# taz.de -- Unterwegs im Outback: Im Wilden Westen von Australien | |
> Der Great Northern Highway verbindet Australiens Küstenstädte mit Gold- | |
> und Eisenerzminen. Entlang der Strecke: proletarisch geprägte | |
> Männerwelten. | |
Bild: Der Great Northern Highway zwischen Halls Creek und Fitzroy Crossing | |
Das australische Outback ist vielleicht der glaubhafteste Wilde Westen, der | |
bis heute existiert. Mit dem Leihcamper fahren wir durch die endlose | |
Buschlandschaft [1][in Western Australia], über den Great Northern | |
Highway, auf dem uns Känguruleichen und Trucks begegnen. Alle hundert | |
Kilometer taucht eine Siedlung auf, oft ein Roadhouse, wie die | |
grillfleischlastigen Raststätten heißen, und eine Tankstelle mit ein paar | |
temporären Baracken. | |
Essen und Benzin, die wichtigsten Güter hier. Hat ein Ort tatsächlich | |
Einwohner:innen, haben die Läden eine archaische Optik: Handelsposten, | |
eine Telegrafenstation aus dem 19. Jahrhundert, ein winziges Kino mit | |
handbemaltem Schild und Internetcafés, so wie in den 2000ern. | |
Die einsame Straße erfüllt nur einen Zweck: Sie verbindet die zahllosen | |
Minen mit den Küstenstädten. Goldminen, Eisenerzminen, Kohleminen, vielfach | |
leben die Arbeiter im Fly-in-fly-out-Modus: In Mehrwochenschichten, wie auf | |
einem Schiff. Der Region gibt das eine eigenwillige Atmosphäre. In den | |
Roadhouses begegnen wir fast nur Truckern und Minenarbeitern, die Orte | |
behalten einen Hauch von Goldrausch. Kleine Siedlungen als reine | |
Männerwelt, bis auf die Frauen hinter der Bar, oft junge Migrantinnen. Dass | |
der gerade in den USA gestartete [2][Film „The Royal Hotel“] dieses | |
Szenario zu einem sexismuskritischen Horrorfilm verarbeitet, hat eine | |
Grundlage. Gleichzeitig bieten die Gesprächsfetzen der Männer einen Zugang | |
in ein proletarisches Australien. | |
Indigene Communitys sind weniger sichtbar. Oft liegen sie am Ende staubiger | |
Pisten weit weg vom Highway, teilweise durch Zugangsscheine vor | |
rassistischer Neugierde geschützt. Ausnahmen gibt es. Mount Magnet hat | |
einen hohen indigenen Bevölkerungsanteil. Achtzig Prozent seien es, erklärt | |
die Frau im indigenen Kunstcenter. Sie verkauft Aboriginalkunst an | |
Durchreisende; viele lokale Künstler:innen hätten dadurch ein Auskommen. | |
## „Viele Vorfahren haben am Meer gelebt.“ | |
Die Verkäuferin ist weiß, die Kunstwerke in traditionellem Stil. Und es ist | |
schwer, das Projekt einzuschätzen. Ein Kunsthaus, das der indigenen | |
Gemeinschaft selbst gehört und ihre Kultur bewahrt, das klingt gut. Dass | |
eine weiße Frau die Kunst erklärt, dass der Stil eher einförmig ist, gibt | |
ihm einen Hauch von Panflötenmusik. | |
Auf den Bildern sehe man Szenen, die die Menschen mit ihren Vorfahren | |
verbinden, sagt die Verkäuferin: Jagdszenen. Meerestiere. Meerestiere? | |
„Viele Vorfahren haben am Meer gelebt.“ Ob die Menschen freiwillig, als | |
Vertriebene oder auf Jobsuche nach Mount Magnet kamen, bleibt unerzählt. | |
Auf der Website des Centers findet sich, dass eine der am Meer geborenen | |
Künstlerinnen [3][zur Gestohlenen Generation] gehört. Manches bleibt | |
unausgesprochen am Great Northern Highway. | |
5 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /An-der-australischen-Westkueste/!5962053 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=wxlNVg4TZjE | |
[3] /Entschaedigungen-fuer-Aborigines/!5791982 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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