# taz.de -- Medienwissenschaftler über Piratenradio: „Der Öffentlichkeit wa… | |
> In Bremen war's Radio Zebra, in Hamburg Radio Hafenstraße. In den 1980ern | |
> gab es viele linke Piratensender. Jan Bönkost erforscht ihre Geschichte. | |
Bild: Senden war strafbar, aber Zuhören nicht: Piratenradio, hier als Transist… | |
taz: Jan Bönkost, heute kann Jede*r einen eigenen Podcast produzieren. | |
Wozu sich noch mit [1][Radiogeschichte] beschäftigen? | |
Jan Bönkost: Uns interessiert der historische Blick auf [2][linke | |
Piratensender] ja gerade, um über das Heute nachzudenken. In den 1970er- | |
und 80er-Jahren sind in der BRD viele alternative Radios entstanden, die | |
illegal gesendet haben. Das war die frühe Phase der freien Radios, die es | |
bis heute gibt. Die Leute, die damals Politpiratenradio gemacht haben, | |
kamen aus den neuen sozialen Bewegungen. Die haben sich aus der | |
gesellschaftlichen Öffentlichkeit ausgeschlossen gefühlt. Gleichzeitig | |
waren viele politisch in ihrem direkten Lebensumfeld aktiv und wollten der | |
lokalen Öffentlichkeit was hinzufügen. So eine Verankerung im Lokalen hat | |
eine Qualität, die Podcasts heute meist nicht haben. | |
Trotzdem ermöglichen die prinzipiell allen, ihre Inhalte zu senden. | |
Stimmt, aber Podcasts sind auch sehr individualisiert, man kann sie ganz | |
alleine machen und alleine hören. Freie Radios sind dagegen immer auch Orte | |
der Zusammenkunft, im Studio selbst und im Dialog über das Programm – | |
basisdemokratische Öffentlichkeit im besten Sinne. | |
Anfang der 1980er war in Bremen das Piratenradio Zebra drei Jahre lang | |
illegal auf Sendung. Was gab ’ s da zu hören? | |
Im Prinzip alles, was damals auch in den neuen sozialen Bewegungen ein | |
Thema war, von grün-alternativ bis Stadtguerilla. Der Anspruch war damals, | |
dass politisch Aktive eigene Sendungen machen sollten. Im Rahmen unserer | |
[3][Veranstaltungsreihe „100 Jahre anderes Radio“] diskutieren wir nicht | |
nur mit Menschen, die damals – in Bremen und anderswo – als | |
Radiopirat*innen aktiv waren, wir hören auch in Originalaufnahmen | |
rein. Das sind wirklich eindrucksvolle Zeitdokumente, weil man nicht nur | |
mitbekommt, was die Leute dachten, sondern eben auch, wie sie über Themen | |
gesprochen haben. | |
Radio Zebra gibt es heute nicht mehr. Wieso eigentlich nicht? | |
Die illegalen Sender der Freien-Radio-Bewegung wurden um 1980 akribisch | |
verfolgt. Das muss man auch in die gesellschaftspolitische Stimmung | |
einordnen, etwa die Repression gegen alles, was als RAF-Unterstützerumfeld | |
galt. Neben der Polizei war auch die Post für Radio zuständig. Die fuhren | |
in Bremen jede Woche in Peilwägen rum, auf der Suche nach den Sendern, der | |
Staatsschutz ermittelte wegen §129. | |
… der Paragraf 129 im Strafgesetzbuch verbietet die Bildung krimineller | |
Vereinigungen … | |
Tatsächlich wurden die Zebras in der ganzen Zeit aber nie erwischt. Am Ende | |
wurden deshalb sogar Störsender eingesetzt, was eigentlich nach | |
internationalem Recht verboten ist. | |
Also zu viel Repression, um weiterzumachen? | |
Aus heutiger Sicht: Ja! Für die Leute bei Radio Zebra war allerdings auch | |
immer ganz klar, dass sie nicht legal werden wollten. Die verstanden sich | |
als Teil der staatskritischen, undogmatischen linken Bewegung, wie fast | |
alle linken Piratensender und andere Alternativmedien aus dieser Zeit auch. | |
Für Radio Zebra stand fest: kein Sender ohne Bewegung. Als die sich im | |
Laufe der 80er im Rückzug befand, war auch mit vielen Piratensendern wie | |
Zebra Schluss. | |
1987 ging in Hamburg [4][Radio Hafenstraße] auf Sendung. Welche Rolle | |
spielte es, dass der Sender in den besetzten Häusern saß? | |
Das Jahr war der Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Besetzung. Der | |
Sender war besonders, weil er während der Barrikadentage vor Ort und für | |
alle zugänglich war. Am Anfang traute sich die Polizei nicht, den | |
stillzulegen. Später war Radio Hafenstraße dann willkommener Vorwand für | |
die Polizei, in die Häuser rein zu gehen. Zwei Jahre später, 1989, hat | |
Radio Hafenstraße noch mal gesendet, da haben Post und Polizei entspannter | |
reagiert. Daran sieht man, dass Repression gegen illegale Radios immer mit | |
der realen oder angenommenen Stärke der politischen Bewegung verbunden war. | |
Gab es damals auch Stimmen in der Piratenradiobewegung, die mit legaler | |
Lizenz senden wollten? | |
Ja, durchaus. Der Grundgedanke nicht nur der freien Radios war, unabhängig | |
von Staat und Kapital zu sein und eben offen für alle, die in der | |
Öffentlichkeit sonst nicht zu Wort kamen. Gestritten wurde unter | |
Radiogruppen darüber, wie das am besten gelingen könnte. Die Fraktion, zu | |
der etwa Radio Zebra gehörte, lehnte jede staatliche Kontrolle ab. Die | |
andere Seite wollte die eigene Reichweite durch rechtliche Absicherung | |
stärken. [5][Radio Dreyeckland] aus Freiburg ist diesen Weg gegangen und | |
existiert als einziger der damaligen Piratensender bis heute. Die taz ist | |
auch so ein Beispiel, sie hat zwar nicht illegal, aber sehr bewegungsnah | |
angefangen und wurde zu einer unabhängigen linksliberalen Tageszeitung. | |
Piratenradio war also stark mit den neuen sozialen Bewegungen verwoben und | |
mit deren Bedeutungsverlust vorbei? | |
Nicht unbedingt. Es gibt noch viele verschüttete Geschichten. Wir sprechen | |
zum Beispiel bei der Podiumsdiskussion in Bremen mit einem Gast, der hat | |
Anfang der 1990er in Wilhelmshaven als Gewerkschafter Radio gemacht. Da | |
sollte das Olympia-Werk, in dem Schreibmaschinen hergestellt wurden, | |
geschlossen werden. Ein paar IG-Metall-Gewerkschafter haben damals | |
kurzerhand einen Piratensender betrieben, um gegen die Schließung zu | |
protestieren. In der BRD-Geschichte ist das einmalig dass im Rahmen eines | |
Arbeitskampfs Piratenradio gemacht wurde. Das wird spannend, zu fragen: | |
Warum habt ihr das gemacht? Und vor allem in Bezug auf heute: Warum macht | |
man das nicht öfter in solchen Situationen? | |
28 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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