# taz.de -- Was Deutsche zum Strahlen bringt: Die Glücksformel | |
> Seit ich in Deutschland bin, frage ich mich, wie ich die Deutschen | |
> glücklich machen kann. Die Lösung entdeckte ich im Zug nach Hamburg. | |
Bild: Wo das Glück einfach zu haben ist: Innenleben eines deutschen Zuges | |
Seitdem ich in Deutschland bin, zermartere ich mir das Hirn, wie ich die | |
Deutschen glücklich machen kann. Kein leichtes Unterfangen, wenn man | |
bedenkt, dass es sich bei mir hier um Bremer, somit um griesgrämige | |
Norddeutsche, handelt. | |
Mein Onkel Ömer sagt immer in so einem Fall: „Balık ağaca çıkarsa belki | |
olur.“ – „Das könnte vielleicht klappen, wenn Fische auf Bäume klettern… | |
Was wohl wenig Hoffnung auf Erfolg andeuten soll. | |
Ich hab’s zuerst mit Arbeiten versucht, wofür wir ja geholt wurden. Aber | |
die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Genauer gesagt, es ging schwer nach | |
hinten los. Mir wurde vorgeworfen, den Deutschen ihre Arbeitsplätze zu | |
klauen. | |
Also kündigte ich und meldete mich arbeitslos. Richtig glücklich wurden | |
meine neuen Landsleute damit irgendwie auch nicht. „Sozialschmarotzer“ | |
nannten mich einige hinter vorgehaltener Hand. | |
Dann bekam ich den tollen Insider-Tipp, dass bei den [1][Deutschen] die | |
Liebe durch den Magen geht. Daraufhin haben wir sofort alle unsere | |
deutschen Nachbarn zum Essen eingeladen. Das müsste die Deutschen in der | |
Pisa-Studie der „glücklichsten Völker der Welt“ mit Sicherheit mehrere | |
Stufen nach oben katapultieren, dachten wir damals, naiv wie wir waren. | |
Aber meine Frau Eminanim beging leider den riesengroßen Fehler, stinkende | |
orientalische Knoblauch-Stückchen ins Essen zu mischen, als würden wir wie | |
Barbaren immer noch in der [2][Türkei] leben. „Knoblauchfresser – das ganze | |
Haus stinkt fürchterlich“, wurde hinter unserem Rücken gemunkelt. | |
Ich fragte unsere Nachbarin Oma Fischkopf, warum sie denn immer so | |
miesepetrig drauf ist. „Die Deutschen sterben doch einer nach dem anderen | |
aus. Wer soll denn noch meine Rente bezahlen?“, jammerte sie mit Tränen in | |
ihren unglücklichen Augen. | |
„Das ist die Gelegenheit. Jetzt wird aber schnurstracks in das deutsche | |
Herz rein marschiert“, sagte ich zu meiner Frau und noch in dieser Nacht | |
produzierten wir schnell fünf potenzielle Rentenzahler für Oma Fischkopf. | |
Leider mussten wir anstatt ins deutsche Herz aus unserer Wohnung raus | |
marschieren – wegen „zu vielen Blagen“, wie man uns vorwarf. | |
Aber als ich heute mit der Deutschen Bahn nach Hamburg-Harburg zu | |
[3][meiner Schwiegermutter] fahre – da geschieht das Wunder! | |
Ich gehe aufs Klo und das Problem ist gelöst. Ganz von allein – wie von | |
Geisterhand! | |
Ich lasse meinen Koffer und die deutschen Passagiere mit ihren höchst | |
unglücklichen Mienen im Abteil zurück und gehe zur Toilette. | |
Als ich nach zehn Minuten wieder zurückkomme, strahlen sie um die Wette. | |
Ausnahmslos alle. Selbst der verbitterte Schaffner, der aus drei Metern | |
Entfernung, höchst kritisch meinen Koffer inspiziert, lächelt völlig | |
befreit. Und der Sprengstoffspezialist neben ihm auch. Sie freuen sich alle | |
wie kleine Kinder, mich wieder zu sehen. Endlich habe ich die Lösung! | |
Es ist so was von einfach, die Deutschen glücklich zu machen. | |
Ich brauche nur in der Bahn einmal aufs Klo und zurück. | |
6 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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