# taz.de -- Per Anhalter: On the Road Again | |
> Die große Zeit des Trampens ist vorbei. Nicht für unsere Autorin: Sie ist | |
> gerne per Anhalter unterwegs. Zwei Tage Tramprennen im Protokoll. | |
Bild: In den 80ern standen Anhalter oft Schlange, hier am Westberliner Autobahn… | |
An einem Samstag im August. Mein Linienbus leert sich, und die, die mit mir | |
übrig bleiben, sind wie ich mit Wanderrucksack und Zelt bepackt. „Auch zum | |
Tramprennen?“ „Ja!“ Wir haben das gleiche Ziel. Insgesamt sind es rund 60 | |
Leute zwischen 20 und 40, die sich auf einem Wagenplatz am Stadtrand von | |
Wien versammeln. Von hier aus soll es innerhalb von zwei Wochen nach Nea | |
Karvali in Griechenland gehen. Per Anhalter. | |
Von A nach B zu trampen, ist eine eher ungewöhnliche Art, den Sommerurlaub | |
zu verbringen. Dabei war Trampen als Überbleibsel der Hippiekultur in | |
Europa noch bis vor einigen Jahrzehnten weit verbreitet. Heute hingegen | |
werde ich dabei öfter gefragt, warum ich nicht einfach eine | |
Internet-Mitfahrgelegenheit nutze. Tja, warum? Angefangen habe ich mit 20; | |
seitdem bin ich auf diese Weise durch Deutschland, Österreich und die | |
Schweiz, nach Kroatien und von Istanbul zurück nach Westeuropa gereist. | |
Durch die Coronapandemie und meine Arbeit ist es weniger geworden, und auch | |
beim Tramprennen reicht es nur für die erste Etappe bis nach Szeged in | |
Ungarn – doch selbst diese kurze Strecke zeigt mir, was ich an dieser | |
Reiseform so liebe. | |
## 19.15 Uhr | |
Als die Dämmerung über dem Wagenplatz hereinbricht, setzen sich alle ins | |
Gras, die Organisator*innen stimmen uns auf das Tramprennen ein. | |
Einer von ihnen ist Nico Holtkamp, ein 30-jähriger Berliner mit Lockenkopf. | |
Er war 2018 das erste Mal dabei und ist in diesem Jahr schon aus Kasachstan | |
bis nach Wien getrampt. „Unser Ziel ist es, Spenden für einen guten Zweck | |
zu sammeln und für das Fahren per Anhalter zu werben“, sagt er. Solange es | |
Autos gebe, sei Trampen eine klimafreundliche Art zu reisen, man lerne neue | |
Leute kennen, und es fördere die kulturelle Verständigung. | |
Nach der Begrüßung werden wir einer der drei verschiedenen, vorher | |
geheimgehaltenen Routen zugelost. Die Zwischenstopps sind vorgegeben, | |
gewertet wird die Zeit, die pro Tag benötigt wird. Getrampt wird in Zweier- | |
oder Dreierteams, die sich vorher schon kannten oder auf der Plattform des | |
Rennens zusammengefunden haben. Mit dabei sind Leute aus Österreich, den | |
USA, Großbritannien, Russland, Schweden, Ukraine und Spanien, der Großteil | |
aber kommt aus Deutschland, wo das Rennen 2008 ins Leben gerufen wurde. | |
Für meinen Kurzeinsatz haben mich die 28-jährige Heidelberger Studentin | |
Antonina und der 38-jährige Schwede Henrik in ihr Team aufgenommen. | |
In den letzten Stunden vor dem Schlafengehen schmieden manche Pläne für die | |
erste Etappe, andere spielen Kicker, trinken und tauschen Reisegeschichten | |
aus. Ein US-amerikanischer Teilnehmer erzählt, dass er in diesem Sommer | |
extra nach Europa geflogen ist, um hier zu trampen. In den USA gehe das | |
kaum, da könne man eher noch Trainhopping betreiben. Konkurrenzdruck | |
herrscht nicht. | |
## Sonntag, 10 Uhr | |
Das Rennen beginnt. Zuerst brauchen Antonina, Henrik und ich einen guten | |
Startort. Weil es am effektivsten ist, die Autofahrer*innen aktiv | |
anzusprechen, sind Raststätten und Tankstellen die besten Orte. Natürlich | |
an der Auffahrt zu einer Autobahn, wir wollen ja weit kommen. Allerdings | |
sind solche Orte ohne Auto schwer zu erreichen, oft muss man ein paar | |
Kilometer laufen oder einen Hügel runterkraxeln. | |
Hilfreich ist dabei das Hitchwiki, eine Seite, auf der sich | |
Tramper*innen austauschen und die besten Orte für einen Lift, also eine | |
Mitfahrt, teilen. Wir aber verlassen uns auf Henrik, der schon mal in die | |
gleiche Richtung getrampt ist und eine gute Tankstelle kennt. Also fahren | |
wir erst mal mit den Öffentlichen Richtung Autobahn und laufen an der A4 | |
entlang Richtung Osten. | |
## 11.45 Uhr | |
Endlich stehen wir vor der auserkorenen Tankstelle – allerdings auf der | |
falschen Straßenseite. Von gegenüber sehen wir unsere Konkurrenz, doch gibt | |
es keinen Weg dorthin. Eine Autobahn kann man schließlich schlecht | |
überqueren. „Ich glaube, das ist mir letztes Mal auch passiert“, fällt | |
Henrik wieder ein. Um der Konkurrenz zu entgehen, entscheiden wir uns für | |
eine komplett andere Tankstelle, die ebenfalls zur A4 führt. Also noch mal | |
zwei Kilometer Fußweg durchs Gewerbegebiet, auf einen Schleichweg zwischen | |
Autobahn und Fabrik, vorbei an einem Wertstoffhof und einem zugewucherten | |
Gewächshaus. | |
## 12.45 Uhr | |
Die neue Tankstelle wird nicht im HitchWiki empfohlen – zurecht, merken | |
wir, denn sie ist wenig belebt. Diesmal müssen wohl unsere Daumen und das | |
klassische Pappschild für den ersten Lift sorgen. Doch wir stehen kaum, da | |
hält schon ein Transporter an. Der 32-jährige Österreicher Jerry kommt | |
gerade vom Flohmarkt in Wien, er will seinen Wagen ausbauen, um damit auf | |
Reisen zu gehen. | |
Selbstverständlich nimmt so einer gerne Tramper*innen mit! Allerdings | |
kann Jerry uns nur ein kleines Stück weiterhelfen, und so beraten wir im | |
Auto zu viert, welches wohl die beste Station für weitere Lifts wäre. Wir | |
entscheiden uns für eine große Raststation mit Tankstelle in Göttlesbrunn | |
30 Kilometer hinter Wien, kurz vor der Grenze. Da sollten doch viele | |
Fernfahrer*innen anhalten. Oder? | |
## 13.20 Uhr | |
In Göttlesbrunn treffen wir auf andere Teams. Seit 40 Minuten stünden sie | |
schon hier, erzählt einer. Da schaffen wir es schneller weg, denke ich. | |
Schließlich stehen die Autos vor den Tanksäulen Schlange. Hochmotiviert | |
laufen wir umher und fragen, ob jemand drei freundliche Tramper*innen | |
mitnehmen würde. | |
Meistens lohnt es sich, auf die Kennzeichen zu achten, um die Fahrtrichtung | |
zu erraten; und auf die Passagiere: Familien mit Kindern nehmen meist keine | |
Tramper*innen mit – auch aus Platzmangel –, allein reisende Männer meist | |
schon. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich habe auch schon mit einem | |
Vater und seinen beiden Kindern zusammen die „Känguru-Chroniken“ gehört. | |
Doch die Raststätte stellt sich als trügerisch heraus: Sie dient beiden | |
Autobahnrichtungen und fast alle, die ich anspreche, sind Richtung | |
Deutschland und Österreich unterwegs. | |
Nun, Geduld gehört zum Trampen dazu. Und immer wieder Leute ansprechen. Die | |
meisten sind trotz Absage freundlich, sie fahren nur in die falsche | |
Richtung oder haben mit Familie keinen Platz mehr, wünschen aber viel | |
Erfolg. Beim Trampen lernt man, Zurückweisungen wegzustecken. | |
## 13.45 Uhr | |
Zwischenzeitlich sind wir mit drei anderen Teams gleichzeitig in | |
Göttlesbrunn, ein Einzelreisender, der nicht zum Rennen gehört, kommt auch | |
noch dazu. „Mit so vielen Trampern stand ich noch nie an einem Ort“, sagt | |
Henrik, der immerhin schon seit über 15 Jahren per Anhalter reist. Bis in | |
die 1980er Jahre warteten die Leute noch reihenweise an Raststätten und | |
Autobahnauffahrten auf Anhalter. Eine Zeit lang klebten sich | |
Autofahrer*innen in verschiedenen westdeutschen Städten sogar rote | |
Punkte an ihre Autos, um zu zeigen, dass sie Leute mitnehmen würden – ein | |
Protest gegen steigende ÖPNV-Preise. | |
Später gründeten sich erste Mitfahrzentralen. Sie vermittelten – zunächst | |
noch per Aushang und Telefon – Fahrten und galten als sicherere | |
Alternative, auch wenn das nicht mehr kostenlos war. Durch das Aufkommen | |
von Handys und Internet wurde es dann umso einfacher, flexibel und | |
kurzfristig eine passgenaue Fahrt zu finden. | |
In den 1990ern kamen dann noch die Billigflieger dazu. Und die | |
Hochschulreform mit ihrem Credit-Point-System. Letzteres führte zu einem | |
größeren Effizienzdruck auf die Studierenden: Während man sich früher in | |
den Semesterferien eher treiben ließ, soll seitdem möglichst jeder | |
Auslandsaufenthalt gut für den eigenen Lebenslauf sein. Oder man will | |
zumindest möglichst schnell und möglichst viel sehen und erleben – was mit | |
einer Fernreise nach Asien oder Südamerika natürlich besser gelingt als mit | |
einem schnöden Roadtrip ins Nachbarland. | |
Auch sind wir es kaum noch gewohnt, ohne Smartphone zu reisen. Selbst die | |
abgelegenste Zugstrecke lässt sich online suchen. Klar wollen wir immer | |
noch etwas Neues erleben – aber vielleicht doch lieber so, dass wir abends | |
auch sicher in unserer vorab reservierten Unterkunft ankommen. Beim Trampen | |
hingegen kann man auch mit noch so viel Erfahrung niemals einfach die beste | |
Route nehmen. Man wird nie wissen, wer einen mitnimmt, wo genau man | |
unterwegs landet und wie lange es dauert. Es bleibt ein Abenteuer. | |
Jedenfalls nehmen am Tramprennen wieder mehr Leute teil. Vielleicht auch, | |
weil die Erderhitzung gerade dafür sorgt, dass viele, vor allem junge | |
Menschen „Slow Travel“ für sich entdecken. Zwar ist man auch beim Trampen | |
auf ein nicht gerade klimafreundliches Verkehrsmittel angewiesen. Aber man | |
fördert es zumindest nicht mit Geld. Man selbst reist billig – in Zeiten | |
der Inflation auch ein Argument. | |
## 14.02 Uhr | |
Das erste Team hat einen Lift gefunden! Es ist beruhigend zu sehen, dass | |
man doch aus Göttlesbrunn wegkommt. | |
## 14.45 Uhr | |
… aber das ist gar nicht so einfach. Nach anderthalb Stunden drücken Hitze, | |
Müdigkeit und die vergebliche Fragerei langsam die Stimmung. Positiv | |
bleiben ist trotzdem angesagt: Wer nimmt schon gerne schlecht gelaunte | |
Leute mit? | |
Im Team wechseln wir uns ab, sodass jede*r zwischendurch mal eine Pause | |
machen kann. Und in den Pausen gibt es einiges zu schauen: Familien in | |
vollgepackten Autos, die vom Türkeibesuch zurück nach Deutschland fahren, | |
Ungarn, die per Auto in die Niederlande umziehen und Rentner*innen im | |
Wohnwagen auf Italienurlaub. Eine Frau läuft eine geschlagene Stunde | |
telefonierend vor uns hin und her. | |
## 15.25 Uhr | |
Ein Mitarbeiter der Tankstelle hat Henrik angesprochen, dass er nicht | |
zwischen den Autos rumlaufen solle – zumindest nicht ohne Warnweste. Aber | |
zum Glück gab es für die Teilnahmegebühr am Rennen auch ein „Hitchpaket“, | |
mit Klopapier, Eddings und eben: einer Warnweste. „Damit hat er wohl nicht | |
gerechnet!“, feixt Henrik. | |
Warnwesten sind zum Trampen generell eine gute Idee: Nachts und direkt an | |
der Straße oder Autobahn sorgen sie für mehr Sicherheit. Einige | |
Tramper*innen schwören aber auch auf sie, um besser voranzukommen. Denn | |
weil Warnwesten auf einen Unfall oder offizielle Funktionen hindeuten, | |
halten immer mal Leute an – und wenn sie erst mal stehen, kann man sie auch | |
eher zum Mitnehmen überreden. Ein anderer Tramper hat mir mal erzählt, er | |
setze auf Holzfällerhemden. Ex-Tramper würden sich darin wiedererkennen und | |
Geschäftsreisende dächten: „Na wenigstens ein Hemd.“ | |
## 15.40 Uhr | |
Ein Teilnehmer des Tramprennens sucht das Frauenteam, das mit uns an der | |
Raststätte wartet. Er hatte eine Autofahrerin angesprochen, die allein mit | |
Sohn unterwegs ist und lieber keinen Mann mitnehmen will. Aber zwei junge | |
Frauen, das könne sie sich vorstellen. In diesem Jahr sind zum ersten Mal | |
reine Frauenteams dabei. Zuvor war eine der wenigen Bedingungen, dass nur | |
gemischtgeschlechtliche Teams antreten dürfen, weil es zu gefährlich sei, | |
zwei Frauen allein auf Trampreise zu schicken. | |
Doch das jetzige Organisationsteam hat die Regel aufgelöst. Sie sei | |
bevormundend. Auch äußern sich die Organisator*innen strikt gegen | |
Rassismus, Sexismus und Homophobie. Doch auf der Straße bleibt es bei der | |
Ungleichbehandlung. | |
„Das gibt es beim Trampen wie überall in der Gesellschaft“, sagt Nico dazu | |
am Abend nach der ersten Etappe, und dass ihm manche Leute berichtet | |
hätten, welchen rassistischen Müll sie sich anhören mussten. Doch es kann | |
auch besser laufen: Er habe schon erlebt, dass Fahrer nach einem offenen | |
Gespräch über Muslime ihre Vorurteile überdacht hätten. | |
Aber wollen sich Betroffene solchen Situationen aussetzen? Es fällt auf, | |
dass in diesem Jahr ausschließlich weiß gelesene Leute am Rennen | |
teilnehmen. Einige Veteranen erzählen von einem Iraner, von Schwarzen und | |
brasilianischen Teilnehmer*innen in früheren Jahren. Aber sie waren | |
immer eine Ausnahme und haben beim Rennen auch rassistische Erfahrungen | |
gemacht: Sie wurden seltener mitgenommen oder hatten – insbesondere ohne | |
europäischen Pass – Probleme an den Grenzübergängen. | |
Ich selbst bin auch weiß, und als Frau bin ich nur einmal zusammen mit zwei | |
anderen Frauen getrampt. Dabei hatte ich so unangenehme Erlebnisse, dass | |
ich beschlossen habe, es nie wieder zu tun. Leah aus einem der drei | |
Frauenteams im Rennen freut es hingegen, dass die Geschlechterregel | |
aufgelöst wurde. Obwohl die 27-Jährige ebenfalls schon eine schlechte | |
Erfahrung gemacht hat, fühlt sie sich zusammen mit einer guten Freundin | |
sicherer als mit einem fremden Mann im Team. Sie würden viel von Frauen, | |
Familien und Paaren mitgenommen, erzählt Leah. | |
## 16.05 Uhr | |
Inzwischen sind wir das einzig verbliebene Team an der Tankstelle und ich | |
frage mich, was wir machen, wenn wir heute nicht am Etappenziel ankommen. | |
Viel ist hier nicht mehr los und uns dreien vergeht langsam die Motivation. | |
„Nein, das passt wahrscheinlich nicht“, höre ich Henrik sagen. Das glaube | |
ich nicht, denke ich und stelle mich schnell dazu. Ich wurde schließlich | |
schon in den kleinsten, vollgepacktesten Autos mitgenommen! „Doch, das wird | |
schon passen“, sage ich und hole schnell Antonina dazu. | |
## 16.20 Uhr | |
Mit dem Wanderrucksack auf dem Schoß verlassen wir die Raststätte Richtung | |
Rumänien. Unser Fahrer stellt sich als Costi vor. Er kommt aus Rumänien und | |
lebt seit 2011 in Süddeutschland. Am Morgen ist er dort losgefahren und | |
will noch am Abend bei seiner Familie ankommen. | |
Wir unterhalten uns über Reisen, Sprachen, Klimawandel und unsere Leben; | |
Henrik und Costi stellen fest, dass sie beide als Kinder auf dem Land | |
Wasser aus dem Wassertank hatten und im Winter lange warten mussten, bis | |
der Ofen aufgeheizt war. Costi erzählt, dass er früher selbst trampen | |
musste, wenn er den Dorfbus verpasst hat. Ihm war das eher unangenehm und | |
er kann sich nicht vorstellen, das aus Spaß nochmal freiwillig zu machen. | |
## 18.30 Uhr | |
Wir machen eine kurze Pause und Costi sagt: „Die erste Hälfte meiner Fahrt | |
war ganz schön langweilig. Die zweite macht dafür umso mehr Spaß.“ Eine | |
gute Unterhaltung ist auch das Einzige, was wir ihm zurückgeben können. | |
Geld bezahlen dürfen wir nicht. Das spricht beim Tramprennen gegen den | |
Fairnesskodex. Von der Unterhaltung haben alle etwas. | |
Ich lerne mein Trampteam besser kennen und von Costi, wie eine rumänische | |
Hochzeit aussieht und wie es für ihn war, nach Deutschland zu ziehen. Als | |
wir anfangen, „Hit the Road Jack“ zu singen, sucht Costi das Lied auf | |
seinem Handy raus. Dann spielt er uns rumänische Musik vor und zeigt stolz, | |
an welchen international bekannten Popsongs Rumän*innen beteiligt waren. | |
## 19.30 Uhr | |
Costi fährt für uns sogar einen Umweg und bringt uns direkt zum | |
Campingplatz in Szeged – dem heutigen Etappenziel. 400 Kilometer haben wir | |
an diesem Tag geschafft. Wir wünschen ihm eine gute Fahrt und setzen uns zu | |
denen, die vor uns angekommen sind. An einem Kiosk gibt es Pommes und | |
Burger. | |
Die einen wurden fast mitten auf der Autobahn rausgelassen, weil der Fahrer | |
plötzlich doch seiner geplanten Route folgen wollte, ohne Umwege. Die | |
anderen haben erfahren, dass heute ein Nationalfeiertag in Ungarn ist, und | |
wieder andere haben eine Sightseeingtour durch Budapest bekommen. Von den | |
zehn Teams auf unserer Route waren wir am siebtschnellsten, aber das ist | |
gar nicht so wichtig. Den wenigsten geht’s um Schnelligkeit. | |
„Man kommt anders an die Leute ran, wenn man für ein paar Stunden ihren | |
Privatraum teilt, aber gleichzeitig klar ist, dass man danach wieder aus | |
ihrem Leben verschwindet“, sagt Mitorganisator Nico. | |
Genau das ist das Schönste am Trampen! Ohne meine Roadtrips per Anhalter | |
hätte ich wohl niemals erfahren, dass Autos von einzelnen Leuten in | |
Autokorsos von West- nach Osteuropa überführt werden, ich hätte nie mit | |
einem Wirtschaftsanwalt über die Solarbranche gesprochen, nie mit einem | |
Geschäftsmann, der die Hälfte des Jahres in Namibia arbeitet, wäre nie in | |
den schicksten Autos oder einem Lkw mitgefahren. Viele der Leute hätte ich | |
auch nie über Mitfahrgelegenheiten kennengelernt, denn kein Geschäftsführer | |
ist auf das Geld angewiesen, und Fernfahrer dürfen meist offiziell | |
niemanden mitnehmen. | |
So aber löse ich mich aus der eigenen Routine, dem eigenen Umfeld, der | |
eigenen Schicht und tauche für eine Weile in eine andere Welt ein. Trampen | |
erweitert den Horizont ganz ohne Geld, klimaschädliche Fernreisen oder | |
arrangierte Austausche. Und ganz nebenbei lernt man, mit Rückschlägen | |
umzugehen. | |
Klingt das jetzt schon hippiemäßig? | |
3 Dec 2023 | |
## AUTOREN | |
Jelena Malkowski | |
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