| # taz.de -- Theater übers Feiern: Nach der Fete ist vor der Fete | |
| > Von Festen, Partys und Techno-Clubs: Fynn Malte Schmidts szenisches | |
| > Projekt „Party in a Nutshell“ am Staatstheater Braunschweig. | |
| Quasselei und Ringelpiez, dazu etwas Rauschmittelkonsum: So unglamourös | |
| beschreibt [1][Fynn Malte Schmidt, in seinem Projekt „Party in a Nutshell“] | |
| das kollektive Erlebnis, mit dem alle Probleme für ein paar Stunden | |
| vergessen werden sollen. Denn die Feten, Feste, Feiern, der Techno-Club-, | |
| Rummelplatz-, Karnevalsbesuch am Wochenende sind für viele Menschen das | |
| Ziel der alltäglichen Plackerei. Vielleicht sogar ihr Sinn. | |
| Zu den Codes diverser Partyrealitäten hat nun Schmidt einiges ironisch | |
| anzumerken. Der [2][Regieabsolvent der Züricher Hochschule der Künste] hat | |
| aber auch Neugier entwickelt, das Phänomen mal locker zu hinterfragen und | |
| an seine ekstasewillige Urkraft zu erinnern. Ein umfangreiches Sujet fürs | |
| performative Assoziieren – im „Aquarium“, der Experimentierbühne des | |
| Staatstheaters Braunschweig. Die erinnert jetzt an Kaffeenachmittage zu | |
| Ehren der freiwilligen Helfer eines Bürgerzentrums. Papierstreifen | |
| schmücken die Lampen, von Oma geerbte Decken und Plastikblumen die Tische, | |
| an denen das Publikum Platz nimmt. | |
| Drei Darsteller:innen spielen typische Party-Erlebnisse. Das verquälte | |
| Begrüßen und Zuprosten, unsicheres Herumstolzieren, schnöseliges Ordern von | |
| Getränken. Es wird auch vor- und mitgesungen, geht aber vor allem darum, | |
| Berührungen, Aufmerksamkeit und Selbstbestätigung zu tanken. Eingestreute | |
| Festreden strotzen vor blöden Witzen, pathetischen Metaphern und peinvoll | |
| persönlichen Danksagungen. Für Aufmerksamkeit sorgt mal ein Lach-, mal ein | |
| Zappelanfall, wohl eine Tanzparodie. Schmidt betont die freudlos verklemmte | |
| Langeweile solcher Abende, bei der Machtverhältnisse nicht geschleift, | |
| sondern bestätigt werden. Aber wollen nicht eigentlich alle das totale | |
| Gegenteil des normierten Alltags feiern, also Chaos und Freiheit? | |
| Schon stürmt ein Schwarzer Block von acht Jugendlichen die Szenerie und | |
| lädt ein, Feierenergie in politische Aktionen umzusetzen. Sind Widerstand, | |
| Aufstand und Revolution nicht die wahre Party? Stattdessen bekommen alle | |
| Besucher:innen ein paar Quadratzentimeter zum Tanzen zugewiesen, um in | |
| den Flow selbstvergessener Zustände zu kommen. Einige wollen gar nicht | |
| aufhören, zugespielte Beats durch ihre Körper fließen zu lassen. | |
| Sie nehmen so die Aussage des Schlussbildes vorweg. Da sitzen die drei | |
| Feierbiester des Staatstheaters im Schlafanzug, schauen entgeistert durchs | |
| Fenster auf die Welt vorm Theater: Nach der Party bedeutet für sie nichts | |
| anderes, als Warten auf die nächste Party. Was mit diesem Bedürfnis möglich | |
| sein könnte, dafür hat Fynn Malte Schmidt einen Denkraum geöffnet. Jens | |
| Fischer | |
| 20 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://staatstheater-braunschweig.de/produktion/party-in-a-nutshell | |
| [2] https://fynnmalteschmidt.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Fischer | |
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