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# taz.de -- Untersuchung zu Jobs in der Gastronomie: Schlechte Jobs im Angebot
> In keiner Branche gibt es so viel geringfügige Beschäftigung wie in der
> Gastronomie, zeigt eine Analyse. Eine Verbesserung ist nicht in Sicht.
Bild: Immer schnell, schnell – und das für wenig Geld
Berlin taz | Bezahlung weit unter dem Durchschnitt, lange Arbeitszeiten,
viel Stress, aber immer schön freundlich bleiben: Na, Lust auf einen Job in
der Gastro? [1][Der Personalmangel in der Branche ist hoch], ebenso die
Arbeitsbelastung der Angestellten. Laut der gemeinsamen Branchenanalyse der
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der
Hans-Böckler-Stiftung, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde,
arbeiten derzeit etwa die Hälfte aller Beschäftigten im Minijob. Das heißt
in einem Arbeitsverhältnis, das weder den Lebensunterhalt gewährleistet
noch soziale Absicherung mit sich bringt.
Der Anteil geringfügig entlohnter Beschäftigung ist laut der Studie in der
Gastronomie so hoch wie in keiner anderen Branche. In Berlin haben knapp
33.000 einen Minijob, 74.000 Gastrobeschäftigte sind
sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Allerdings sind in der Gastro
selbst die Tariflöhne in sozialversicherten Arbeitsverhältnissen niedrig,
der Abstand zum gesetzlichen Mindestlohn ist gering. In Berlin liegen sie
bei durchschnittlich 2.400 Euro brutto im Monat, mit 50 Cent Abstand zum
Mindestlohn.
Die Beschäftigten nennen die geringe Bezahlung, die langen Arbeitszeiten
und die hohe psychische Belastung als die größten Nachteile in ihrem
Arbeitsalltag. Wenig überraschend: Mehr als ein Drittel der
Arbeiter*innen sieht seine Zukunft nicht in der Gastronomie. Um das zu
ändern und vielleicht sogar neues Personal für die vielen unbesetzten
Stellen zu finden, bietet die Branche – nichts.
## Das Aus in der Pandemie
Die vorübergehenden Schließungen vieler Betriebe aufgrund der Pandemie in
den Jahren 2020 und 2021 haben die Unverbindlichkeit vieler
Arbeitgeber*innen gegenüber ihren Angestellten mehr als deutlich
gemacht. Befristete Arbeitsverhältnisse liefen in diesem Zeitraum ersatzlos
aus, Leiharbeiter*innen wurden nicht mehr beschäftigt,
Minijobber*innen verloren ihre Arbeitsplätze nahezu umgehend.
Insgesamt verloren bundesweit rund 330.000 Beschäftigte in dieser Zeit ihre
Stelle im Gastgewerbe oder gaben sie auf. Obwohl staatliche Unterstützung
in Form von Kurzarbeitsgeld in der Gastronomie Arbeitsplätze erhalten
konnte, geriet laut Umfrage der NGG ein Großteil der Arbeiter*innen in
finanzielle Schwierigkeiten. Das Kurzarbeitsgeld beträgt 60, erhöhtes
Kurzarbeitsgeld bis zu 87 Prozent des Lohns. Mehr als ein Viertel der
sozialversicherungspflichtig Angestellten wechselte damals angesichts der
Situation ganz die Branche. Das ist mehr als in jedem anderen
Arbeitsbereich.
Auch heute suchen Restaurants, Cafés, Hotels, Eisdielen, Cateringfirmen,
Kneipen, Bars und Clubs nach Personal. Im August dieses Jahres wurden nach
Angaben des Jobcenters bundesweit offiziell 25.000 Arbeiter*innen in
der Branche gesucht. Die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen, da viele
Stellen erst gar nicht ausgeschrieben werden. Personal wird in der Branche
traditionell auch über informelle Wege gefunden, wie persönliche Kontakte
oder Aushänge in den Läden.
Ob Menschen überhaupt im Bereich arbeiten, dürfte auch an deren
Alternativen liegen. Lena Werner, Mitglied des Bundestages für die SPD und
gelernte Hotelfachfrau, erzählt: „Ich konnte mir nach meiner Ausbildung und
einem dualen Studium in Tourismuswirtschaft aufgrund des Fachkräftemangels
meinen Arbeitsplatz mit guten Bedingungen aussuchen.“ Dennoch hat sie die
Branche letztlich verlassen.
## Last Exit Lieferdienste
Für Menschen ohne formale Qualifikation und ohne deutschen Pass bleibt die
Gastronomie dagegen trotz der schlechten Bedingungen eine von ganz wenigen
Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit. Es sei davon auszugehen, dass dieser
Teil der Beschäftigten in Berlin vor allem in den
[2][Plattform-Lieferdiensten für Speisen und Supermarktwaren] unterkam,
erklärt einer der Autoren der Studie, Stefan Stracke.
Die NGG forderte am Dienstag die Betriebe dazu auf, mit höheren Löhnen die
Arbeitsplätze attraktiver zu machen. „Es braucht einen Neustart“, sagte
Guido Zeitler, Vorsitzender der NGG, bei der Vorstellung der Studie. Auch
könne die Politik Druck auf die Branche ausüben, indem Aufträge von
Regierungen bis hin zu kleinen Trägern nur an tarifgebundene Betriebe
vergeben werden sollten. Zudem müsse der Mindestlohn an die Inflation
angepasst werden, so Zeitler.
Mit guten Arbeitsbedingungen und sozialer Absicherung Personal zu gewinnen
und halten zu können, liegt als Lösung recht nahe. Warum die
Arbeitgeberseite diesen Weg bislang nicht geht, bleibt ihr Geheimnis.
17 Oct 2023
## LINKS
[1] /Fachkraeftemangel-in-der-Gastronomie/!5885785
[2] /Prekaere-Arbeit-bei-Lieferdiensten/!5862131
## AUTOREN
Lisa Bor
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Gewerkschaft NGG
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Schwerpunkt Armut
Fachkräftemangel
Lieferdienste
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