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# taz.de -- Lage im Westjordanland: Luftangriff und hunderte Festnahmen
> Israel geht gegen Militante im Westjordanland vor. Insgesamt wurden dort
> rund 90 Palästinenser binnen zwei Wochen getötet – auch durch
> Siedlergewalt.
Bild: Gebet für zwei Männer, die bei einem israelischen Luftangriff getötet …
Jerusalem taz | Die israelische Armee hat ihre Angriffe gegen militante
Gruppen im Westjordanland ausgeweitet. In der Nacht zu Sonntag zerstörte
ein Luftangriff nach israelischen Angaben ein „Kommandozentrum“ der
radikalislamischen Hamas und des Islamischen Dschihad (PIJ) unter der
Al-Ansar-Moschee im Flüchtlingslager von Dschenin. Dabei wurden laut dem
Palästinensischen Roten Halbmond mindestens zwei Menschen getötet und
mehrere verletzt.
Angehörige von Hamas und PIJ sollen die Anlage zur Planung eines
„umittelbar bevorstehenden Terrorangriffs“ genutzt haben, erklärten die
Armee und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet. Die Bombardierung schürt die
Sorge vor einer weiteren Eskalation der Gewalt im von Israel besetzten
Westjordanland im Schatten des Kriegs in Gaza und an der Grenze zum
Libanon.
„Wir haben befürchtet, dass den Luftangriffen ein Einmarsch mit
Bodentruppen folgt, aber das ist bisher nicht passiert“, sagt Mustafa
Sheta, der Manager des Kulturzentrums Freedom Theater im Flüchtlingslager
von Dschenin gegenüber der taz am Telefon. Dennoch seien alle Schulen und
viele Läden geschlossen, die Menschen würden zu Hause bleiben und abwarten.
In dem Camp leben rund 14.000 Menschen auf einem halben Quadratkilometer.
„Es ist das erste Mal seit dem Ausbruch der Kämpfe zwischen Israel und der
Hamas am 7. Oktober, dass uns [1][der Krieg in Gaza] so nahe kommt“, sagte
Sheta.
Nachdem Hamas-Terroristen bei ihrem Überfall vor gut zwei Wochen mehr als
1.400 Menschen töteten und mehr als 200 Geiseln verschleppten, führen
israelische Sicherheitskräfte auch im Westjordanland verstärkt Razzien
durch. Rund 90 Palästinenser wurden nach Angaben des palästinensischen
Gesundheitsministeriums seit Kriegsbeginn getötet, mehr als 700 der Armee
zufolge festgenommen. Davon sollen rund 500 zur Hamas gehören.
80 Prozent wollen Abbas loswerden
Die palästinensische Gefangeneninitiative Addameer spricht von mehr als
1.000 Festnahmen. Zudem werden rund 4.000 Arbeiter aus Gaza, die sich zum
Zeitpunkt des Angriffes in Israel aufhielten, laut israelischen
Medienberichten von Behörden für Befragungen festgehalten. Vor
Kriegsausbruch befanden sich der Organisation zufolge bereits rund 5.200
Palästinenser in israelischen Gefängnissen.
Viele im Westjordanland seien angesichts der zunehmenden Einsätze der Armee
und der zunehmenden Gewalt extremistischer Siedler tief besorgt, sagt
Theaterdirektor Sheta. „Alle fragen sich: Was kommt als nächstes?“ Viele
würden eine Verschlechterung der Lage erwarten. „Es gibt aber auch Stimmen,
besonders unter jüngeren Menschen, die sagen: Es ist gut, dass die graue
Zeit vorbei ist, und die Fronten klar sind.“
Wer in diesen Tagen ein Gegengewicht zum Terror der Hamas vom Präsident der
Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas, erwartet, wird
enttäuscht. Seine Behörde hatte schon zuvor so sehr an Ansehen unter den
Palästinensern verloren, dass manche ihn spöttisch als den „Bürgermeister
von Ramallah“ bezeichnen.
Die PA gilt vielen als korrupt und undemokratisch. Die Tatsache, dass sie
seit langem im Rahmen einer Sicherheitskooperation mit Israel
zusammenarbeitet, bringt ihr zudem viel Kritik ein, vor allem bei jungen
Palästinensern. Umfragen zufolge wünschen sich rund 80 Prozent eine
Absetzung von Abbas.
PA-Polizei kontrolliert nur ein Fünftel des Westjordanlands
Der 87-Jährige steckt in einer Zwickmühle: Er will weder die großen
internationalen Hilfszahlungen verlieren, noch sich zu deutlich gegen die
Aktion der Hamas stellen. Erst nach mehr als einer Woche [2][kritisierte er
laut der Nachrichtenagentur Wafa, die Taten der Hamas würden „nicht das
palästinensische Volk repräsentieren.“] Die Äußerungen wurden jedoch spä…
wieder aus dem Bericht entfernt.
Viele würden sich zudem nicht durch die Sicherheitsbehörden der PA
angesichts zunehmender Angriffe durch bewaffnete Siedler geschützt fühlen,
sagt der Direktor der Palästinensischen Koalition für Frieden, Nidal
Foqaha, aus Ramallah am Telefon. Seit dem 7. Oktober mehren sich Berichte
über von Siedlern getötete Palästinenser. Da sich die Zuständigkeit der
PA-Polizei ohnehin nur auf etwa ein Fünftel des Westjordanlands beschränkt,
hätten viele Palästinenser außerhalb dieser Zonen im Zweifel niemanden, der
sie vor solchen Überfällen schützen könne.
Die [3][Massenproteste von Palästinensern vergangene Woche] in Ramallah,
Hebron, Bethlehem und anderen palästinensischen Zentren würden sich daher
nicht nur gegen israelische Luftangriffe auf Gaza richten, sondern auch
gegen die eigene Führung. „Die meisten Straßen im Westjordanland sind seit
mehr als zwei Wochen für Palästinenser geschlossen“, sagt Foqaha. „Die
Menschen sind frustriert und angespannt, diese Mischung kann sich schnell
in Gewalt entladen.“
22 Oct 2023
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## AUTOREN
Felix Wellisch
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