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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Bilder gegen Grenzen
> Das Festival Dokuarts bringt seit 2006 Jahr für Jahr die ganze Bandbreite
> dokumentarischer Formen nach Berlin. Ein Blick ins Programm.
Bild: Filmstill aus „100 Ways to Cross the Border“
Berlin taz | Morgens in New York, während die Passanten weiter eilen, hält
der junge Joe Buck inne als er einen reglosen Körper auf der Straße vor
einem der Hauseingänge sieht. Buck blickt auf den Körper am Boden, blickt
sich um. Als niemand sonst stehen bleibt, geht auch er langsam sich immer
wieder umblickend weiter. Ein Screentest mit Jon Voight, der Joe Buck in
John Schlesingers „Midnight Cowboy“ spielt.
Voight sucht nach Posen, lächelt kurz, dreht sich um, während Drehbuchautor
Waldo Salt ihm Fragen stellt. Voight antwortet mal mehr mal weniger in der
Rolle. Dann schneidet der Film auf Bilder aus dem Vietnamkrieg.
Die im August verstorbene Dokumentarfilmerin Nancy Buirski entfaltet in
„Desperate Souls, Dark City and the Legend of Midnight Cowboy“ anhand der
Geschichte von Schlesingers Film eine Film- und Kulturgeschichte der
Vereinigten Staaten in den 1950er bis 1970er Jahren.
Mit Interviews mit Mitwirkenden und deren Verwandten, Filmclips und
Archivmaterial spannt Buirski einen Bogen von der Adaption des europäischen
Realismus, der Entstehung von Schauspielschulen, die das Kino aus Hollywood
bis heute prägen, bis hin zum Umgang mit Homosexualität vor und hinter der
Kamera.
Buirskis Film ist Teil des diesjährigen [1][Programms von Dokuarts]. Das
Festival holt seit 2006 Jahr für Jahr eine große Bandbreite
dokumentarischer Formen nach Berlin. In diesem Jahr laufen die Filme im
Kino in der Kulturbrauerei, dem Brotfabrik Kino und dem KLICK Kino. Ergänzt
werden die Filmvorführungen durch ein Forum zu „Visual Alterity“, dem
filmischen Blick auf „die Anderen“.
Der Filmemacher und Restaurator Ross Lipman erkundet in der filmischen
Kollage „Between Two Cinemas“ Pole der Avantgardefilmgeschichte in den USA
in der frühen Nachkriegszeit zwischen Abstraktion und Realismus, zwischen
Europa und den USA. Textversatzstücke von Lipman und anderen Filmemachern
verschieben immer wieder die Perspektive.
Amber Bay Bemak nähert sich in „100 Ways to Cross the Border“ der Kunst und
dem Leben des mexikanisch/chicano Perfomancekünstlers Guillermo Goméz-Peña.
„Ich bin seit 40 Jahren in diesem Hamsterrad, habe international jeden
Preis gewonnen, den es gibt, und kann trotzdem meine Rechnungen nicht davon
bezahlen.“
„100 Ways to Cross the Border“ zeigt Clips aus der Geschichte von
Goméz-Peñas Auftritten und Medienarbeiten, wendet aber auch die Kamera auf
die Filmemacherin und ihre Crew und stellt so die Bilder, die Amber Bay
Bemak von Goméz-Peña und dessen Kunst entwirft, zur Disposition.
In humorvollen, opulenten, verspielten Bildern zeigt der Film Goméz-Peñas
Aktivismus gegen Grenzen und wie er zu einem Vorbild für eine ganze
nachfolgende Generation queerer Latinx-Künstler_innen geworden ist. Kapitel
für Kapitel werden interne Grenzen abgehandelt, die durch Projektionen,
Vorannahmen und Klischees aufrecht erhalten werden.
Auch knapp 20 Jahre nach der Gründung ist Dokuarts noch immer eine
lohenswerte, alljährliche Entdeckungsreise durch den Dokumentarfilm mit
Bezug zur Kunst.
3 Oct 2023
## LINKS
[1] http://doku-arts.de/de/start
## AUTOREN
Fabian Tietke
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