| # taz.de -- Ende von „Jezebel“: Der Kampf geht weiter | |
| > Diesen Monat wurde die US-Webseite „Jezebel“ eingestellt. Damit endet | |
| > eine Ära feministischer Selbstermächtigung. Die Inhalte bleiben aktuell. | |
| Bild: Jezebel tat, was sie für richtig hielt und wurde deswegen ermordet, wie … | |
| Soweit ich mich erinnern kann, hat das Wort „Feministin“ in meinem | |
| Aufwachsen keine Rolle gespielt. In den 1990er und 2000er Jahren taugte es | |
| nicht einmal mehr zum Schimpfwort. Feministinnen das waren für mich | |
| irgendwelche Frauen der Vergangenheit, die für unser Wahlrecht und freie | |
| Berufswahl gekämpft hatten. Danke dafür – aber jetzt waren wir emanzipiert | |
| und brauchten keinen Feminismus mehr. Die Welt stand mir und meinen | |
| Freundinnen offen, wir waren eh klüger, schlagfertiger und witziger als die | |
| Jungs in unserer Klasse. Unvorstellbar, dass wir in irgendeiner Weise | |
| benachteiligt sein sollten. | |
| Die Ernüchterung und Erkenntnis, dass Geschlechtergerechtigkeit noch lange | |
| nicht erreicht ist, kam schneller als mir lieb war. Aber Feminismus blieb | |
| mir trotz allem fremd. Vielleicht auch, weil [1][meine erste Assoziation | |
| lange Alice Schwarzer blieb]. Und mit der wollte ich nun wirklich nichts zu | |
| tun haben. | |
| Doch in den späten 2000ern passierte etwas, das ich nicht erwartet hatte: | |
| Feminismus wurde (wieder) cool. Zu verdanken war das dem sogenannten | |
| Netzfeminismus. Wir alle waren in diesem Web 2.0 unterwegs, und nach und | |
| nach ploppten immer mehr feministische Blogs und Onlinemagazine auf, die | |
| meinen bisherigen Vorstellungen eines verstaubten Kampfs um | |
| Geschlechtergerechtigkeit konträr entgegenstanden. | |
| Einer der ersten Seiten war 2007 Jezebel. Dort ging es um Popkultur, | |
| Politik und Gossip – immer aus einer feministischen Perspektive, die nie | |
| mahnend und streng, sondern immer lustig und empowernd war. Wenn jetzt, 16 | |
| Jahre später, die Seite abgeschaltet wurde, steht das nicht nur für ein | |
| weiteres Voranschreiten des Mediensterbens, sondern auch für das Ende einer | |
| feministischen Ära. | |
| ## Ein Gegengewicht zu klassischen Frauenmagazinen | |
| 2007 sah die feministische (Medien-)Welt noch ziemlich anders aus als | |
| heute. Es gab kaum Popstars, die sich selbst als Feministinnen | |
| bezeichneten. Im Gegenteil: Von Lady Gaga über Taylor Swift bis Madonna, | |
| sie alle wollten nichts damit zu haben. Weibliche oder queere Perspektiven | |
| auf politische Themen gab es in den klassischen Medien nur in | |
| Ausnahmefällen. Das Einzige, das Frauen und Queers in der Medienwelt blieb, | |
| waren Frauenmagazine. | |
| Dem wollte Anna Holmes mit der Gründung von Jezebel etwas entgegensetzen. | |
| Und so ging es dann auf der Seite zwar um Mode, aber eben auch um die | |
| Arbeitsbedingungen von Models oder Verkäufer_innen bei American Apparel, um | |
| die Stellung von Schwarzen Frauen in der Branche. Aber niemals wurde das | |
| Gewicht von Frauen kommentiert. | |
| Es fanden sich Texte über Körperflüssigkeiten oder einmal ein Text darüber, | |
| wie eine Frau versehentlich zehn Tage einen Tampon in ihrer Vagina ließ. | |
| Auch Promi-News kamen vor, doch genauso wurde Vorwürfe sexualisierter | |
| Gewalt gegen mächtige Männer thematisiert. Und das [2][lange bevor es so | |
| etwas wie #MeToo gab]. | |
| Jezebel war Pionierin der feministischen Online-Mediengeschichte, die | |
| international eine Vielzahl von Nachahmerinnen fand. Auch in Deutschland | |
| gründeten sich danach [3][queerfeministische Blogs wie Kleinerdrei oder | |
| Mädchenmannschaft ] und das Missy Magazine ging als klassisches | |
| Printmagazin inhaltlich einen ähnlichen Weg. | |
| All die feministischen Medien dieser Zeit schafften es, gleichzeitig | |
| aufzuklären und zu unterhalten, Überlebenswichtiges und vollkommen | |
| Irrelevantes zu thematisieren. Sie entmystifizierten die feministische | |
| Bewegung und brachten sie in den Mainstream – mit allen positiven und | |
| negativen Folgen. Für mich waren sie ein erster Zugang zum Thema | |
| Geschlechtergerechtigkeit und damit ein wichtiger Schritt in meiner | |
| feministischen Radikalisierung. | |
| ## Die Orte der Gen Z | |
| Doch seit ein paar Jahren schließen die damals gegründeten Redaktionen ihre | |
| Pforten: Lena Dunhams Lenny Letter, Tavi Gevinsons Teenie-Blog „The Style | |
| Rookie“, Broadley oder Bitch Media. Sie alle gibt es nicht mehr. Auch in | |
| Deutschland kämpfen feministische Medien, [4][wie aktuell das Missy | |
| Magazine,] ums Überleben. Und nun verkündete diesen Monat G/O Media, dass | |
| sie keinen Käufer für Jezebel gefunden haben. Also entließen sie das Team. | |
| Seit ein paar Tagen erscheinen keine neuen Texte mehr auf der Seite. | |
| Halb so wild, könnte man nun sagen: Meine Generation hat mittlerweile ihren | |
| Weg in den Feminismus gefunden, oder auch nicht; und für die jüngeren | |
| Generationen hat Feminismus längst einen anderen Stellenwert. Immer mehr | |
| Frauen bezeichnen sich selbst so, für Popstars gehört es fast schon zum | |
| guten Ton, das Label für sich zu beanspruchen. Und feministische Inhalte | |
| sowie weibliche und queere Sichtweisen sind in vielen etablierten Medien | |
| Normalität geworden. Die Gen Z hat längst ihre eigenen feministischen Orte | |
| im Netz gefunden. Ob als Newsletter, Podcast, Instagram- oder | |
| Tiktok-Account: Feminismus findet jetzt eben woanders statt. | |
| Doch so schön und einfach ist es leider nicht. In großen Medien herrscht | |
| noch immer ein Ungleichgewicht im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis | |
| der Autor_innen, und feministische Themen müssen vielerorts noch auf die | |
| Tagesordnung gepusht werden. In sozialen Medien sieht es auch nicht besser | |
| aus: Der Algorithmus bei X, Insta oder Tiktok benachteiligt feministische | |
| Inhalte. Und in den letzten Monaten haben sich viele Feminist_innen von den | |
| Plattformen abgemeldet – denn ihr Alltag dort bestand nur noch darin, | |
| Angriffe abzuwehren. Eigene Themen zu setzen wurde immer schwieriger. | |
| Damit feministische Inhalte nicht aus der Öffentlichkeit verschwinden und | |
| Debattenräume offen bleiben, in denen gestritten werden kann, ohne dass | |
| Menschenrechte infrage gestellt werden, ist es wichtig, dass feministische | |
| Medien weiter existieren. Auch um zu zeigen: Die Kämpfe sind ernst – aber | |
| Spaß dürfen sie machen. | |
| 27 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Carolina Schwarz | |
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