# taz.de -- Kunst in Krisenzeiten: Wie sie trösten kann | |
> Kunst ist ein wichtiges Instrument. Sie stößt Diskussionen an, verbindet | |
> Menschen miteinander und hilft uns dabei, Erfahrungen zu verarbeiten. | |
> Aber Kunst zu schaffen, ist nicht einfach. | |
Bild: Performerinnen während der Fotoprobe zu Solidaritätsstück von Simone D… | |
Den ganzen Tag laufen die Nachrichten. Dazu scrollt der Daumen auf dem | |
Handybildschirm. Erst auf Instagram, dann auf Tiktok, dann rüber zu dem, | |
was ein mal Twitter war. Schnell wieder weg dort und der Kreislauf beginnt | |
von vorne. | |
Dazwischen kommuniziere ich mit Freund*innen und Kolleg*innen. Mein | |
ganzes Umfeld ist in Aufruhr. Am Ende des Tages merke ich, dass ich | |
eigentlich hätte arbeiten sollen. | |
Ich bin Theaterregisseurin und ich mag meinen Beruf, weil er für alles | |
Platz lässt, was mich umtreibt. Wenn mich ein Thema interessiert, ich mehr | |
lernen und es mit anderen Menschen bearbeiten will, dann mache ich ein | |
Projekt dazu. Theater ist ein kommunikatives Format und bringt Menschen in | |
einem Raum zusammen, um ein Stück oder eine Performance zu sehen. So kann | |
Gemeinschaft und Austausch entstehen. | |
## Kunst hilft uns, Fragen zu stellen | |
Kunst muss keine Antworten liefern, sondern kann uns dabei helfen, | |
gemeinsam Fragen zu stellen, Gefühle auszudrücken, Ungewissheiten und | |
Gleichzeitigkeiten aufzeigen. Sie lädt zu eigenen Assoziationen und | |
Interpretationen ein und die Erfahrung, dass alle eben genau den gleichen | |
Theaterabend gesehen haben und dann doch jede für sich mit ganz eigenen | |
Schlussfolgerungen das Theater verlässt, hilft uns unterschiedliche | |
Perspektiven wahrzunehmen und vielleicht sogar Differenz besser | |
auszuhalten. | |
Die anregendsten politischen Diskussionen habe ich nach dem Theater. Auch | |
wenn diese Diskussionen nach dem zweiten Getränk schon nichts mehr mit der | |
eigentlichen Vorstellung zu tun haben. Kunst hat mir auch schon oft Trost | |
gespendet und war da, wenn ich mich einsam gefühlt habe. | |
Gerade heute selbst künstlerisch tätig, kreativ und produktiv sein zu | |
müssen, überfordert mich. Das hat wahrscheinlich nicht nur mit der | |
aktuellen Situation zu tun, sondern mit der langen Reihe von Krisen, mit | |
denen Kulturschaffende in den letzten Jahren konfrontiert waren und | |
weiterhin sind. | |
Nachdem am 19. Februar 2020 in meiner Heimatstadt Hanau neun Menschen aus | |
rassistischen Motiven ermordet wurden, habe ich ein Stück über die | |
Auswirkungen von [1][rassistischer Gewalt auf migrantische Familien] | |
gemacht. Und damit es trotz der Pandemie viele Menschen sehen können, | |
direkt eine digitale Version hinterher. | |
## Hoher Anspruch an Kultur | |
Für mich ist das eine Form von Selbstermächtigung und von Solidarität. Ich | |
mache das für mich und ich mache das für euch und gemeinsam spenden wir uns | |
Trost, hören einander zu, feuern einander an. Wir stellen menschliche | |
Verbindung her und schaffen mehr Gerechtigkeit. Vielleicht bringen wir | |
Kulturschaffenden auch einfach nur Unterhaltung und Abwechslung in unsere | |
Städte. | |
In Krisenzeiten wächst der Anspruch an die Kultur, Stellung zu beziehen und | |
für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen und gleichzeitig wird sie als | |
verzichtbar erklärt. In der Pandemie wurden Kultureinrichtungen als erstes | |
geschlossen. Bei leeren Staatskassen werden der Kultur als erstes [2][die | |
Mittel gekürzt]. | |
Die letzten Jahre waren zermürbend. Ich bin müde, aber wie andere Leute | |
auch gehe ich trotzdem zur Arbeit. Ich will auch weitermachen, aber eben | |
nicht im Sinne von „the show must go on“, sondern um nach neuen Mitteln und | |
Wegen zu suchen, damit sich mein Job weiter relevant anfühlen kann. Im | |
Suchen sind wir ja ganz gut. | |
19 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Performance-The-Kids-Are-Alright/!5836241 | |
[2] /Kulturfoerderung-in-Berlin/!5965546 | |
## AUTOREN | |
Simone Dede Ayivi | |
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