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# taz.de -- Serbische Arbeitnehmer in Backnang: Bauarbeiter kämpfen um ihren L…
> Knapp drei Monate arbeiten zwölf serbische Männer auf einer Baustelle in
> Baden-Württemberg. Am Ende fehlen ihnen 25.000 Euro. Kein Einzelfall.
Bild: Viele Bauarbeiter aus Osteuropa haben Probleme, wenn sie über Subunterne…
Backnang taz | Drei Mehrfamilienhäuser aus Holz, große Fenster, Balkone.
Grüne Innenhöfe, Solaranlage auf dem Dach. So soll das neue Wohnquartier in
Backnang, einem kleinen Ort in der Nähe von Stuttgart, einmal aussehen.
Noch befindet sich die Wohnanlage, die in Unterstützung mit dem Landkreis
gebaut wird, mitten im Bau. Mitte 2024 sollen die ersten Mieter*innen
einziehen können.
Auf Fotos ist der Ist-Zustand vom April zu sehen: Das Fundament ist
ausgehoben, Stahlgitter und -stäbe werden aufgebaut, um die Betonmauern zu
stärken. Die Fotos haben der taz zwei Arbeiter geschickt, die zu einer
Gruppe von zwölf Männern aus Serbien gehören, die von März bis Mai auf der
Baustelle gearbeitet haben – aber nur einen Teil ihres Lohns erhalten
haben. Ein Beschäftigter hat für April kein Geld bekommen. Alle zwölf
warten noch auf ihren Lohn für Mai. Fast 25.000 Euro stehen den zwölf
Männern zu, doch die ebenfalls serbische Firma Idealbau, bei der sie
beschäftigt waren, zahlt nicht. Idealbau wurde von der Firma Wurster aus
dem baden-württembergischen Grafenberg beauftragt, die wiederum vom
Generalunternehmer, der Firma Geiger, die in Bayern sitzt. Niemand zahlt.
Idealbau sitzt in Belgrad, der Hauptstadt von Serbien. Ivica M. und Marko
N. bewerben sich auf eine Stellenanzeige der Firma, bekommen den Job,
erfahren erst dann, dass sie in Deutschland arbeiten sollen. „Ich habe in
Serbien auch auf dem Bau gearbeitet“, sagt Ivica M. „Ich dachte, dass ich
in Deutschland besser verdiene“ – also ist er einverstanden. Vier Wochen
muss er auf die Aufenthaltsgenehmigung warten, erzählt er – Serbien gehört
nicht zur Europäischen Union. Am 6. März startet M. dann als Bauleiter auf
der Baustelle in Backnang.
Für Marko N. geht es am 20. März los. Er ist Tischler und kümmert sich um
die Holzarbeiten. Zusammen mit den anderen zehn Männern aus Serbien leben
sie in Privatunterkünften, die der Arbeitgeber bezahlt. Zu zweit oder zu
dritt wohnen sie in einem Zimmer – für Verhältnisse auf dem Bau noch ganz
angenehm. Die Baustelle gehört zum Areal des ehemaligen Kreiskrankenhauses.
Heute stehen dort Wohnungen. 2022 wurde das Parkhaus abgerissen – für 48
öffentlich geförderte Wohnungen.
## Zoll sieht sich nicht zuständig
Verabredet ist, dass Marko N. und die meisten seiner Kollegen 12 Euro pro
Stunde erhalten. Ivica M. soll als Bauleiter 15,70 bekommen. Bezahlt werden
soll am letzten Tag des Monats. Am 18. Mai endet der Auftrag der zwölf ganz
plötzlich: Sie werden morgens angerufen, der Chef sagt ihnen, sie sollen
ihre Sachen von der Baustelle holen und gehen. Geld bekommen sie für Mai
keines. Sie fragen nach, auch telefonisch beim Chef, mehrmals. „Der hat
jedes Mal gesagt, dass das Geld überwiesen wird“, sagt Ivica M. Doch es
kommt nichts.
Über Kollegen finden sie heraus, wer in Deutschland für die Kontrolle von
Baustellen zuständig ist: [1][der Zoll]. Also fahren sie hin und schildern
ihren Fall. Sie hoffen zumindest Geld für ihre Rückfahrt zu bekommen. Doch
dort verweist man sie an die Faire Mobilität, eine Beratungsstelle des
Deutschen Gewerkschaftsbundes für Arbeiter aus Ost- und Mitteleuropa.
Die kennt solche Fälle zuhauf. In den vergangenen zehn Jahren hat die Zahl
der Beschäftigten im [2][Bauhauptgewerbe] stetig zugenommen, vor allem dank
Arbeitern aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Bosnien und Kroatien.
Sie stellen heute etwa ein Drittel der 928.500 im Bauhauptgewerbe
Beschäftigten. Sie arbeiten meist für eine kleine Firma am Ende einer
langen Subunternehmerkette.
Die Faire Mobilität berät Menschen im Gastgewerbe, in der Fleischbranche,
[3][Lkw-Fahrer]. Doch die meisten, die eine ihrer Beratungsstellen
aufsuchen, arbeiten auf dem Bau: 977 waren es im Jahr 2022. Meistens ging
es dabei um zu wenig oder gar keinen Lohn. Oft wird der verpflichtende
bezahlte Urlaub nicht gewährt, und häufig geht es auch um die Qualität der
Unterkünfte.
## Streit zwischen den Firmen?
Für die Arbeiter in Backnang ist Šejla Vojić zuständig, sie sitzt in
Stuttgart und spricht selbst Serbisch. Sie wandte sich an Idealbau, wo es
hieß, die Firma Wurster habe die Rechnungen noch nicht bezahlt. Wurster
wiederum verwies direkt an den Firmenanwalt, der versprach, die Arbeiter
würden ihr Geld bekommen. Dann hörte Vojić nichts mehr von ihm. Schließlich
nahm sie auch mit dem Generalunternehmer, der Firma Geiger, Kontakt auf.
Denn: In Fällen, in denen der direkte Auftraggeber für ausbleibende Löhne
nicht zahlt, greift die sogenannte Generalunternehmerhaftung, das heißt,
der Generalunternehmer, hier also die Firma Geiger, muss zahlen. In der
Regel einigen sich die Arbeiter mit Unterstützung der Fairen Mobilität
außergerichtlich mit den beauftragenden Firmen oder den Generalunternehmen.
Die Firma Geiger versichert der Fairen Mobilität Mitte Juli, mit Wurster
die Angelegenheit klären zu wollen. Ende August teilt Geiger Vojić auf
Anfrage mit, die Firma Wurster wolle sicherstellen, dass die Löhne gezahlt
werden. Mitte September, vom Geld keine Spur, deutet ein Mitarbeiter der
Firma Geiger gegenüber der Fairen Mobilität an, die Firma Wurster halte
Zahlungen an Idealbau wohl aufgrund von Baumängeln zurück.
„Wir haben unsere Arbeit gemacht und wollen dafür auch ordnungsgemäß
bezahlt werden“, sagt Ivica M., mittlerweile zurück in Serbien und
arbeitslos. Beraterin Vojić fasst die Problematik zusammen: „Alle sagen,
die Arbeiter bekommen das Geld – aber niemand möchte zahlen.“ Doch das
Gesetz sei eindeutig: Wenn das Subunternehmen nicht zahlt, müsse der
Generalunternehmer den gesetzlichen Mindestlohn zahlen.
## Bald bleibt nur noch die Klage
„Geiger verletzt hier seine grundlegende Verantwortung massiv. Die
Beschäftigten haben jeden Tag auf der Baustelle von Geiger, vor den Augen
des Bauleiters von Geiger, gearbeitet“, sagt Vojić der taz. Außerdem:
Ursache für nicht gezahlte Löhne durch Subunternehmen sei häufig der
Preisdruck, den die Generalunternehmen erst erzeugen.
Für die taz ist die Firma Idealbau nicht zu erreichen. Generalunternehmer
Geiger weist gegenüber der taz die Verantwortung zurück. Eine Sprecherin
sagt, die Firma habe alle Forderungen gegenüber Wurster beglichen. „Die
Problematik liegt derzeit nicht bei der Firma Geiger, sondern
gegebenenfalls bei der Firma Wurster oder Idealbau.“ Eine weitere Nachfrage
zu ihrer Verantwortung laut Generalunternehmerhaftung beantwortet die Firma
nicht. Beim Unternehmen Wurster meldet sich der Chef persönlich am Telefon.
Fragen beantwortet er nur schriftlich und verweist darin auf die
Verantwortung von Idealbau.
Hoffnung macht die Antwort der Kreisbaugruppe: „Uns war nicht bekannt“,
sagt eine Sprecherin, dass serbische Arbeiter von der Firma Idealbau
teilweise nicht bezahlt wurden. Sie betont aber: „Sämtliche Vergaben sehen
auch die Einhaltung und Bezahlung von Mindestlohn vor.“ Die Kreisbaugruppe
werde nun Kontakt zum Generalunternehmer – der Firma Geiger – aufnehmen und
um Stellungnahme beten. Wenn auch das nichts bringt, bleibt den Arbeitern
nur noch der Klageweg.
19 Oct 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Johanna Treblin
## TAGS
Ausbeutung
Arbeitskampf
Serbien
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Transport
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