# taz.de -- TV-Krimi Tatort: Wurst | |
> In einem Schweinemastbetrieb wird der Chef des Hofs tot im Stall | |
> gefunden. Angefressen von seinen Schweinen. Der Wiener „Tatort“ fährt | |
> aufs Land. | |
Bild: Die Kommissare Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser) | |
Apfelkuchen, Fleischwurst und idyllische Landschaften – der Wiener „Tatort�… | |
fährt aufs Land. Die beiden Komissar:innen Moritz Eisner (Harald | |
Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) machen aber natürlich | |
keinen Urlaub. In einem Schweinemastbetrieb wurde der Chef des Hofs, Max | |
Winkler, tot im Stall gefunden. Angefressen von seinen eigenen Schweinen. | |
„Ewig her, dass ich auf einem Bauernhof war“, bemerkt Bibi bei ihrer | |
Ankunft. Moritz antwortet trocken: „Ein Bauernhof mit 1.200 Schweinen. Ist | |
das noch ein Bauernhof?“ Und mit dieser rhetorischen Frage ist das Thema | |
das „Tatorts“ gesetzt. Es geht um die Massentierhaltung und all die | |
gesellschaftlichen Akteure, die sich um dieses Streitthema positionieren. | |
„Bauernsterben“ entwickelt sich schnell zu einer klassischen | |
„Whodunit“-Geschichte. Wer hat Winkler getötet? Der junge rumänische | |
Arbeiter, der die Leiche im Stall gefunden hat? Oder die | |
Tierschutzaktivist:innen der Organisation „Pro Tier“, die es schon | |
länger mit ihren Aktionen auf den Hof abgesehen haben? Vielleicht war es | |
aber auch ein Familiendrama? Dem Schwiegervater des Toten war es schon | |
lange ein Dorn im Auge, dass der Mann seiner Tochter den kleinen regionalen | |
Familienbetrieb zu einem der Big Player der Schweinezucht in Österreich | |
ausbauen wollte. Oder waren es am Ende die großkapitalistischen Hände des | |
von Wien aus operierenden Agrarmultis, mit dem Max womöglich in kriminelle | |
Machenschaften verwickelt war. | |
Während die Kommissarin und der Kommissar den verschiedenen Spuren | |
folgen, möchte der Film einen Generationenkonflikt zeichnen, der nicht | |
immer entlang der typischen Frontlinien verläuft. Jung und Alt, Stadt und | |
Land passen nicht immer in ihre erwarteten Rollen. | |
So kämpft der alte Bauer und Schwiegervater, gespielt von Haymon Maria | |
Buttinger, bei dem ein Plakat des marxistischen Revolutionärs Ernesto „Che“ | |
Guevara an der Wand hängt, vom Land aus gegen den Kapitalismus. Und bei der | |
Tierschutzorganisation ist es die alte Professorin, die besonders radikale | |
Positionen vertritt. Dabei scheint die junge Aktivistin Mina (Julia Wozek) | |
eher nur eine naive Mitläuferin zu sein, die von der Professorin dazu | |
gedrängt wurde, auf dem Markt mit einer Schweinemaske auf dem Markt | |
Menschen für Tierschutz zu begeistern. | |
Eine lächerliche Methode, um gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben, | |
befinden die beiden Wurstbrot essenden Ermittelnden, die sich die Aktion | |
von Weitem angucken. Bibi fragt: „Glaubst du nicht, dass den meisten | |
Menschen wurscht ist, woher die Wurst kommt?“ | |
Doch ist es wirklich allen so wurscht? Und bei diesem Aspekt fängt die | |
Erzählung an zu schwächeln. Die Tierschützer:innen werden als die | |
altbekannten Veganerklischees gezeichnet, die allen Menschen in jeder | |
Situation ihre moralische Überlegenheit aufdrängen wollen. | |
Doch wo sind die Normaloveggies und Flexitarier:innen? All diejenigen | |
zwischen den Extremen bekommen nur wenig Raum. Obwohl die vom „Tatort“ | |
gewünschte Kritik an den emotionalisierenden Methoden der | |
Aktivist:innen genau durch diese Mittelpositionen um ein Vielfaches | |
interessanter gewesen wäre. Doch wie gewohnt verzichtet der Tatort bei der | |
Behandlung gesellschaftlicher Debatten auf die Zwischentöne. | |
Wien-„Tatort“: „Bauernsterben“: So., 20.15 Uhr, ARD und [1][in der | |
Mediathek] | |
15 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ardmediathek.de/tatort | |
## AUTOREN | |
Anna Hollandt | |
## TAGS | |
Tatort | |
Netflix | |
Wochenendkrimi | |
Wochenendkrimi | |
TV-Krimi | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Serie „Bodies“ auf Netflix: Und jahrzehntlich grüßt die Leiche | |
Die Netflix-Serie „Bodies“ nutzt tote Körper als Bindeglied zwischen | |
verschiedenen Zeitebenen. Das ist überzeugend und packend inszeniert. | |
TV-Krimi „Wolfsjagd“: Pfeifen im Brandenburger Walde | |
Maria Simons millimetergenaues Spiel ist jede Guckminute wert. Im | |
Krimispielfilm „Wolfsjagd“ ist sie als Wildhüterin Sara Jahnke unterwegs. | |
Neuer Schweizer „Tatort“: Wenn Drohnen die Handlung rahmen | |
Die „Tatort“-Folge „Blinder Fleck“ aus Zürich verlangt Aufmerksamkeit.… | |
sie aufbringt, wird mit einem vielschichtigen Plot belohnt. | |
Düsterer „Tatort“ aus Wien: Reue und Russisch Roulette | |
Für die Wiener „Tatort“-Kommissar:innen beginnt der Fall erst nach | |
einem Strafprozess. Rasch wird er zum Verwirrspiel – mit zig falschen | |
Fährten. |