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# taz.de -- Schulleitung mit rechten Verbindungen: Lehrer mit rechtem Geist
> An einer niedersächsischen Schule soll ein Lehrer stellvertretender
> Leiter werden, der Bundesführer beim Freibund war. Der bietet Rechten ein
> Forum.
Bild: Die Heimattreue deutschen Jugend ist verboten – der Freibund ist noch n…
Hamburg taz | Am kommenden Freitag zeichnet das Kultusministerium die
Kooperative Gesamtschule Gronau (KGS) als „Europaschule in Niedersachsen“
aus. Bei einem Festakt am Mittag wird das Zertifikat überreicht. In dieser
Gesamtschule im Landkreis Hildesheim ist eine Lehrkraft aber auch um die
Erziehung und Bildung im extrem-rechten Geist bemüht. Ausgerechnet der
langjährige Bundesführer des „Freibund e. V.“, Eckhard B., soll demnächst
stellvertretender Schulleiter werden.
Mehrere LehrerInnen aus dem Kollegium der Schule haben bereits
Versetzungsanträge angekündigt, sollte B. den Führungsposten erhalten.
Schon vor gut zwei Jahren löste das Engagement von B. bei dem seit 1962
eingetragenen Verein kritische Nachfragen an der Schule aus. Lange Jahre
hatte der Lehrer für Geschichte und Deutsch wichtige Funktionen im Freibund
inne. Von 2007 bis 2018 war er Bundesführer, bis 2021 stand er als
Verantwortlicher des Bundes im Impressum der Webseite.
Der Freibund bietet vor allem Jugendfahrten und -lager für junge Menschen
an und sieht sich selbst in der Tradition der Bündischen Jugend, die in
Deutschland aus dem Wandervogel und den Pfadfindern hervorgegangen ist und
stark die völkisch-nationalistische Jungendbewegung nach dem Ersten
Weltkrieg ausmachte. Mit Fahrten und Lagern sollen die Jugendlich nicht
bloß in der Natur Gemeinschaft erleben, sondern auch eine Weltanschauung
verinnerlichen.
Im Unterschied zur verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und dem noch
aktiven rechtsextremen [1][„Sturmvogel“] bemüht sich der „Freibund“ das
Bekenntnis zu Volk, Heimat und Nation moderater zu formulieren. Der Bund
ging aus den „Bund Heimattreuer Jugend – Der Freibund“ hervor. 2013
erfolgte laut Vereinsunterlagen die Umbenennung in „Der Freibund e. V.“.
## „Ausgeglichenes Geschichtsbewusstsein“
Auf der Webseite wird das Selbstverständnis erklärt: „In den Haaren der
Wind der großen, weiten Welt. In der Nase der Duft der Heimat ebenso wie
der von fernen Ländern (…) Auf den Lippen die frohen Lieder der Vaganten
und Landsknechte, der ewig Suchenden und der Erfüllten, der wilden
Wandergesellen und der stillen Romantiker. (…) Mit beiden Beinen fest auf
dem kulturellen Erbe und der wechselvollen Geschichte unserer Nation.“
Das lyrische Pathos lässt bewusst offen, zu welcher Identität, Kultur und
Tradition sich die Suchenden bekennen sollen. In der „Jungen Freiheit“, dem
Sprachrohr der Neuen Rechten, erklärte B. 2007: „Was der Zeitgeist vorgibt,
interessiert uns nur am Rande. Wichtig ist uns, ein ausgeglichenes
Geschichtsbewusstsein zu fördern.“
Die Kombination der Positionen legt nahe, dass eine diverse,
multikulturelle Gesellschaft nicht als erstrebenswerte Gemeinschaft gesehen
wird. In der Zeitschrift des Freibund Na klar! betont der Bund: „Bei allen
Unterschieden zwischen dem [2][heutigen Freibund und dem Bund Heimattreuer
Jugend] der 60er und 70er Jahre sind jedoch die Grundprinzipien gleich
geblieben: Selbsterziehung (Jugend führt Jugend!), Bekenntnis zu unserer
Identität als Deutsche, Bekenntnis zu unserem Volk und zur Völkervielfalt,
europäische Gesinnung“.
Eine Offenheit des Begriffs nutzen Rechte gerne, um kein Volks- oder
Heimatverständnis auszuschließen – und somit auch rechtsextreme Deutungen
zuzulassen. Kein Zufall vielleicht, dass der „Freibund“ in der
Vergangenheit Referenten wie den Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub
oder den Northeimer Neu-Rechten Karlheinz Weißmann einlud.
Bei dem Bund wirken auch Aktivistinnen der rechtsextremen Identitären
Bewegung mit. Im „Freibund“-Heim in Burgdorf-Berel konnte 2018 die „Junge
Alternative Niedersachsen“ ein Brauchtums-Sommerfest ausrichten. Dieser
Landesjugendverband war selbst dem Bundesverband der AfD-Jugend zu rechts
und beschloss 2018 dessen Auflösung.
Persönliche Beziehungen des „Freibundes“ bestehen auch zum rechtsextremen
„Institut für Staatspolitik“ um Götz Kubitschek. Mit einem Stoffbeutel von
„Edition Antaios“, dem Verlag, den Kubitschek betreibt, lief auch B. bei
einem bündischen Treffen herum. Ein Bild zeigt den Lehrer schwer bepackt
mit der Tasche.
Er selbst kommt aus einer völkisch orientierten Familie. Sein Großvater
veröffentlichte während der NS-Zeit 1941 eine Broschüre mit dem Titel:
„Durchbruch zum deutschen Glauben – Ein Kampfruf an Deutschland – Gedanken
eines Nationalsozialisten zum deutschen Glaubenskampf“. B.’s Vater Wolfram
gehörte bis zum Verbot dem verfassungsfeindlichen Verein „Bauernhilfe e.
V“. um die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck an. 1994 kandidierte
der Vater für die „Republikaner“. Inzwischen leitet er den Stadtverband
Springe der AfD.
Im aktuellen Jahresbericht weist der niedersächsische Verfassungsschutz
(VS) auf die Bemühungen „völkischer Siedler“ hin. Aus diesem Kreis würde
Fahrten, Wanderungen, Brauchtums- und Tanzfeste ausgerichtet. „Im Rahmen
vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote werden junge Menschen
rechtsextremistisch indoktriniert“, fasst der Verfassungsschutz aus
Hannover zusammen.
## Kultusministerium äußert sich zurückhaltend
Der „Freibund“ ist im Bericht nicht aufgeführt. In den vergangenen Monaten
hat sich aber beim Bundesamt sowie bei Landesbehörden und -ämter gerade die
Bewertung von rechten Organisationen im vorpolitischen Raum öfters
geändert. Nach 70 Jahren rechtsextremer Tätigkeit und Kindererziehung
erfolgte ein Verbot gegen die „Artgemeinschaft germanische
Glaubens-Gemeinschaft“, gegen andere Gruppierungen erfolgten nach 60 und 20
Jahren eine Einstufungen als rechtsextrem.
Das niedersächsische Kultusministerium äußert sich auf Fragen zu Eckhard
B.’s Tätigkeit beim Freibund zurückhaltend: Zu „Fragen, die sich konkret
auf eine Person beziehen“, könne „aus Gründen des Daten- und
Persönlichkeitsschutzes keine Auskunft erteilt“ werden, antwortet der
Sprecher des Ministeriums, Felix Thiel.
In der Erklärung der Behörde heißt es weiter: „Seien Sie jedoch versichert,
dass entsprechende Hinweise zu möglicherweise verfassungsfeindlichen
Handlungen und Äußerungen von Schulbeschäftigten sehr ernst genommen und
entsprechend der beamtenrechtlichen Rahmenbedingungen geprüft und beurteilt
werden.“
2 Oct 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Andreas Speit
Andrea Röpke
## TAGS
Völkisch
Niedersachsen
Schule
Neue Rechte
„völkische Gesinnung“
Rechtsextremismus
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