# taz.de -- Nach Würdigung von SS-Mann in Kanada: Holocaustverharmlosung bei S… | |
> Ein Kommentator schreibt beim Springermedium „Politico“, nicht alle bei | |
> der SS seien Nazis gewesen. Das ist gefährlich – und hilft am Ende nur | |
> Putin. | |
Bild: Jaroslaw Hunka im kanadischen Parlament | |
Am 2. Oktober erschien bei Politico.eu ein Text mit dem Titel „[1][Gegen | |
die UdSSR zu kämpfen macht jemanden nicht notwendigerweise zu einem Nazi“]. | |
Der britische „Russlandexperte“ Keir Giles geht darin auf die | |
[2][Würdigung von Jaroslaw Hunka] beim Besuch von Wolodimir Selenski im | |
kanadischen Parlament Ende September ein. Parlamentssprecher Anthony Rota | |
ehrte Hunka mit den Worten, er sei ein Held. Hunka erhielt Standing | |
Ovations. Doch als bekannt wurde, dass Hunka Freiwilliger der 14. | |
Waffen-Grenadier-Division der SS gewesen war, ergoss sich ein Strom von | |
Entrüstung über Rota, der mittlerweile zurückgetreten ist. | |
In diese Gemengelage feuert nun Giles eine Salve ab. In einem Rundumschlag | |
gegen eine angeblich unterkomplexe Erinnerungskultur, die alle | |
SS-Mitglieder in denselben Topf werfen würde, wehrt sich der Brite gegen | |
„simple Narrative“, dass „alle in der SS an Kriegsverbrechen schuld waren… | |
Die Geschichte sei komplizierter. Der Internationale Militärgerichtshof sah | |
das in den Nürnberger Prozessen anders: 1946 entschied er, dass die SS eine | |
verbrecherische Organisation war und alle ihre (freiwilligen) Mitglieder | |
sich Kriegsverbrechen haben zuschulden kommen lassen. | |
Bei Politico kriegt auch noch der Holocaustüberlebende Simon Wiesenthal | |
was ab. Er habe mit „völlig nutzlosen“ Anschuldigungen gegen angebliche | |
Kriegsverbrecher in Kanada der Regierung unnötige Arbeit aufgebürdet, | |
schreibt Giles. Und heute verbreite das Simon Wiesenthal Center | |
Falschinformationen, die russischer Propaganda ähnelten. | |
Der Text folgt einer kindischen und gefährlichen Logik: „Meines Feindes | |
Feind ist mein Freund“ – selbst wenn es sich um SS-Männer handelt. Denn die | |
UdSSR sei mindestens so schlimm gewesen wie das Dritte Reich. Diese These | |
des „doppelten Genozids“ gilt gemeinhin als Holocaustverharmlosung. Das | |
Brisante daran: Politico.eu gehört seit 2021 zu hundert Prozent Axel | |
Springer. Ein deutscher Verlag bläst hier SS-Verharmlosung und | |
Holocaustrelativierung in die Welt. Wer bei Springer arbeitet, muss sich | |
verpflichten, sich für Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie einzusetzen | |
sowie das jüdische Volk zu unterstützen. Wie lässt sich so ein Kommentar | |
mit diesen Grundsätzen vereinbaren? | |
## Steilpass für Putin | |
Am Ende des Textes schreibt Giles, dass Hunka nicht ins kanadische | |
Parlament hätte eingeladen werden sollen. Doch das nicht deswegen, weil er | |
selber eventuell Kriegsverbrechen schuldig sein könnte, sondern weil man | |
damit der russischen Propaganda einen Steilpass gebe. | |
Giles ist sich offenbar nicht bewusst, dass sein eigener Text ein solcher | |
Steilpass ist. Wer den Ukrainerinnen und Ukrainern helfen will, [3][wer den | |
unsäglichen Diskurs bekämpfen will, Putin kämpfe in der Ukraine gegen | |
Faschisten], der sollte seinerseits aufpassen, keine Verharmlosung der | |
Waffen-SS in die Welt zu setzen. Denn genau damit macht er der russischen | |
Propaganda ein Geschenk. Sehr ihr, sagen die russischen Bots, wir haben’s | |
euch schon immer gesagt, im Westen wimmelt es vor Nazis. Giles, Politico | |
und Springer spielen damit Putin in die Hände. Und bereiten nebenher der | |
hierzulande erstarkenden extremen Rechten den Boden. | |
3 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.politico.eu/article/fight-against-ussr-nazi-waffen-ss-trooper-y… | |
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5961951 | |
[3] /NS-Verbrechen-in-der-Ukraine/!5913858 | |
## AUTOREN | |
Caspar Shaller | |
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