# taz.de -- Digitale Gewalt in Berlin: Grüne wollen Meldestelle gegen Hass | |
> Hasskommentare zur Anzeige bringen ist oft mühsam. Die Grünen-Fraktion | |
> fordert den Senat auf, ein zentrales Meldeportal zu schaffen. | |
Bild: Die Berliner Grünen wollen mit einem Meldeportal gegen Hass im Netz vorg… | |
BERLIN taz | Die orange-lila Flagge zum Tag gegen Gewalt an Frauen weht am | |
Montagmittag noch vor dem Abgeordnetenhaus. Hinter den Türen drängen | |
derweil die Grünen auf ein effektiveres Vorgehen gegen Hass im Netz, der | |
sich oftmals auch gegen Frauen und Minderheiten richtet. Die Fraktion | |
fordert den Senat in einem Antrag auf, eine digitale Meldestelle | |
einzurichten, an die sich Betroffene wenden können. | |
Die Stelle solle die Meldungen annehmen, Geschädigte unterstützen und eine | |
erste Bewertung vornehmen, ob die Inhalte strafrechtlich relevant sind. | |
Gegebenenfalls würde sie die Fälle dann an die Strafverfolgungsbehörden | |
weiterleiten und die Plattformbetreiber auffordern, die Beiträge zu | |
löschen. | |
Die Grüne Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch nennt Hass im Netz eine | |
„Gefahr für die Demokratie“. Betroffene würden dadurch aus der | |
Öffentlichkeit gedrängt und zum Verstummen gebracht, sagt Jarasch auf einer | |
Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus am Montag. Sie wehrte sich indirekt | |
gegen einen in der Berliner Zeitung erhobenen Vorwurf, in dem hinsichtlich | |
des Grünen-Vorschlags von „Petz-Portalen“ die Rede ist. Das sei eine | |
Bagatellisierung von Gewalt. „Wer so was sagt, der macht sich mit den | |
Tätern gemein“, sagt Jarasch. | |
## Vorbild Hessen | |
Als Beispiel für ihr Projekt führen die grünen Bundesländer wie Hessen an, | |
wo bereits 2020 das staatliche Meldeportal „HessenGegenHetze“ online | |
gegangen war. Allein im vergangenen Jahr gingen dort [1][mehr als 7.800 | |
Meldungen] ein. | |
Auch die vom Hessischen Justizministerium und der gemeinnützigen | |
Organisation HateAid entwickelte App „MeldeHelden“ sehen die Grünen in | |
Berlin als Vorbild: Sie schlagen dem Senat vor, die Anwendung nachzunutzen. | |
Wie viel Geld ihre Pläne im Falle einer Umsetzung kosten würden, konnten | |
Jarasch und die sicherheitspolitische Sprecherin Gollaleh Ahmadi auf | |
Nachfrage der taz nicht beantworten. | |
Unterstützung bekommen die Grünen aus der Zivilgesellschaft. So befürwortet | |
die Amadeu Antonio Stiftung die Einrichtung eines zentralen Meldeportals. | |
„Wenn sie Straftaten verhindern wollen, müssen sie das zuerst online tun“, | |
sagte der Geschäftsführer der Stiftung, Timo Reinfrank. Eine Strafanzeige | |
zu erstatten sei heute zu schwierig und komplex; Betroffene würden im | |
Anschluss oft keine Rückmeldung bekommen. | |
Dem pflichtet die [2][HateAid Co-Chefin Josephine Ballon] bei: Die Hürden, | |
Beleidigungen im Netz zur Anzeige zu bringen, seien in den meisten | |
Bundesländern sehr hoch, sagte sie im Abgeordnetenhaus. „Das hat auch damit | |
zu tun, dass [3][digitale Gewalt ein Massenphänomen] ist.“ Die | |
Beweissicherung und Vorbereitung von Strafanzeigen fresse bei vielen | |
Menschen Ressourcen. | |
## Kritik an Vorschlag | |
Aktuell gibt es bei der Meldung von Hass im Netz in Berlin noch erhebliche | |
Defizite. Ballon nennt das Beispiel einer Frau, die einen digitalen | |
Übergriff anzeigen will – ihr sei es immer noch unmöglich, digitale | |
Beweismittel hochzuladen; Screenshots oder andere Belege müssten nach wie | |
vor ausgedruckt und per Post verschickt oder persönlich bei der Polizei | |
vorbeigebracht werden. Eine große Hürde, besonders wenn es um | |
schambehaftete Aussagen wie etwa Vergewaltigungsbeschreibungen geht. | |
Reinfrank äußerte jedoch auch Kritik am Vorschlag der Grünen, das | |
Meldeportal solle mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten. „Ich glaube, | |
das wird Betroffene im Zweifelsfall abschrecken, weil viele Betroffene | |
einfach keine gute Erfahrung mit den Strafverfolgungsbehörden gemacht | |
haben.“ Das Vertrauen müsste erst wieder geschaffen werden. „Deswegen wäre | |
ich hier für eine klare Trennung“, sagte Reinfrank. | |
30 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Medienanstaltschef-ueber-Hass-im-Internet/!5953128 | |
[2] /Beratungsarbeit-von-HateAid-in-Gefahr/!5945064 | |
[3] /Hass-im-Netz/!5870039 | |
## AUTOREN | |
Leon Holly | |
## TAGS | |
Hassrede | |
Digitalisierung | |
Grüne Berlin | |
Hass | |
Hassrede | |
Netzkultur | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Medienanstaltschef über Hass im Internet: „Hier findet Entgrenzung statt“ | |
Tobias Schmid, Chef der Landesmedienanstalt NRW, über Beleidigung und | |
Desinformation im Internet – und wie man sich als Gesellschaft dagegen | |
wappnet. | |
Beratungsarbeit von HateAid in Gefahr: Kein Geld gegen den Hass | |
Die Organisation HateAid berät Betroffene von Online-Hass. Sie soll laut | |
den Haushaltsplänen keine Fördermittel vom Justizministerium mehr bekommen. | |
„Hass im Netz“: Tödliche Wirkung des Internets | |
Seit dem Tod der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr wird über „Hass im Netz“ | |
diskutiert. Dabei ist Hass nicht nur digital. Er hat immer auch analoge | |
Folgen. |