| # taz.de -- UN-Lieferkettengesetz für Unternehmen: Ketten ohne Pflichten | |
| > Wieder verhandelt die Weltgemeinschaft über ein Abkommen zu fairen | |
| > Lieferketten. Im aktuellen Entwurf wurden nun Klima- und Umweltauflagen | |
| > gestrichen. | |
| Bild: Versuche, Umweltverpflichtungen im UN-Lieferkettengesetz zu verankern, wa… | |
| Seit Beginn des Jahres haben große deutsche Unternehmen gesetzliche | |
| Sorgfaltspflichten und müssen ihre Lieferkette auf die Einhaltung von | |
| Menschenrechten überprüfen. [1][In der EU verhandeln die Institutionen über | |
| ein ähnliches Gesetz]. Es gibt aber noch ein drittes, globales | |
| Lieferkettengesetz, das weniger bekannt ist. Dabei wird es schon seit neun | |
| Jahren verhandelt. Diese Woche diskutieren Politiker*innen und | |
| Lobbygruppen [2][in der 9. Verhandlungsrunde in Genf] über den dritten | |
| Entwurf des verbindlichen UN-Abkommens zu Wirtschaft und Menschenrechten. | |
| Während das geplante Abkommen langsam auf mehr Zustimmung bei den | |
| UN-Mitgliedstaaten stößt, kritisiert ein breites Bündnis aus Gewerkschaften | |
| und zivilgesellschaftlichen Organisationen Aufweichungen in der aktuellen | |
| Überarbeitung. So wurden unternehmerische Auflagen zu Umwelt und Klima | |
| komplett gestrichen. „Verpflichtungen“ von Unternehmen wurden im Text | |
| ersetzt durch „Verantwortung“. | |
| Große Teile der Zivilgesellschaft fordern außerdem, den Finanzsektor | |
| explizit im Vertrag zu nennen und in die Pflicht zu nehmen. Außerdem soll | |
| Schutz von Betroffenen und deren Zugang zu Recht vertraglich verbessert | |
| werden. Auch Kolumbien, Venezuela und Brasilien forderten einen stärkeren | |
| opferzentrierten Ansatz. | |
| ## Der Geltungsbereich umfasst nun alle Unternehmen | |
| Ein Zusammenschluss afrikanischer Staaten wiederholte in den ersten | |
| Verhandlungstagen die Forderung, den Geltungsbereich des Vertrags auf | |
| multinationale Konzerne zu beschränken, wie es im ursprünglichen Antrag von | |
| 2014 vorgesehen war. Denn gerade bei transnationalen Operationen gäbe es | |
| eine Rechtslücke. Die Staaten befürchteten außerdem, dass Unternehmen sonst | |
| Verantwortung auf Zulieferer abwälzen würden. Die Industrieländer hatten | |
| sich dafür eingesetzt, stattdessen „alle Unternehmen“ zu verpflichten, was | |
| bereits im zweiten Entwurf angenommen wurde. | |
| Die EU argumentierte, der Vertrag würde sonst Menschenrechtsverletzungen | |
| von staatseigenen Unternehmen auslassen. | |
| Seit Beginn der Verhandlungen lehnten die Industrieländer, allen voran die | |
| USA, Australien und die EU, ein verbindliches UN-Abkommen ab und stimmten | |
| 2014 gegen den Antrag, den Südafrika und Ecuador mit Unterstützung von | |
| überwiegend afrikanischen, arabischen und südamerikanischen Staaten | |
| eingebracht hatten. | |
| ## Keine rechtliche Verbindlichkeit wegen der Industrieländer | |
| [3][Die EU boykottierte den Prozess] zunächst, meldete etwa mehrfach | |
| Verstöße gegen Verfahrensregeln. Im Kern argumentierten die EU und andere | |
| Industrieländer, der Prozess doppele bestehende freiwillige Regeln wie die | |
| OECD oder UN-Leitlinien zu Wirtschaft und Menschenrechten. Sie stemmten | |
| sich vor allem gegen die rechtliche Verbindlichkeit des neuen Abkommens. | |
| Auf Druck der Industrieländer wurde dann auch schnell davon abgesehen, | |
| Unternehmen durch das Abkommen direkt völkerrechtlich zu belangen. | |
| Stattdessen sollten Staaten dazu verpflichtet werden, Regelungen für | |
| Unternehmen einzuführen. Auch die Idee eines internationalen | |
| Strafgerichtshofs, um Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen zu ahnden, | |
| war schnell wieder vom Tisch. | |
| Ben Vanpeperstraete von der Menschenrechtsorganisation European Center for | |
| Constitutional Human Rights bedauert, dass die EU kein Verhandlungsmandat | |
| haben will und nicht am Vertragstext mitarbeitet. Gleichzeitig beanspruche | |
| sie im Menschenrechtsrat eine moralische Führungsrolle. In diesem Prozess | |
| um das UN-Lieferkettengesetz „hat sie jedoch nicht diese Führungsrolle | |
| gezeigt, sondern eher das Gegenteil“, sagte Vanpeperstraete der taz. | |
| 26 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /EU-Lieferkettengesetz/!5934620 | |
| [2] https://www.ohchr.org/en/hr-bodies/hrc/wg-trans-corp/session9 | |
| [3] /EU-blockiert-UN-Abkommen/!5534564 | |
| ## AUTOREN | |
| Leila van Rinsum | |
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