Ob Emission oder Immission ist mir
egal. Die Berechnungen der Senatsverwaltung entsprechen nicht der
Realität.“ Diese sei, dass die Leipziger Straße tagsüber verstaut sei und
Autofahrer*innen ohnehin nicht mehr als 26 bis 28 km/h fahren könnten.
Die Senatsverwaltung erwidert, dass nur 25 Prozent der Fahrleistungen auf
der Leipziger Straße im Staumodus gefahren würden und, dass das weitaus
größere Problem die erhöhten Beschleunigungsvorgänge in einer Tempo-50-Zone
seien. Daher möchte sie auf Grundlage der gemessenen Werte überprüfen, ob
die Tempo-30-Zone aufgehoben werden kann, ohne eine Grenzwertüberschreitung
riskieren zu müssen.
Kläger und Angeklagte sprechen aneinander vorbei. „Ich sehe mich einer
Armada von bemühten Fachleuten gegenüber, aber ich will die Klage nicht als
wissenschaftliche Auseinandersetzung führen,“ so der Kläger. Es werde viel
prognostiziert, aber die Überprüfung dessen, was man mit den Maßnahmen in
der Realität bewirke, stände nicht im Vordergrund. Seine Überzeugung: Die
Prognosen waren falsch. „Tempo 30 bringt nichts.“ Die Unterschiede seien
marginal und der Senat gehe von Modellen aus, die nicht der Realität
entsprächen.
Das Verwaltungsgericht erklärt die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung
von 30 km/h für rechtmäßig.
12 Dec 2023
## LINKS
[1] /Tempo-30-in-Berlin/!5529741
[2] /Tempo-runter-gegen-Stickoxide/!5494531
[3] /Kampf-gegen-Verkehrsdreck-in-Berlin/!5650172
## AUTOREN
Lilly Schröder
## TAGS
Tempolimit
Umweltbelastung
Tempo 30
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Tempo 30
Regine Günther
Tempo 30
## ARTIKEL ZUM THEMA
CDU-Vorstoß für mehr Tempo 50: „Rückwärtsgewandte Symbolpolitik“
CDU-Fraktionschef Dirk Stettner will die Zahl der Tempo-30-Abschnitte auf
Hauptstraßen stark reduzieren. Die Kritik lässt nicht lange auf sich
warten.
Kampf gegen Verkehrsdreck in Berlin: Tempo 30 hilft – ein bisschen
Langsamer fahren reduziert die Belastung mit Stickstoffdioxid. Das ergibt
die Auswertung des Pilotversuchs an der Leipziger Straße.
Tempo 30 in Berlin: Langsam gegen Schadstoffe
Mit zwei neuen Tempo-30-Abschnitten wird das Pilotprojekt der grünen
Verkehrsverwaltung weiter ausgebaut. Wie viel Nutzen es bringt, ist
umstritten.
Tempo runter gegen Stickoxide: Dreißig ist das neue Fünfzig
Ab Montag gilt Tempo 30 auf einem Teil der Leipziger Straße – und bald auf
weiteren Hauptstraßen. Die Maßnahme soll Fahrverbote überflüssig machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.