# taz.de -- Wetterbedingte Absagen im Ski-Weltcup: Alles fürs Marketing | |
> Das Novemberwetter hat den überfrachteten Ski-Weltcup-Kalender | |
> durcheinandergebracht. Mit Reformen ließe sich das Chaos zukünftig | |
> vermeiden. | |
Bild: Abgesagt: Auch in Beaver Creek, USA, war am Wochenende an Abfahrtsrennen … | |
Wolfgang Maier ist seit mehr als 30 Jahren im alpinen Ski-Weltcup | |
unterwegs. Zuerst als Trainer, seit 2006 als Sportdirektor und nun als | |
Sportvorstand des Deutschen Skiverbandes. Er hat einiges erlebt in dieser | |
Zeit. Verschiebungen, Abbrüche, Wetterkapriolen, die zu spontanen | |
Reiserouten-Änderungen führten. „Ich kann mich erinnern, dass wir mal drei | |
Wochen in Bormio gefahren sind, weil es nirgendwo anders ging“, erzählt der | |
62-Jährige. „Es gab schon immer Kuriositäten“, sagt er. Aber so komplizie… | |
wie dieses Mal sei es noch nie gewesen. | |
Sieben Rennen hätten bei den Männern bisher stattfinden sollen, fünf wurden | |
wegen Wetterkapriolen abgesagt, und der Riesenslalom zum Auftakt in Sölden | |
musste abgebrochen werden. Weshalb in den sozialen Medien bereits Manuel | |
Feller als Gesamtweltcupsieger gefeiert wird. Der Österreicher hatte den | |
Slalom von Gurgl Mitte November, das einzige Rennen, das bisher ausgetragen | |
werden konnte, vor zwei Teamkollegen gewonnen. | |
Nach österreichischem Schmäh ist aber der rotweißroten Skination trotz des | |
derzeitigen rosigen Blicks auf das Tableau nicht zumute. „Der | |
Weltcup-Kalender ist eine Baustelle“, sagte Herbert Mandl, der | |
Sportdirektor des Österreichischen Skiverbandes, der Kronenzeitung nach den | |
drei Absagen am vergangenen Wochenende in Beaver Creek. „Wir zerstören so | |
ein gutes Produkt.“ Wind und Schnee um diese Jahreszeit sind allerdings | |
keine Seltenheit, wenngleich die Menge der weißen Pracht, die am | |
vergangenen Wochenende in den Alpen herunterkam, für Anfang Dezember | |
ungewöhnlich groß war. | |
Dass bei den Frauen von neun Rennen immerhin sieben stattfanden, hat mit | |
der Terminplanung des Internationalen Skiverbandes zu tun. Bei den Männern | |
standen bisher fünf Rennen in den Disziplinen Abfahrt und Super-G auf dem | |
Programm, bei den Frauen vor allem Slaloms und Riesenslaloms, bei denen das | |
Wetter keine so große Rolle spielt. | |
## Frühe Termine aus Marketinggründen | |
Seit vergangenem Jahr versucht die FIS, [1][Anfang November Abfahrten für | |
Männer und Frauen am Matterhorn zu veranstalten.] Aber die Weltcup-Premiere | |
vor Bilderbuchkulisse muss warten. In der vergangenen Saison fielen diese | |
Rennen [2][wegen Schneemangels] aus, dieses Mal waren der Wind und die | |
schlechte Sicht ausschlaggebend für die Absagen. | |
Im November, das ist nicht neu, sind Regionen auf über 2.500 Metern in den | |
Alpen sehr anfällig, aber die Schweizer bestanden bisher auf dem frühen | |
Termin – aus Marketinggründen. Ende Februar oder März, so das Argument, sei | |
das Wintergeschäft gelaufen, Werbung für ein Skigebiet zu diesem Zeitpunkt | |
dann nicht mehr besonders sinnvoll. | |
Wegen des Zermatt-Termins flogen die Mannschaften später als bisher nach | |
Nordamerika, wo die Abfahrer traditionell einen wichtigen Trainingsblock in | |
Colorado absolvieren und sich auf dem dort sehr speziellen Schnee auf | |
Beaver Creek vorbereiten. Immerhin: Die Trainingstage in Copper Mountain, | |
sagt DSV-Sportvorstand Maier, seien „extrem gut“ gewesen, so dass sich der | |
Ausflug trotz des Ausfalls halbwegs gelohnt habe. | |
Man müsse dringend „über die Bücher gehen“, sagt Mandl. Eine Möglichkeit | |
wäre, auch bei den Männern mehr Rennen in den weniger anfälligen | |
technischen Disziplinen in den Spätherbst zu verlegen. Außerdem ist das | |
Programm mit 45 geplanten Rennen pro Geschlecht, so vielen wie noch nie, | |
überfrachtet. Das bringt die Verantwortlichen in die Bredouille, | |
Ersatztermine sind kaum zu finden. | |
Eine der Zermatt-Abfahrten wird nächste Woche in Gröden nachgeholt, aber | |
der Rest wird schwierig. Einfach Rennen einzuschieben, sagt FIS-Rennchef | |
Markus Waldner, gehe nicht wegen möglicher Überbelastung für die Vielfahrer | |
[3][wie Marco Odermatt,] Gesamtweltcupsieger aus der Schweiz, oder den | |
Österreicher Marco Schwarz, der als einziger Weltklasseathlet in allen vier | |
Disziplinen startet. | |
Aber verzichten wollen die Abfahrer auf die noch offenen Speed-Rennen | |
nicht. „Es gehen Preisgelder verloren, und die Fahrer haben weniger | |
Chancen, sich den Sponsoren zu präsentieren“, klagt Mandl. Sein deutscher | |
Kollege Maier weiß, dass es deshalb „dezente Verspannungen untereinander | |
gibt“. Einig sind sich aber fast alle, dass der Weltcup-Kalender reformiert | |
werden muss. Nicht nur in Details, sondern im Großen. | |
5 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Elisabeth Schlammerl | |
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