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# taz.de -- Spionage-Serie „Spy/Master“: Ein liebender Agent
> Jeder hintergeht jeden, alle verfolgen ihre eigene Agenda und Vertrauen
> ist tödlich. Klingt nach Klischee, aber „Spy/Master“ wiegt das geschickt
> auf.
Bild: Frank Jackson (Parker Sawyers) (links) und Victor Godeanu (Alec Secărean…
Geheimagent*innen so weit das Auge reicht – der Boom von
Spionagegeschichten, die über unsere Bildschirme flimmern, reißt nicht ab
und folgt dabei dem immer gleichen Muster. Denn viele Produktionen aus
diesem Bereich, die im laufenden Jahr zu sehen waren, setzten auf modernen,
mitunter auch futuristischen Hightech-Schnickschnack und viel Action, von
„The Night Agent“ und „Citadel“ bis „Special Ops: Lioness“ oder „…
Hole“.
Doch dann gibt es zum Glück auch noch die anderen Serien, jene, die mittels
des Genres auch – mal mehr und mal weniger historisch korrekt – von der
Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen wissen. Der Trend, losgetreten
schon vor einigen Jahren durch „The Americans“ und „Deutschland 83“, ist
noch nicht vollkommen abgeebbt. Das beweist „Spy/Master“.
Die von Adina Sădeanu und [1][Kirsten Peters] erdachte Serie spielt im Jahr
1978 und etabliert von Beginn an ihren an die Herkunft der Autorinnen
angelehnten Spagat zwischen Rumänien und Deutschland. Victor Godeanu (Alec
Secăreanu) ist beim Geheimdienst in Bukarest die rechte Hand von Präsident
Nicolae Ceaușescu und regelmäßig in Bonn damit beschäftigt, über den
Freikauf von Rumäniendeutschen durch die BRD zu verhandeln.
Ein treuer Staatsdiener aber ist Godeanu nicht: Nicht nur betreibt er
nebenbei ziemlich unverfroren florierenden Handel mit Schmuggelware,
sondern ist auch noch als Spitzel für den KGB im Einsatz. Und seit Neustem
steht er obendrein im regen Austausch mit dem in der deutschen Hauptstadt
stationierten US-Agenten Frank Jackson ([2][Parker Sawyers]), in der festen
Absicht, zu den Amerikanern überzulaufen.
Seinen Plänen steht aber vieles im Weg. Spionagekollegin Carmen ([3][Ana
Ularu]) wurde auf ihn angesetzt, denn Zuhause ist man Godeanus Treiben
längst auf der Spur. Und dort leben auch noch seine jugendliche Tochter
Ileana (Alexandra Bob) und Noch-Ehefrau Adela (Andreea Vasile). In Bonn
flammt derweil Godeanus frühere Affäre mit der westdeutschen
Ministeriumsmitarbeiterin Ingrid ([4][Svenja Jung]) wieder auf, die
inzwischen für die Stasi im Einsatz ist. Beim KGB wird man ebenfalls
hellhörig, und überhaupt ist der Deal mit den Amerikanern längst keine
abgemachte Sache, denn Jackson spielt selbst nicht unbedingt immer mit
offenen Karten.
## Diktator als Serienfigur
Jeder hintergeht jeden, alle verfolgen ihre eigene Agenda und Vertrauen
kann tödlich sein. Das klingt nach allzu oft gesehenen Klischees. Doch
Sădeanu und Peters gelingt es, daraus eine dichte, in sich größtenteils
stimmige und über weite Strecken spannende Story zu stricken, die natürlich
auch davon profitiert, dass man Rumänien als Player in diesem sonst vor
allem von CIA, MI6 und KGB dominierten Genre bislang kaum kennt.
Ob es dafür wirklich nötig war, mit Ceaușescu und seiner keinen Deut
weniger kaltblütigen Ehefrau Elena reale Personen, zumal einen Diktator,
als Serienfiguren auftreten zu lassen, bleibt aber fraglich. Eine
glaubhafte Einbettung in den historischen Kontext rund um die
Camp-David-Verhandlung um Frieden im Nahen Osten wäre jedenfalls auch ohne
sie möglich gewesen.
Regisseur Christopher Smith inszeniert den Kalten Krieg hier nicht over the
top wie Ian Fleming mit seinem James Bond. Stattdessen hält er sich viel
mehr an den realistischen Stil von John Le Carré („Der Spion, der aus der
Kälte kam“). Inklusive Observationen, abgehörten Telefonaten und heimlichen
Treffen. In der ersten Hälfte von „Spy/Master“ gerät das packend und
perfekt getimed. Aber dann gerät die Serie ein wenig ins Trudeln. Ein
halbherzig entwickelter Subplot um Ingrids ägyptische Hausangestellte
(Amira El Sayed), die allzu frühe vermeintliche Sicherheit für Godeanu in
der US-Botschaft: Das stört die Spannung.
Gleichwohl wiegt Hauptdarsteller Alec Secăreanu das spielend wieder auf.
Der aus Bukarest stammende Schauspieler wurde international mit seiner
Rolle in der fantastischen schwulen Liebesgeschichte „[5][God’s Own
Country]“ von Francis Lee bekannt und war seither als Gangster in Serien
wie „Baptiste“ oder „Happy Valley“ zu sehen. Hier nun ist er liebender
Vater und gleichermaßen skrupelloser Taktiker, ein unzuverlässiger Erzähler
des eigenen Narrativs. Als dieser schwer durchschaubare Antiheld entfaltet
er endlich wieder die ganze mehrsprachige Bandbreite seines Könnens und
Charismas.
15 Nov 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Patrick Heidmann
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