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# taz.de -- TV-Krimi „Wolfsjagd“: Pfeifen im Brandenburger Walde
> Maria Simons millimetergenaues Spiel ist jede Guckminute wert. Im
> Krimispielfilm „Wolfsjagd“ ist sie als Wildhüterin Sara Jahnke unterwegs.
Bild: Wildhüterin Sara (Maria Simon) in „Wolfsjagd“ (Montage)
Ach, was ist es schön, [1][Maria Simon wieder dabei zuzuschauen], wie sie
in Brandenburg unterwegs ist. Schweigsam, durchdringender Blick, hart,
wenn’s sein muss, bloß keine Faxen. Gut zweieinhalb Jahre ist es schon her,
[2][dass sie zum letzten Mal als Olga Lenski im „Polizeiruf“ in Frankfurt
an der Oder ermittelte].
Wie gut Simon in diese stille, brüske Landschaft passt, zeigt sie jetzt
wieder anderthalb Stunden lang im Krimispielfilm „Wolfsjagd“ als Sara
Jahnke: Wildhüterin, [3][Spezialität Wölfe]. Mit beuligen Khakis, staubigen
Stiefeln, geländegängigem Wagen und Gewehr in Reichweite. Drumherum
Brandenburger Wald und Dorf.
Am besten wäre es nun, den Rest dieser Rezension weiter mit Simon-Szenen
und Natur anzufüllen, bis man wieder genug Vorrat an ihrem
millimetergenauen Spiel hat, bis es so wirkt als könne man die Würze der
Bäume, des sandigen Bodens riechen. Aber nun ja. Stattdessen überfrachten
Thomas André Szabó und Jakob Ziemnicki ihre Story mit allem, was nur
denkbar scheint. Sie haken die komplette Liste an Erwartbarem ab.
Mittendrin ein Mord an einer jungen [4][Saisonarbeiterin aus Rumänien].
Erstens: das Rückkehr-Motiv. Sara Jahnke ist nur zufällig wieder zuhause,
weil ihre Mutter gestorben ist, eigentlich schon auf dem Sprung zum
Flughafen. Und zwar – auch das gehört fast zwingend zu diesem Punkt – nach
Kanada. Sie lebe „lieber in der Einsamkeit der Wälder Kanadas als unter
Menschen“ heißt es im Presseheft. Aber dann hätte sie auch in Brandenburg
bleiben können!, möchte man den beiden Drehbuchautoren zurufen. Wegen einer
akuten Wolf-Sichtung im Dorf soll sie bleiben, das Tier töten. Und findet
dabei im Waldsand eine Frauenleiche.
## Sedimentschichten an Historie
Zweitens: das Eindringling-Motiv. Um den Mord aufzuklären, kommt ein junger
Kommissar ins Dorf: Falk Laue (Jacob Matschenz), ein Name wie aus einem
öffentlich-rechtlichen-Bausatz für Kommissarsnamen. Er kennt niemanden vor
Ort, ahnt nichts von den Sedimentschichten an Historie, nichts von all den
Beziehungsgeflechten. Und wird obendrein als liebevoller Vater inszeniert,
der am Telefon dollen Quatsch mit seinen Kindern macht. Wieso er
ausgerechnet die gastierende Wildhüterin zur Co-Ermittlerin macht – ein
Rätsel.
Drittens: das Dysfunktionale-Familie-Schwierige-Mutter-Motiv. Jahnke hat
eine Teenager-Tochter, sie wuchs bei den Großeltern auf, weil die Mutter,
also Sara, früh abgehauen ist. Dass Sara nicht mal im Elternhaus
übernachtet, sagt alles übers Familienverhältnis. Und als wäre das noch
nicht genug, ist Saras Vater auch noch der Dorfpolizist (der großartige
Jörg Schüttauf darf nur ein paar Mal durchs Bild laufen).
Viertens: das Verschwiegene-Vergangenheits-Motiv. Es gibt eine knappe
Handvoll Dorftypen in Sara Jahnkes Alter – wann immer sie
aufeinandertreffen, wird klar, da ist was passiert, früher. Und niemand
spricht darüber.
Fünftens: die böse Fleischfabrik, die schlecht mit ihren Saisonkräften
umgeht.
Sechstens: die sexuelle Ausbeutung. Von Vergewaltigung bis zu
Zwangsprostitution ist alles dabei.
Siebtens: das aktuelle Geraune von der Rückkehr der Wölfe – und der
dystopischen Angst, dass einer irgendwann Menschen anfällt. Wird am Schluss
krampfhaft zur Metapher hingebogen, dass es nur so quietscht.
Eine gute Idee gibt’s dann doch: die Wildtierkamera am Baum, die zufällig
auch die Tatortumgebung überwacht. Der Rest: nur Pfeifen im Brandenburger
Walde.
30 Sep 2023
## LINKS
[1] /Polizeiruf-aus-Frankfurt-Oder/!5743909
[2] /Polizeiruf-aus-Frankfurt-Oder/!5743909
[3] /Uebergriffe-von-Woelfen-auf-Nutztiere/!5949590
[4] /Arbeitsbedingungen-fuer-Erntehelfer/!5704243
## AUTOREN
Anne Haeming
## TAGS
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