# taz.de -- Portugal nach dem Rücktritt Costas: Um der Würde willen | |
> Portugals Präsident muss diese Woche über Neuwahlen entscheiden. Derweil | |
> laufen die Korruptionsermittlungen gegen führende Politiker. | |
Bild: Seit 2015 regierte der Sozialist António Costa. Er führte Portugal aus … | |
Madrid taz | Vorgezogene Wahlen ausrufen oder die derzeitige sozialistische | |
Parlamentsmehrheit mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen? Das | |
muss Portugals Staatschef Marcelo Rebelo de Sousa bis Ende der Woche | |
klären, nachdem der seit 2015 regierende [1][Ministerpräsident António | |
Costa am Dienstag überraschend zurücktrat]. | |
Zuvor durchsuchte die Polizei 40 Anwesen, darunter das Umwelt- und das | |
Infrastrukturministerium sowie die Residenz Costas. Fünf Personen wurden | |
festgenommen, auch Costas Kabinettschef Vítor Escaría, der sozialistische | |
Bürgermeister der südportugiesischen Hafenstadt Sines, sowie drei | |
einflussreiche Geschäftsleute, wie Diego Lacerda Machado, der als „bester | |
Freund Costas“ gilt. | |
Gegen sie, sowie gegen Infrastrukturminister João Galamba und | |
Umweltminister Duarte Cordeiro wird wegen Korruption, Amtsmissbrauch und | |
Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit der [2][Vergabe von Lizenzen zum | |
Lithiumabbau im Norden Portugals] sowie für die Produktion von grünem | |
Wasserstoff in Sines ermittelt. | |
„Im Laufe der Ermittlungen hat sich herausgestellt, dass sich die | |
Verdächtigen auf die Autorität des Ministerpräsidenten berufen haben und | |
dass dieser eingegriffen hat, um Verfahren zu beschleunigen“, zitiert die | |
portugiesische Presse die Staatsanwaltschaft. Dies reichte Costa, um seinen | |
Rücktritt einzureichen. Er werde mit der Justiz zusammenarbeiten, sei | |
unschuldige, wolle aber die Würde des Amtes nicht schädigen, so der | |
Sozialdemokrat. | |
## Europäische grüne Projekte unter der Lupe | |
Der Lithiumabbau in Portugal und [3][die Herstellung von grünem | |
Wasserstoff] gehören zu den wichtigsten europäischen Projekten für eine | |
nachhaltige Zukunft. Im Norden Portugals, an der spanischen Grenze, sollen | |
sich die größten bisher in Europa bekannten Lithiumvorhaben befinden, um | |
die Herstellung von über einer halben Million Batterien für | |
Elektrofahrzeuge „Made in Europe“ zu ermöglichen. Der grüne Wasserstoff | |
soll bald per [4][Pipeline nach Mitteleuropa] gelangen. | |
Portugals Staatspräsident Rebelo de Sousa empfängt am Mittwoch alle | |
Parteichefs und am Donnerstag den Staatsrat – ein beratendes Gremium, in | |
dem unter anderem der Parlamentspräsident und die Chefs der | |
Regionalregierungen vertreten sind. Danach wird er eine Entscheidung | |
fällen. Die meisten Parteien wünschen sich Neuwahlen – nur Costas Partido | |
Socialista (PS) würde gern eine neue Regierung mit dem aktuellen Parlament | |
bilden. | |
## Die Sozialisten brauchen schnell einen Nachfolger | |
Bei Neuwahlen steht die PS vor einem Problem: Sie muss schnell einen | |
Nachfolger suchen. Seit 2015 regiert Costa und er hat die Partei mit seiner | |
sozialen Politik, die Portugal aus dem Rettungsschirm der EU und des | |
Internationalen Währungsfonds führte und so manche Sparmaßnahme aus der | |
Eurokrise zurücknahm, hinter sich geeinigt. | |
Als Nachfolger werden zwei Männer gehandelt. Der eine, | |
Ex-Infrastrukturminister Pedro Nuno Santos, vertritt den linken | |
Parteiflügel, hat aber ein Imageproblem. Er trat im Januar als Minister | |
zurück, nachdem er einem Ex-Mitglied des Vorstands der staatlichen | |
Fluggesellschaft TAP eigenmächtig eine halbe Million Euro als Entschädigung | |
bezahlt und ihm anschließend einen anderen hochdotierten öffentlichen Job | |
zukommen gelassen hatte. | |
Gerade ist er Abgeordneter und genießt als TV-Kommentator eine gewisse | |
Beliebtheit. Der andere ist Wirtschaftsminister Fernando Medina. Er löste | |
Costa schon einmal ab, als dieser das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt | |
Lissabon verließ, um in die nationale Politik zu gehen. Die PS wird einen | |
vorgezogenen Parteitag veranstalten müssen. | |
Ob Costa sich nun um den Vorsitz des Europäischen Rats bewerben wird, hängt | |
wohl direkt vom Verlauf der Ermittlungen ab. | |
8 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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