| # taz.de -- „Sherlock“-Trilogie in der ARD: Der Meister beißt auf Kryptonit | |
| > Geschwächter Held, weite Reisen, starker Inhalt: Das Erste zeigt endlich | |
| > die vierte Staffel der britischen Serie „Sherlock“. | |
| Bild: Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) ermittelt meist in London, doch in… | |
| Nichts entgeht diesem Mann. Stets hat er präzis das Wissen parat, das | |
| situationsbedingt erforderlich ist. Sein Scharfsinn macht [1][Sherlock | |
| Holmes zu einer Art Superheld]. Ausgestattet mit Kräften weit jenseits des | |
| Durchschnitts. Man bewundert ihn dafür. | |
| Andererseits sind Superhelden die größten Langweiler. Man weiß, dass ihnen | |
| nichts geschehen kann. Aus diesem Grund wurde das Kryptonit erfunden. | |
| Sherlock Holmes ([2][Benedict Cumberbatch]) kommt sogar mit einem Mord | |
| davon. Weil Sherlock so wichtig ist für Britanniens Sicherheit, manipuliert | |
| sein Bruder Mycroft (gespielt von Koautor Mark Gatiss) die Videoaufnahmen, | |
| die zeigen, wie Sherlock den Medienmagnaten Charles Magnussen (Lars | |
| Mikkelsen) niederschießt. Das Verbrechen, mit dem 2014 die dritte Staffel | |
| der Serie „Sherlock“ endete, wird kaschiert und auf ewig unter dem Mantel | |
| der Verschwiegenheit begraben. | |
| Nicht verborgen bleibt der Öffentlichkeit hingegen, dass Dr. John Watson | |
| (Martin Freeman) und die ihm angetraute Mary (Amanda Abbington, bis 2016 | |
| tatsächlich Freemans Ehefrau) Eltern werden und Sherlock zum Paten ihres | |
| Sprosses berufen. Eine Verpflichtung, der der Meisterdetektiv von der | |
| Borderline wenig Verständnis entgegenbringt. Selbst am Taufbecken betätigt | |
| er eifrig die Tastatur seines Smartphones, notfalls hinter seinem Rücken. | |
| Was Hendrix an der Gitarre, ist Sherlock am Handy. | |
| ## Abenteuer in Marokko | |
| Ein paar Kriminalrätsel löst Sherlock mit Leichtigkeit vom Lehnsessel aus. | |
| Dann trägt ihm Detective Inspector Lestrade (Rupert Graves) einen Fall an, | |
| der immerhin einen Hausbesuch nötig macht. Die Angelegenheit bereitet | |
| Sherlock keine Probleme – Scotland Yards einst führende Kriminaltechniker | |
| hätte eigentlich auch drauf kommen können –, aber etwas lenkt ihn ab: Auf | |
| dem Margaret-Thatcher-Schrein des Hausherrn fehlt eine Büste der | |
| verstorbenen Premierministerin. Die Skulptur wurde vom Tisch gewischt. Als | |
| eisern galt die Lady zu Zeiten ihrer Regentschaft in der Downing Street, | |
| als Keramik aber ward sie verletzlich. Nun ist sie am Boden zerstört. | |
| Damit beginnt eine Serie abenteuerlicher Ereignisse, die Sherlock und Dr. | |
| Watson bis nach Marokko führen werden, mit dramatischen Auswirkungen auch | |
| auf die Inhalte der folgenden zwei Filme dieser Staffel. | |
| Die Freundschaft zwischen Sherlock Holmes und Dr. Watson gerät in eine | |
| schwere Krise. Das ist Sherlocks Kryptonit, und es macht den Zyklus aus | |
| [3][drei abendfüllenden Fernsehfilmen wieder spannender als einige der | |
| zurückliegenden Episode]n. Wenn die Autoren nur Sherlocks imposante | |
| geistige Kapazitäten ausspielen, gerät die Erzählung, trotz der | |
| geschliffenen und gewitzten Dialoge und inszenatorischen Finessen, mit der | |
| Zeit ein wenig eintönig. | |
| ## Ohne Überraschung, aber mit Witz | |
| Zuletzt fehlte es bisweilen an Überraschungsmomenten, am Unerwarteten, an | |
| emotionaler Tiefe. Zudem: Wenn Sherlock auftrumpft, hat die Zuschauerschaft | |
| keine Chance. Der Hochgeschwindigkeitsdenker weiß Indizien und Hinweise zu | |
| deuten, weil die Autoren es so wollen. Alle übrigen verzweifeln daran, | |
| Sherlocks Erkenntnisse nachzuvollziehen. Sie fallen ihm einfach zu. Das hat | |
| oft etwas Beliebiges. | |
| Mit der vierten Staffel gelang es den Serienschöpfern und Autoren Steven | |
| Moffat und Mark Gatiss, diese Handicaps zu überwinden, indem sie Figuren | |
| aus dem Freundes- und Verwandtenkreis stärker in die Intrige verwickelten | |
| und in einer Form Tragik zuließen, die an die oft erzählerisch radikale und | |
| verstörende britische Agentenserie „Spooks – Im Visier des MI5“ erinnert. | |
| Geschildert werden Vorgänge, bei denen sogar ein Sherlock Holmes, der sich | |
| selbst als „hochfunktionellen Soziopathen“ bezeichnet, gelegentlich seinen | |
| Zynismus verliert. | |
| Der Spaß kommt darüber keineswegs zu kurz. Allein die Sequenz aus dem | |
| zweiten Film, in der Holmes' Vermieterin Mrs. Hudson (Una Stubbs) im | |
| schnittigen Aston Martin durch die Vorstadt prescht, ist das Einschalten | |
| wert. | |
| 4 Jun 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Harald Keller | |
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