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# taz.de -- Altersforschung: So bleiben wir im Alter gesund
> Die Altersforschung liefert verschiedene Lösungsansätze, wie wir trotz
> fortgeschrittener Jahre fit bleiben. Medikamente allein retten uns nicht.
Bild: Der körperliche Verfall beginnt spätestens mit 30 – es ist nie zu fr�…
Wann fängt Altern eigentlich an? Wenn wir uns stöhnend aus dem Sessel
erheben? Wenn das Haar immer lichter wird? Oder erst, wenn wir in Rente
gehen? Die Altersmedizin hat darauf eine erschreckende Antwort. Spätestens
mit 30, wenn das Leben gerade richtig begonnen hat, startet der körperliche
Verfall.
Es ist also nie zu früh, sich Gedanken um die langfristige Gesundheit zu
machen. Denn wer will nicht möglichst lang körperlich und geistig fit
bleiben? Die Chancen dafür stehen heute besser denn je. Auf der ganzen Welt
arbeiten Forschende daran, das Altern besser zu verstehen – und machen
dabei enorme Fortschritte.
Alterskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose oder auch
Krebs lassen sich besser behandeln und sind seltener ein Todesurteil.
Dennoch altern wir: Die Knochen werden brüchig, die Muskeln schwinden, das
Herz wird schwach und [1][der Geist verwirrt.] Könnte der nächste Schritt
sein, das Altern komplett zu verhindern?
## Unser Wissen über das Altern wächst
„Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel über Alterungsprozesse gelernt.
Wir wissen heute viel besser, wie sich welche Zellen im Laufe der Zeit
verändern und welche Faktoren ein gesundes Altern beeinflussen können“,
sagt Markus Gosch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und
Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Klinikum Nürnberg.
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass daraus in kurzer Zeit wirksame
Therapien entstehen. So ist zum Beispiel bis heute unklar, warum die
Regenerationsfähigkeit von Organen wie der Niere mit der Zeit nachlässt.
Gibt es vielleicht Schalter oder Signalwege, mit denen sich die Krankheiten
abschalten lassen, bevor sie entstehen?
Auf der Suche nach Antworten steht die Forschung vor einem weiteren
Problem. All diese Prozesse lassen sich nur in Zellkulturen oder im
Tiermodell nachahmen. Beliebte Modelle sind [2][zum Beispiel Fadenwürmer,]
die doppelt so viele Gene haben wie wir Menschen, oder Fische, deren Organe
sich dauerhaft selbst reparieren können.
„In der Grundlagenforschung beschäftigen wir uns vor allem mit einzelnen
Aspekten des Alterns. So setzt sich das große Puzzle Stück für Stück
zusammen“, sagt Christoph Englert, Professor für Molekulare Genetik am
Leibniz-Institut für Alternsforschung. Gleichzeitig sei die Übertragung auf
den Menschen oft schwierig, vor allem weil einzelne Aspekte wenig über das
große Ganze verraten.
## Verschiedene Ansätze, verschiedene Hürden
An möglichen Angriffspunkten mangelt es der Forschung jedenfalls nicht. Ein
Beispiel sind seneszente Zellen. Sie beeinflussen ihre Umgebung, indem sie
entzündungsfördernde Stoffe freisetzen. Über ihre Rolle wird viel
geforscht, ihre genaue Funktion ist noch unklar. Seneszente Zellen nehmen
im Alter zu, weil sie aus dem Körper nicht beziehungsweise kaum entfernt
werden können.
Letztlich sorgen sie für eine Art Dauerentzündung und begünstigen
vermutlich auch Alterskrankheiten wie Osteoporose, Krebs oder Diabetes.
„Die Zellen zu entfernen, könnte also ein möglicher Ansatz sein“, sagt
Englert. Dafür müssten sie allerdings zerstört werden – mit Medikamenten,
die ähnlich starke Nebenwirkungen haben wie eine Chemotherapie. Auch der
Nutzen ist noch nicht vollständig geklärt. Niemand weiß genau, wie sich
ihre Entfernung auf umliegende Zellen und Gewebe auswirkt.
Ein weiterer Hoffnungsträger in Sachen Verjüngung kommt aus der
[3][Stammzellenforschung.] Anfang der 2000er Jahre gelang es dem Japaner
Shinya Yamanaka, Hautzellen in einen embryonalen Zustand zurückzuversetzen.
Dieser Ansatz könnte genutzt werden, um Zellen zu verjüngen. Das Problem:
Einzelne Zellen lassen sich im Labor leicht verjüngen, ein ganzer
Organismus ist schwieriger. Bei Versuchen mit Mäusen entwickelten die Tiere
unter anderem bösartige Tumore. Fast schien es, als würde sich ihr Körper
mit aller Macht gegen die Verjüngungskur wehren.
## Reparieren, aufbauen, austauschen
Auf den einzelnen Baustellen des Alterns ist die Medizin schon weiter, etwa
beim Thema Muskelschwund. Die Muskelkraft lässt im Alter deutlich nach:
Menschen, die älter als 70 Jahre sind, verlieren pro Jahr etwa drei
Prozent. Daher kann ein längerer Krankenhausaufenthalt, verbunden mit
Bettruhe, vielen alten Menschen zum Verhängnis werden. Ohnehin geschwächte
Patienten kommen dann kaum noch „auf die Beine“.
Forscher suchen deshalb nach Medikamenten gegen Muskelschwund. Ein
möglicher Ansatz könnte die mRNA sein. Dazu würden Patienten
Muskelstammzellen entnommen, mit der Genschere CRISPR/Cas9 repariert und
anschließend wieder in den Muskel eingebracht.
In verschiedenen Laborstudien konnten so erfolgreich neue Muskelfasern
gebildet werden. Klinische Studien mit Patienten sollen bald folgen. Unklar
ist bisher, ob Muskeln nicht nur wachsen, sondern auch funktionell
belastbar sind.
Auch bei der Volkskrankheit Alzheimer gibt es inzwischen berechtigte
Hoffnungen auf Medikamente, die den Krankheitsverlauf zumindest
verlangsamen können. Zwei Präparate sind in den USA und Europa bereits
zugelassen, ihre Wirkung ist noch überschaubar, die Nebenwirkungen sind
hoch.
Mittelfristig hoffen die Forscher, die Ablagerungen der beiden Proteine
Amyloid-beta und Tau zu hemmen. Liegen diese in fehlerhafter Form vor,
können sie das Hirn schädigen. Die Präparate könnten somit die Krankheit
frühzeitig stoppen.
## Medizin allein reicht nicht
Einen Schritt weiter ist die Medizin bei der Osteoporose, dem
Knochenschwund, der im Alter einsetzt und das Risiko für Knochenbrüche
deutlich erhöht. Die Krankheit entsteht vor allem durch ein Ungleichgewicht
der Zellen, die den Knochen auf- und abbauen – Osteoblasten und
Osteoklasten. Bereits nach der Pubertät nimmt die Zahl der schlechten
Osteoklasten, der Knochenabbauer, zu.
Gängige Medikamente gegen Osteoporose hemmen ihre Bildung, tragen aber
nicht zum Knochenaufbau bei. Mediziner haben herausgefunden, dass leichter
Ausdauersport und Krafttraining die Knochenstärkung unterstützen.
Das Beispiel zeigt: Medizin allein rettet uns nicht. „Man schätzt, dass
unsere Gene 10 bis 25 Prozent unseres Alterungsprozesses beeinflussen.
Mindestens genauso wichtig sind die Lebensumstände und das Zusammenspiel
von Genen und Lebensstil“, erklärt Gosch, Chefarzt der Klinik für Innere
Medizin.
## Gesundheit im Alter ist anstrengend
Die älteste Deutsche, die 113-jährige Charlotte Kretschmann, erzählt in
Interviews stets von ihrem sehr aktiven Leben. Sie gehe bei Wind und Wetter
spazieren, auch Sport treibe sie bis heute. Außerdem habe sie schon als
Kind ein glückliches und erfülltes Leben gehabt. Neben Glück und Bewegung
haben Forschende noch andere Faktoren für ein gesundes Altern ausgemacht.
Laut Gosch hilft ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung mit viel
Gemüse und Obst. Zu viel Fast Food, Alkohol und Nikotin sind tabu. Außerdem
sollte man sein Gehirn regelmäßig fordern, neugierig bleiben, immer wieder
Neues lernen, Freundschaften pflegen und bis ins hohe Alter Bücher lesen.
Auch hier ist die 113-jährige Charlotte Kretschmann ein Vorbild: Sie sei
stets wissbegierig und an der Welt interessiert, die Gespräche mit ihren
Enkelkindern hielten sie geistig fit. Und ihr Verstand, sagt sie,
funktioniere zu 150 Prozent.
21 Nov 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Birk Grüling
## TAGS
Gesundheit
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