# taz.de -- Migration über das Mittelmeer: Ihnen droht lebenslange Haft | |
> Drei Männer sind wegen Terrorismus angeklagt. Sie sollen einen | |
> Tanker-Kapitän gezwungen haben, sie nicht nach Libyen zu bringen. | |
Bild: Senglea, Malta, 28.03.2019: Soldaten der Armed Forces von Malta (AFM) auf… | |
BERLIN taz | Die Generalstaatsanwaltschaft auf Malta hat einen Strafantrag | |
gegen drei junge Migrant:innen aus [1][Gambia] und der Elfenbeinküste | |
gestellt. Ihnen droht lebenslange Haft. Den dreien wird vorgeworfen, den | |
Kapitän des Öltankers „El Hiblu“ im März 2019 gezwungen zu haben, sie und | |
105 weitere Menschen nicht nach Libyen, sondern nach Malta zu bringen. | |
Das Verfahren läuft bereits seit 2019. Die Staatsanwaltschaft beantragte | |
nun, die zur Tatzeit 15, 16 und 19 Jahre alten Personen wegen | |
„terroristischen Handlungen“, „illegalem Freiheitsentzug“, „rechtswid… | |
Abschiebung ins Ausland“ sowie „Gewalt“ zu verurteilen. | |
Am 25. März 2019 hatte ein [2][Schlauchboot] mit 108 Menschen von Gasr | |
Garabulli in Libyen abgelegt. Das Boot verlor nach einiger Zeit Luft, wurde | |
jedoch von einem Flugzeug der EU Mission Eunavfor Med entdeckt. Deren | |
Kommando wies den in der Nähe fahrenden Öltanker „El Hiblu“ an, die | |
Menschen aufzunehmen. Italienischen Medienberichten zufolge ordnete die | |
Besatzung des Marineflugzeugs an, dass die „El Hiblu“-Crew die Menschen | |
nach Libyen bringt. | |
Als die Geretteten bemerkten, dass sie wieder zurückfuhren, brachten sie | |
den Kapitän dazu, den Kurs zu ändern und Richtung Malta zu fahren. Ein | |
Sprecher der Armee Maltas sagte später, sie hätten die nur aus wenigen | |
Männern bestehende Crew mit Werkzeugen bedroht und so zur Umkehr gezwungen. | |
## „Entsetzlich und beschämend“ sei die Anklage | |
Maltas Militär nahm damals Kontakt zu dem Kapitän auf. Dieser gab an, keine | |
Kontrolle mehr über sein Schiff zu haben, eine Spezialeinheit der Marine | |
von [3][Malta] stürmte das Schiff. Der Kapitän brachte die „El Hiblu“ in | |
den Hafen von Valletta, die drei später Angeklagten wurden festgenommen. | |
Elisa De Pieri von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International | |
sagte am Donnerstag, der Generalstaatsanwalt habe mehr als viereinhalb | |
Jahre gebraucht, „um die schlimmstmögliche Entscheidung zu treffen“. Es sei | |
ein „Hohn auf die Gerechtigkeit“, dass die Männer, die als Vermittler | |
zwischen der Besatzung und einer Gruppe von in Panik geratenen | |
Asylsuchenden agierten, nun vor Gericht stünden. | |
Die Anklage verkenne, dass sie „mit einer illegalen Rückführung nach Libyen | |
konfrontiert waren, die ihr Leben in Gefahr gebracht hätte“, so De Pieri. | |
Die maltesische Justiz hätte die damaligen Minderjährigen weder in | |
Erwachsenenstrafanstalten inhaftieren dürfen, noch sie vor Gericht wie | |
Erwachsene behandeln. Zudem seien wichtige Zeugen als Zeugen nicht geladen | |
worden. „Die Anklage hätte nie erhoben werden dürfen, aber noch ist Zeit | |
für die maltesischen Behörden, die Anklage fallen zu lassen und den jungen | |
Männern weiteres Unrecht zu ersparen“, sagte De Pieri. | |
„Entsetzlich und beschämend“ nannte Maurice Stierl vom Unterstützerkreis | |
der Drei die Anklage. „Es gab keine Gewalt an Bord und der Kapitän wollte | |
sie illegal nach Libyen zurückbringen, dem Ort, an dem sie Schrecken und | |
Not erlebt hatten“, sagt Stierl. Die Geretteten hätten friedlich | |
protestiert und als „Vermittler zwischen der Besatzung und der Gruppe der | |
Migranten“ fungiert. „Sie kamen als Teenager mit Hoffnungen und Träumen, | |
aber Malta hat ihnen die Jugend gestohlen“, sagt Stierl. Verzögerungen im | |
Strafverfahren hätten dazu geführt, „dass sie jahrelang in Angst gelebt | |
haben“. Nun sei auch ihre Zukunft ungewiss. | |
Schon zu Beginn der Verhandlung hatte die UN-Hochkommissarin für | |
Menschenrechte die Anklage kritisiert. „Wir halten die Vorwürfe für | |
übertrieben“,sagte damals Sprecherin Ravina Shamdasani. | |
30 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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