Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rechtsstaat in Polen: Zwischen Populismus und Demokratie
> Die PiS-Partei verhielt sich in ihrer vergangenen Regierungszeit alles
> andere als demokratisch. Entscheidend ist, dies nun juristisch zu ahnden.
Bild: Bald könnte Polen nicht mehr nach seinen Spielregeln funktionieren: PiS-…
Alles überall gleichzeitig – [1][so lautete auf Deutsch übersetzt der Titel
des mit Oscars überhäuften Films von Dan Kwan und Daniel Scheinert]. Für
die polnische Demokratie hat der Titel dieses Films nach dem Niedergang der
Populisten symbolische Bedeutung. Die Zahl der Dinge, die nach dem baldigen
Abgang der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Ordnung gebracht werden
müssen, ist jedenfalls enorm.
Polen wird immer noch von der alten Regierung regiert, aber die
parlamentarische Mehrheit ist schon neu. Diese Woche wurden neue Mitglieder
des Staatsgerichtshofs gewählt. Dies ist ein wichtiges verfassungsmäßiges
Organ der polnischen Justiz, das die höchsten Behörden und Staatsbeamten
für Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit ihren Ämtern zur Rechenschaft
ziehen soll.
Das Thema, die Verantwortlichen für das undemokratische Gebaren von
2015-2023 zu belangen, wurde sofort wieder aufgegriffen. [2][Theoretisch
ist die Liste lang]. Doch Politiker zur Verantwortung zu ziehen, ist in
Polen nicht einfach. Wenn wir uns das vergangene Jahrhundert ansehen, wird
deutlich, dass polnische Politiker viel besser darin waren, informellen
Druck, Schikanen und juristische Tricks auszuspielen, als den
Staatsgerichtshof zu nutzen.
Gleichzeitig dämmert es vielen Menschen langsam, dass demokratische
Standards nicht erkämpft wurden, um sich jetzt so zu verhalten, wie es die
PiS-Partei getan hat. Der Haken an der Sache ist, dass die PiS selbst
ursprünglich eine moralische Erneuerung in der Politik versprochen hat.
Bitte lachen Sie nicht. Um 2015 klangen die Worte von Ministerpräsidentin
Beata Szydło „Bescheidenheit, Arbeit, Mäßigung“ noch nicht bitter ironis…
## In der Geschichte kamen alle davon
Eine kürzlich gehaltene Parlamentsrede des Justizministers Zbigniew Ziobro
kann als Klammer zu den Worten der ehemaligen Premierministerin gesehen
werden. Im November 2023 machte er sich über seine politischen Gegner
lustig und warf ihnen vor, dass sie nicht in der Lage waren, ihn nach der
ersten PiS-Regierungszeit in den Jahren 2005-2007 vor den Staatsgerichtshof
zu bringen.
Den Staatsgerichtshof gab es bereits in der Zweiten Republik. Wenn man die
Institutionen ernst nehmen wollte, hätte man Józef Piłsudski selbst wegen
des Militärputsches im Mai 1926 vor Gericht stellen müssen. Da dies
undenkbar war, wurde ein indirekter Angriff unternommen. Finanzminister
Gabriel Czechowicz stand vor dem Staatstribunal. Letztendlich fiel dem
Politiker kein einziges Haar vom Kopf.
Nach dem demokratischen Durchbruch von 1989 verzehrte der Wunsch, mit dem
Kommunismus abzurechnen, auch Teile der Gesellschaft. Letztendlich wurde
aber niemand ernsthaft bestraft: weder für seine Aktivitäten vor 1989 noch
für die Skandale, die bereits in der Dritten Republik aufgetreten waren.
Nach den ersten Regierungen von Recht und Gerechtigkeit (2005-2007) wurden
ebenfalls Vergleiche angekündigt. Das war auch nach 2015 nicht anders, als
Jaroslaw Kaczynski dies in Bezug auf Donald Tusk tat. Am Ende ging alles in
die Brüche, was ebenfalls zum Gegenstand von Spott und Zweifeln wurde.
In den USA ist es ein weiteres Jahr, [3][in dem Donald Trumps Gegner
versuchen, ihn vor Gericht zur Rechenschaft zu ziehen]. Die jüngsten Wahlen
in den Niederlanden wurden von Populisten gewonnen. Es ist möglich, dass
das Bedürfnis nach Rechenschaftspflicht auch nach solchen Regierungen
wieder auftauchen wird. Aus diesem Grund wird die Art und Weise, wie der
Populismus in Polen zur Rechenschaft gezogen wird, nicht nur für die eigene
Demokratie eine große Rolle spielen – sondern auch im globalen Showdown
zwischen Populismus und liberaler Demokratie.
29 Nov 2023
## LINKS
[1] https://blogs.taz.de/popblog/2022/05/10/everything-everywhere-all-at-once-e…
[2] /Vor-den-Wahlen-in-Polen/!5962096
[3] /Gerichtsverfahren-gegen-Donald-Trump/!5952812
## AUTOREN
Karolina Wigura
Jaroslaw Kuisz
## TAGS
Kolumne Fernsicht
Polen
PiS
Rechtsstaat
Kolumne Fernsicht
Kolumne Fernsicht
Polen
Kolumne Fernsicht
Polen
Polen
Wahlen NIederlande
Polen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Waffenlieferung an die Ukraine: Wer will für den Donbass sterben?
Blick in die Geschichte: 1939 wollte niemand für Danzig sterben.
Bekanntlich führte das erst recht ins Unglück. Und wie sieht es heute aus?
Polens neue Regierung: Die schwere Last des Donald Tusk
Der Sieg über die PiS-Populisten ist ein Hoffnungsschimmer für den
liberalen Westen. Doch auf die neue Koalition in Warschau warten schwierige
Aufgaben.
Machtwechsel in Polen: Donald Tusk ist neuer Premier
Das polnische Abgeordnetenhaus wählt den ehemaligen EU-Ratspräsidenten
Donald Tusk zum Regierungschef. Für die PiS ein „deutscher Spion“.
Überschwemmungen in Indien: Die Mittelschicht ruiniert ihr Land
Versiegelungen von Flächen und Privatautos haben in Indien vor allem
heftige Überflutungen zur Folge. Das System kann kaum mehr repariert
werden.
Polen nach den Wahlen: Mühsam zurück zum Rechtsstaat
In Polen wirken die PiS-Nationalpopulisten auch nach dem Wahlsieg der
liberaleren Koalition weiter. Sie besetzen Schlüsselpositionen im ganzen
Land.
Lech Wałęsa gewinnt in Straßburg: Desaster für die polnische Justiz
Nach dem EGMR-Urteil zugunsten von Wałęsa muss Polen sein mangelhaftes
Gerichtswesen in Ordnung bringen. Er hatte gegen die Republik Polen
geklagt.
Rechter Wahlerfolg in den Niederlanden: „Geert Milders“ nur zum Schein
Nach ihrem Wahlsieg wirbt die niederländische PVV um Koalitionspartner.
Dafür müsste sie von heiklen Punkten in ihrem Wahlprogramm Abstand nehmen.
Regierungsbildung in Polen: Dudas Karrierekalkül
Den Auftrag der Regierungsbildung wird die PiS nicht erfüllen können. Duda
schindet Zeit für die Partei, bei der er auf einen guten Posten hofft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.