| # taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Sozialarbeit gegen Antisemitismus | |
| > Statt sich an Verbalradikalismus zu ergötzen sollten Linke konkrete | |
| > Kämpfen unterstützen – und die Beschäftigten in der sozialen Arbeit | |
| > unterstützen. | |
| Bild: Soziale Arbeit wird oft als selbstverständlich hingenommen | |
| Viele Linke gehen dieser Tage mal wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nach: | |
| Sie zerfleischen sich selbst. Seit die Bilder von den abscheulichen | |
| Massakern der Hamas um die Welt gehen, ist der alte Streit über den | |
| Nahostkonflikt neu entflammt. Oftmals wird dabei offenbar versucht, die | |
| anderen mit Verbalradikalismus zu übertrumpfen, bis nur noch | |
| Menschenverachtung übrig bleibt. | |
| Da dichten die einen schon mal die Kriegsverbrechen einer Horde | |
| islamistischer Terroristen in einen angeblichen „Befreiungskampf“ um – und | |
| offenbaren damit die eigene völlige moralische Verwahrlosung. Andere | |
| reagieren allerdings mit einer bedingungslosen Solidarisierung mit Israels | |
| rechtsextremer Regierung, deren Bomben schon jetzt Tausende Unschuldige | |
| getötet und Hunderttausende vertrieben haben. Den humanistischen | |
| Minimalkonsens, dass das Töten von Zivilist:innen nie okay ist, haben | |
| beide Extreme dieser Debatte aus dem Fenster geworfen. | |
| Diese Positionen sind zudem ein Hohn auf die Kämpfe progressiver Menschen | |
| vor Ort, die seit Jahren versuchen, die Gewaltspirale zu durchbrechen. Um | |
| über diese Perspektiven zu informieren, hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein | |
| Gespräch mit den Leiter:innen der Stiftungsbüros in Tel Aviv (Israel), | |
| Ramallah (Palästina) und Beirut (Libanon) organisiert. Unter dem Titel | |
| [1][„Gegen die Logik der Gewalt“] sollen differenzierte Standpunkte | |
| verständlich werden. Eine [2][vorherige Anmeldung] ist erforderlich | |
| (Donnerstag, 19. Oktober, 18 Uhr, Straße der Pariser Kommune 8a). | |
| ## Antisemitismus in der Linken | |
| Die blind pro-palästinensichen Reaktionen einiger Linker zeugen von der | |
| dringenden Notwendigkeit, sich mit dem Antisemitismus im eigenen Denken | |
| auseinander zu setzen – und diesen überhaupt erst zu erkennen. Am Dienstag | |
| (17. Oktober) informiert ein Vortrag von [3][Tom David Uhlig] im Rahmen der | |
| Kritischen Einführungswoche an der Humboldt Universität darüber, [4][warum | |
| auch linkes Denken nicht vor Ressentiments gegen Jüd:innen geschützt ist] | |
| (Ziegelstraße 4, 18 Uhr). | |
| Anstatt in diesem Krieg einer der zwei bewaffneten Seiten zuzujubeln, wären | |
| Linke besser damit beraten, sich in Deutschland auf eine Bekämpfung der | |
| hässlichen Begleiterscheinung dieses Krieges zu fokussieren. Heißt konkret: | |
| Sich schützend vor jüdische und muslimische Menschen stellen, die nun | |
| verstärkt von antisemitischen bzw. rassistischen Übergriffen betroffen | |
| sind. | |
| Das heißt aber auch, die soziale Infrastruktur zu unterstützen, die die | |
| Auswirkungen des Krieges auffängt. Denn natürlich macht es mehr Sinn, in | |
| sozialer Jugendarbeit Neuköllner Kids mit Verbindungen nach Palästina | |
| Perspektive zu verschaffen und mit ihnen über Antisemitismus und den | |
| Nahostkonflikt zu sprechen, als – wie Bildungssenatorin Busse – | |
| Kufyia-Tücher und den Spruch „Free Palestine“ an Schulen verbieten zu | |
| wollen und damit die palästinensische Identität zu kriminalisieren. Wie | |
| immer wird Law-and-Order-Logik soziale Probleme auch hier nur verschärfen, | |
| nie nachhaltig lösen. | |
| ## „We fight because we care“ | |
| Doch die Beschäftigten der sozialen Arbeit brauchen Unterstützung. | |
| Schlechte Bezahlung, befristete Beschäftigungsverhältnisse, Überlastung und | |
| eine mangelhafte sowie unsichere Finanzierung der Projekte gehören zum | |
| Alltag. Das liegt auch daran, dass Arbeitskampf in der sozialen Arbeit | |
| keine Tradition hat. Lange konnten Arbeitgeber:innen die Beschäftigten | |
| mit der Abhängigkeit ihrer Klient:innen von ihrer Arbeit erpressen. | |
| Dabei ist soziale Arbeit Care- und Reproduktionsarbeit, die das Rückgrat | |
| dieser Gesellschaft bildet: In Nachbarschafts- in Jugendzentren, der | |
| Obdachlosen- und Suchthilfe, in Schulen oder in Familienplanungszentren. | |
| Nun sind die Missstände jedoch so groß geworden, dass sich Widerstand regt. | |
| Auch im Vorfeld der im Herbst stattfindenden Verhandlungen über den | |
| Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) mehren sich | |
| unter den Beschäftigten die Stimmen, die in die Offensive gehen wollen. Den | |
| Erpressungsversuchen ihrer Arbeitgeber schleudern sie entgegen: „We fight | |
| because we care!“ – und treten damit in die Fußstapfen der Berliner | |
| Krankenhausbewegung. Gleich zwei Demonstrationen machen kommende Woche auf | |
| die Situation in der sozialen Arbeit aufmerksam. | |
| Den Auftakt macht am Donnerstag (19. Oktober) ein Bündnis von weit über 30 | |
| sozialen Trägern. Unter dem Motto [5][„Vallah, es reicht!“], wollen sich | |
| die betroffenen Jugendlichen und Beschäftigten am Anhalter Bahnhof treffen, | |
| um von dort zum Abgeordnetenhaus zu ziehen. Am Samstag (21. Oktober) zieht | |
| dann das [6][Solidaritätsbündnis Soziale Arbeit] - ein Zusammenschluss aus | |
| Gewerkschaften, Solitreffs von Beschäftigten und linken Initiativen – zum | |
| Roten Rathaus. Startpunkt hier ist um 14 Uhr am Rosenthaler Platz, | |
| [7][Brunnenstraße Ecke Veteranenstraße.] | |
| ## Antifa heißt Gegenwehr | |
| Am Samstagabend können Antifaschist:innen dann noch einen Abstecher | |
| ins Berliner Umland machen, nach Teltow, wo sich Nazistrukturen | |
| breitmachen. [8][Im Aufruf] einer [9][örtlichen Antifa-Gruppe] heißt es, in | |
| Teltow hätten sich Szene-Treffs etabliert, außerdem würden die AfD und die | |
| verschwörungsideologischen „[10][Freiheitsboten“] in der Region ihr Unwesen | |
| treiben. Drei Neonazis hätten zudem im September versucht, einen | |
| Antifaschisten am Bahnhof Teltow mit einem Teleskopschlagstock zu | |
| überfallen. | |
| Am Sonntag (22. Oktober) ruft die [11][Antifa Falkensee] schließlich dazu | |
| auf, einen Vortrag von [12][Daniele Ganser], „Einstiegstheoretiker des | |
| Verschwörungs- und Querdenkerspektrums“, in der Stadthalle Falkensee zu | |
| stören. Ganser mische berechtigte Kritik an Kapitalismus und Militarismus | |
| mit Verschwörungserzählungen, [13][heißt es im Aufruf] – sodass zum Vortrag | |
| die übliche „Melange aus Verschwöhrungsideolog*innen, BASIS und rechten | |
| Friedensfreunden aus dem AfD-Spektrum“ erwartet wird. Die | |
| Organisator:innen rufen dazu auf, sich bunt zu kleiden (S-Bahnhof | |
| Falkensee, 17 Uhr). | |
| 17 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/75EGH/linke-stiftungsarbeit-… | |
| [2] https://info.rosalux.de/#Buchung/75egh | |
| [3] /Lehrstuhl-vor-dem-Aus/!5765960 | |
| [4] https://stressfaktor.squat.net/node/298523 | |
| [5] https://ljrberlin.de/vallah-es-reicht-unkuerzbar-demo | |
| [6] https://sozialbuendnis.noblogs.org/ | |
| [7] https://sozialbuendnis.noblogs.org/demonstration/ | |
| [8] https://asanb.noblogs.org/?event=keine-homezone-fuer-nazis-rechte-strukture… | |
| [9] https://www.instagram.com/p/CyELnRHsiIb/ | |
| [10] /Coronaproteste-in-Brandenburg-und-Berlin/!5822395 | |
| [11] http://www.instagram.com/afa.fks | |
| [12] /Verschwoerungsguru-Ganser-in-Muenchen/!5627768 | |
| [13] https://asanb.noblogs.org/?event=daniele-ganser-co-raus-aus-der-stadthalle | |
| ## AUTOREN | |
| Timm Kühn | |
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