# taz.de -- Syrien bei der COP28: Greenwashing vom Feinsten | |
> Die Einladung des Assad-Regimes zur Klimakonferenz COP28 ist makaber. | |
> Seine Kriegs- und Umweltverbrechen sollten Syrien disqualifizieren. | |
Bild: Auftritt von Assad bei der Arabischen Liga am 11.11.2023 | |
Man kann nicht an einem Tag Krankenhäuser und Schulen bombardieren und am | |
nächsten Tag die Hände der Spitzenpolitiker dieser Welt schütteln“, erklä… | |
die syrische Regisseurin Waed Al-Kateab [1][in einem Video]. Auf einer | |
großen Leinwand war die Regisseurin des preisgekrönten Films „Für Sama“ … | |
dem „Etihad Stadium“ in Manchester, Großbritannien zu sehen. Adressat ihrer | |
eindringlichen Botschaft ist der syrische Diktator Baschar Assad, der im | |
Zuge der „Normalisierung“ einiger arabischer Staaten zur internationalen | |
UN-Klimakonferenz Ende November in Dubai eingeladen wurde. | |
Die alljährlichen Klimagipfel sind gedacht, um dringend benötigte Maßnahmen | |
zur globalen Energiewende und zur Klimafinanzierung zu beschließen. Für The | |
Syria Campaign (TSC), eine syrische Menschenrechtsorganisation, geht es | |
auch um die politische Bühne, die dem syrischen Diktator geboten wird, auch | |
wenn er sich in Dubai durch seinen Premierminister Hussein Arnous vertreten | |
lassen sollte, wie es [2][Stimmen aus der syrischen Delegation] andeuteten. | |
TSC sieht die Einladung als klare Botschaft, dass [3][„Straflosigkeit der | |
[neue] Rechtsgrundsatz ist“]. | |
Sollte Assad doch selbst an der Klimakonferenz teilnehmen, wäre dies sein | |
erster Auftritt bei einer internationalen Konferenz, seit er der syrischen | |
Opposition 2011 den Krieg erklärt hat. In Reaktion auf die gewaltsame | |
Niederschlagung der Proteste und den darauffolgenden Krieg gegen die eigene | |
Bevölkerung, bei dem auch Chemiewaffen eingesetzt wurden, hatten sowohl die | |
arabischen als auch die europäischen Staaten das Assad-Regime 2012 | |
mehrheitlich isoliert. | |
Das auf Selbsterhalt ausgerichtete Regime hat sich seither keine Handbreit | |
bewegt. Gemeinsam mit der russischen Luftwaffe und verbündeten iranischen | |
Milizen verantwortet es [4][90 Prozent aller getöteten Zivilist*innen] | |
der letzten zwölf Jahre in Syrien. Das Schicksal von über 100.000 zumeist | |
in Händen des Regimes Verschwundenen ist weiterhin ungeklärt. | |
In Waed al-Kateabs Dokumentarfilm „Für Sama“ zeigt al-Kateab die | |
Bombardierung eines Krankenhauses in Aleppo – Teil einer systematischen | |
Kombination von Angriffen Russlands und des syrischen Regimes auf | |
Gesundheitseinrichtungen und medizinisches Personal in oppositionellen | |
Gebieten. Die Region Idlib im Nordwesten des Landes ist kürzlich von einer | |
besonders schweren militärischen Offensive getroffen worden. Seit dem 5. | |
Oktober wurden dort [5][laut UN OHCHR] 70 Menschen durch Angriffe des | |
Regimes und seiner Verbündeten getötet. | |
## Keine Konsequenzen? | |
Bestrebungen, Assad durch Anreize zu politischen Kompromissen zu bewegen, | |
haben keinerlei Früchte getragen. So wurde Syrien im Mai dieses Jahres nach | |
über zehn Jahren wieder in die Arabische Liga aufgenommen. Im Zuge dessen | |
erging auch die Einladung zur UN-Klimakonferenz. Die Mitglieder der | |
Arabischen Liga traten mit ihren Normalisierungsbemühungen in Vorleistung. | |
Ziel: dem für Jordanien, aber auch Saudi-Arabien fatalen Drogenhandel | |
Einhalt zu gebieten. Seit Jahren überschwemmt Syrien die Region mit | |
Captagon – ein Geschäft, welches in Händen der Assad-Familie und der von | |
Assads Bruder Maher geführten Elitetruppen liegt. Für Assad ist die | |
Einladung zur UN-Klimakonferenz ein weiterer Triumph – und der Beweis, dass | |
er keine Konsequenzen zu fürchten braucht. | |
Dem Regime eine internationale Bühne zu bieten ist auch deshalb makaber, | |
weil es für viele der Umweltschäden im Land verantwortlich ist. Die | |
Weltbank schätzt, dass in Aleppos Ruinen nach den Belagerungen und Kämpfen | |
zwischen der syrischen Armee und den Rebellengruppen 2017 [6][14,9 | |
Millionen Tonnen Trümmer] liegen. | |
Auch Industriezonen wurden zerstört. Syriens Böden und Grundwasser sind | |
nach zwölf Jahren Krieg mit Feinstaub, Schadstoffen aus Bau und Industrie, | |
Rückständen von mehr als 200 Einsätzen von Chemiewaffen durch Assad gegen | |
die eigene Bevölkerung und [7][bis zu 300.000 Blindgängern] stark | |
kontaminiert. Das Regime und seine verbündeten Kriegsparteien bombardierten | |
gezielt Wasserinfrastruktur, um Gegner und Zivilbevölkerung von der | |
Wasserversorgung abzuschneiden. Laut den Vereinten Nationen sind das | |
Kriegsverbrechen. | |
Die Zerstörung von Wasser-, Strom-, und Entsorgungsinfrastruktur verstärkt | |
die humanitäre Krise und erzwingt Notlösungen auf Kosten der Umwelt, wie | |
die Abholzung von Bäumen zum Heizen und umweltschädlich improvisierte | |
Erdölraffinerien zur Stromerzeugung. Im Nordwesten des Landes, wo zwei | |
Millionen Binnenvertriebene leben, ist ein Großteil der Menschen von | |
humanitären Hilfen abhängig. Die unzureichende Sanitär- und | |
Trinkwasserversorgung schlug sich im letzten Winter in einem | |
Cholera-Ausbruch nieder, bei dem sich 50.000 Menschen infizierten. | |
Das Gebiet liegt außerhalb der Kontrolle Assads. Sein Verbündeter Russland | |
nutzte in der Vergangenheit wiederholt seinen ständigen Sitz im | |
UN-Sicherheitsrat, um die humanitäre Versorgung der Enklave zu erschweren. | |
## Internationaler Haftbefehl gegen Assad | |
Eine Teilnahme Syriens an der UN-Klimakonferenz bietet die Möglichkeit, | |
über Umweltschäden zu lamentieren, für die das Regime durch Misswirtschaft | |
und Kriegsverbrechen selbst verantwortlich ist. Allein die Einladung der | |
VAE an Assad sendet ein Zeichen an heutige wie an künftige | |
Kriegsverbrecher, dass selbst die schlimmsten Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit straflos bleiben. | |
Einen Lichtblick bietet der erste internationale Haftbefehl gegen Assad | |
persönlich, [8][der letzte Woche von Frankreich wegen des | |
Chemiewaffeneinsatzes 2013] ausgestellt wurde. Das lässt die Frage von | |
Assads Partizipation noch interessanter erscheinen: Ein Haftbefehl kurz vor | |
der COP würde Paris nicht nur die Möglichkeit, sondern die Pflicht | |
auferlegen, Assad der französischen Justiz zu überstellen. Anzunehmen ist | |
leider, dass Assad auch dort durch Abwesenheit glänzen wird. | |
30 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/TheSyriaCmpgn/status/1720829362017046702 | |
[2] https://www.reuters.com/world/syrias-cop28-delegation-be-led-by-pm-not-assa… | |
[3] https://act.thesyriacampaign.org/sign/uninvite-assad-from-cop/ | |
[4] https://snhr.org/blog/2023/06/14/civilian-death-toll/ | |
[5] https://www.hrw.org/news/2023/11/05/northwest-syria-government-uses-cluster… | |
[6] https://www.worldbank.org/en/country/syria/publication/the-toll-of-war-the-… | |
[7] https://www.cartercenter.org/resources/pdfs/peace/conflict_resolution/syria… | |
[8] https://edition.cnn.com/2023/11/15/middleeast/france-arrest-warrant-syria-a… | |
## AUTOREN | |
Sara Stachelhaus | |
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