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# taz.de -- Die Wahrheit: Wenn die Würfelqualle würfelt
> Neue Erkenntnisse aus dem schleimigen Unterwassermilieu mit seinen
> hirnlosen Bewohnern in ihren komplizierten Labyrinthen des Lebens.
Bild: Zwei Quallen schwimmen durch Schweizer Gewässer
Geht es auch ohne Gehirn? „Muss ja“, würde eine Würfelqualle gelassen
antworten. Schließlich gehört sie zu den freischwimmenden Quallen, die ohne
ein zentrales Nervensystem klarkommen müssen. Das funktioniert bei ihnen
schon seit immerhin 500 Millionen Jahren!
Die anmutigen Würfelquallen behelfen sich dafür mit vier Sehzentren, ohne
großes Aufheben darum zu machen. Und das Beste ist, die kleinen
schwimmenden Gallertquader können auch ohne Hirn aus Erfahrungen lernen,
was unsereinem ja oft schon mit Gehirn schwerfällt.
Dass sie dazulernen, ergaben jetzt Versuche an der Uni Kiel. Dort wurden
die quirligen Quallen in einem mit Streifen bemalten Wasserbecken
beobachtet. Dabei wurde dokumentiert, wie oft sie zusammenstießen oder auf
den Beckenrand prallten. Was das alles nun genau sollte, weiß die Qualle.
Jedenfalls vollführten die gelehrigen Nesseltiere im Laufe des Versuchs
viermal häufiger Ausweichmanöver als vorher und kollidierten nur noch halb
so oft miteinander. Dafür stießen die beobachtenden Wissenschaftler doppelt
so oft miteinander zusammen. Vor lauter Aufregung.
Die Schlussfolgerung der aufgeregten Forscher war klar: Wenn die gelehrigen
Quallen kein Hirn haben, aber trotzdem lernen können, dann sind die Quallen
reines Hirn!
## Gelehrt und schleimig
Sofort fiel der verwirrten Forscherschar ein weiteres ähnliches Phänomen
ein. Es gibt einen anderen hirnlosen, gelehrigen und schleimigen Schüler:
den Vielköpfigen Schleimpilz (Physarum police farm). Dieser hat zwar viele
„Köpfe“, aber ebenfalls kein Gehirn. Und trotzdem findet sich der
schleimige Probant in komplizierten Labyrinthen zurecht und findet
zielsicher den Haferflocken-Köder!
Da drängt sich eine Frage auf: Sollte es beim denkenden Gehirn gar nicht so
sehr auf den Inhalt, sondern vielmehr auf die Form ankommen? Unser
überschätztes Hirn ähnelt ja nicht zufällig einem Schleimpilz oder
Badeschwamm statt einem ordentlich mit Büchern zugestellten Oberstübchen.
Sollte sich die Schleimbatz-Theorie der Vernunftbildung bewahrheiten, nach
der ein Urschleimbatz als Ursubstrat der Gedankenblitze funktioniert?
Das würde in der Fachwelt (Apotheken Umschau, Brigitte) einen ganz
ähnlichen Aufruhr auslösen wie die Reizdarm-Hirn-Theorie, die besagt, dass
der Darm das zweite Hirn im Körper sei. Stichwort: „Der Darm denkt mit.“
(Pharmazeutische Zeitung).
Egal, was der Darm darüber denkt, wir alle haben die polymorphen
Polyquallen sträflich unterschätzt. Dabei erfreuten sich die anmutigen
Würfelquallen durchaus schon in der Vergangenheit großer Wertschätzung:
„Sogar die rohen Matrosen bewundern diese prachtvollen Geschöpfe“,
berichtete Meister Brehm respektvoll über die Quallen. Doch was die
vermeintlichen Dummbeutel der Hohl- und Sacktiere (Coelenterata) auch ohne
Gehirn draufhaben, hätte sich auch der alte Brehm wohl nicht träumen
lassen!
24 Nov 2023
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Quallen
Meeresbiologie
Gehirn
Pflanzen
Deutsche Bahn
Die Wahrheit
Schrumpfung
Wirtschaftswunder
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