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# taz.de -- Gletscher in Patagonien: Eiskalte Fakten
> Eine Reise an den Perito Moreno in den Anden zeigt, wie komplex Gletscher
> sind – und wie der Klimawandel ihre Prozesse durcheinanderbringt.
Bild: Gletscherführer Leandro Barbosa wie ein Touri vor der Eiswand
Santa Cruz (Patagonien) taz | Ein eisiger Wind bläst von den
schneebedeckten Bergkämmen über den Lago Argentino in der argentinischen
Südprovinz Santa Cruz. Touristen drängen sich beim Fotoshooting auf dem
Aussichtsdeck des Katamarans. Vor ihnen steht die 40 Meter hohe Eiswand des
Perito-Moreno-Gletschers. In Weiß und allen erdenklichen Blautönen
schimmert das Eis. Mit donnerndem Getöse stürzen immer wieder riesige
Brocken und Säulen ins Wasser und treiben als kleine Eisberge im See davon.
Das Schiff fährt gemächlich an ihnen vorbei.
Am Ufer wartet Gletscherführer Leandro Barbosa auf die Ankunft seiner
Gruppe. Er wird sie auf einer Wanderung entlang der Südseite des
Perito-Moreno-Gletschers führen. Der stoppelbärtige Guide stammt aus dem
Badeort Mar del Plata an der Atlantikküste. Viel weiter über der Meereshöhe
arbeite er jetzt auch nicht, scherzt er. „Wir befinden uns nur 180 Meter
über dem Meeresspiegel“, beginnt der 50-Jährige. „Normalerweise liegen
Gletscher in viel kälteren Gegenden und in den Hochgebirgen, oberhalb von
2.000, 3.000 Metern. Nur hier, in der Arktis, in der Antarktis oder in
Grönland gibt es Gletscher in so niedrigen Höhen“, sagt er.
Dass die Ausläufer der Gletscher nur wenig über der Meereshöhe liegen, ist
eine Besonderheit der patagonischen Gletscher. „Würden wir die südliche
Hemisphäre auf die nördliche Hemisphäre umklappen, befänden wir uns auf der
Höhe von Nordfrankreich oder Deutschland“, so Barbosa. Entsprechend
gemäßigt ist das Klima mit Wintern um die minus 2 Grad und Sommern um plus
18 Grad Celsius.
Auf einem hölzernen Steg geht es durch den Wald. Verwittert und gekrümmt
trotzen Scheinbuchen seit über 200 Jahren dem Wind. „Dass es hier überhaupt
Wald gibt, liegt ebenfalls an der geringen Höhe“, sagt Barbosa. Der Steg
stößt auf den Gletscherrand. Das Eis ist porös, es tropft, Schmelzwasser
fließt in Rinnsalen davon. „Für uns ist es kalt, aber für den Gletscher zu
warm“, sagt er. Vor 18.000 Jahren waren die patagonischen Gletscher noch
1.000 Meter dicker und reichten 200 Kilometer weit nach Osten, erklärt er.
Seit damals nimmt die Eismasse stetig ab.
Barbosas Zeigefinger weist nach oben auf eine graue Wand aus Wolken und
Nebel. „Dass wir vom oberen Teil des Gletschers nichts sehen können, ist
normal.“ Dort, etwa 30 Kilometer weiter oben, schneit es an 300 Tagen im
Jahr. Vom Schneefall bis zur Schmelze dauert es 300 bis 400 Jahre. „Eis,
das hier vor unseren Augen schmilzt, wird oben neu gebildet“, meint er und
bricht ein Stück vom porösen Gletscherrand ab. „Ein stetiger Zyklus.“ Vom
Pazifischen Ozean auf der anderen Seite der Gebirges treibt der Ostwind
schwere feuchte Luft die Anden hinauf, die als Mix aus Regen und Schnee die
Feuchtigkeit abgibt und kalt und trocken über die Gipfel in Richtung
Atlantik weiterzieht.
Der Weg führt an einer kleinen Wetterstation vorbei. Ein Auffangbehälter
und einige Antennen ragen auf. Seit 26 Jahren werden hier
Niederschlagsmenge und Temperatur gemessen. Die Temperatur ist in diesem
Zeitraum um durchschnittlich 0,4 Grad gestiegen, so die Daten.
In der Gletscherwand erscheint eine 3 Meter hohe Öffnung. „Hier war einmal
ein 50 Meter langer Eistunnel.“ Man konnte hinein- und sogar oben
darübergehen. „Eis ist nicht elastisch. Wenn der Gletscher einen Felsen
nicht aus seinem Weg räumen kann, dann schiebt er sich darüber und bildet
einen Tunnel“, erklärt er. Doch inzwischen ist alles so weit geschmolzen,
dass schon von außen der große Felsen zu erkennen ist, über den sich das
Gletschereis geschoben hatte.
„Ich kenne den Gletscher seit 30 Jahren. 25 Jahre war er in einer Art
Gleichgewicht, aber seit fünf Jahren zieht er sich sichtbar zurück“, sagt
er. Vor einem Jahr reichte sein Rand noch bis dorthin, erklärt er und zeigt
auf einen 100 Meter entfernten Felsen: „Wo wir jetzt stehen, war bis vor
ein paar Jahren noch alles mit Eis bedeckt.“ Das Abschmelzen hat sich
beschleunigt. Der Gletscher hat erkennbar an Volumen verloren. „Wir mussten
unser Camp 500 Meter nach oben verlegen und neue Zugangswege zum Gletscher
abstecken“, fügt er hinzu.
Der Weg endet an der kleinen Anlegestelle. Leandro Barbosa verabschiedet
sich. Der Katamaran wartet schon. „Andiperla“ heißt das Ausflugsschiff,
benannt nach einem flügellosen Insekt, dessen Lebensraum die patagonischen
Gletscher sind. Auf der anderen Seeseite wartet Abril Galvan, die die
Gruppe zur Nordseite des Perito Moreno führen wird.
## Er knackt, knirscht, donnert und schmilzt
Die Sonne hat sich über den Bergkamm geschoben. Der Wind bläst weiterhin
frostig. Der Gletscher erstreckt sich weißstrahlend im Sonnenlicht. Er
knirscht, er knackt, donnert. „Gott hat hier seine Hand aufgelegt“, sagt
einer, der von diesem Anblick überwältigt ist. „Ich weiß nicht mehr, wie
ich den Perito Moreno zum ersten Mal gesehen habe“, sagt Abril Galvan,
„wenn man klein ist, ist das Besondere nicht so greifbar. Es ist nur ein
Gletscher mehr, wie ein Fluss mehr, ein Berg mehr.“
„Für uns ist der Gletscher etwa Normales, Alltägliches. Er war und ist
immer da, wir besuchen ihn ein-, zweimal im Jahr als Familienausflug.
Deshalb sage ich immer zu den Touristen: ‚Halten Sie diesen ersten Moment
in Ihrer Erinnerung fest‘“, sagt Galvan. Die 26-Jährige ist eine waschechte
Einheimische. Hier geboren und aufgewachsen, hat sie nach der Schule
Touristik studiert und zusätzlich ein Examen bei der Nationalparkbehörde
abgelegt, inklusive Gletscherkunde und Gletschergeschichte.
Abril Galvan führt die Touristen über die weitläufige Passerelle, von der
aus der Gletscher bestens zu sehen ist. Die schwingenden Geräusche der
Metallstege mischen sich mit dem Donner der abbrechenden Eismassen. Vor der
Nordseite des Perito Moreno erklärt sie, dass der Gletscher in vier Jahren
15 Meter an Höhe verloren hat und dass die Nordwand 1,5 Quadratkilometer
zurückgegangen ist, etwa die Hälfte davon im letzten Sommer. „Als ich den
Gletscher im Februar vorstellte, war ich immer wieder überrascht, einen
großen Teil der Nordwand im Eisbergkanal treiben zu sehen“, sagt sie und
zeigt auf die gegenüberliegende Uferböschung. „An dem nackten Felsenufer
dort sieht man deutlich den Rückgang.“
Der Gletscher schiebt sich pro Tag 1 bis 3 Meter vorwärts. Und während er
an den Rändern von den Berghängen abgebremst wird, kommt seine Mitte
schneller voran. In Form einer Pfeilspitze trifft er schließlich auf die
vorgelagerte Magallanes-Halbinsel im Lago Argentino. Wenn sich die
Eismassen bis über die Halbinsel schieben, bilden sie eine 40 Meter hohe
Staumauer aus Eis, die den Abfluss des südlichen Teils des Lago blockiert.
Das Schmelzwasser des Gletschers selbst und die Zuflüsse von den
umliegenden Bergen lassen den Wasserspiegel um bis zu 30 Meter ansteigen.
Der Druck auf den eisigen Damm wächst, und früher oder später bricht er mit
ohrenbetäubendem Getöse zusammen. Während das kahle Felsenufer auf der
Südseite so eine Konsequenz des Anstiegs des Wasserspiegels ist, belegt es
auf der Nordseite den Rückzug der Gletscherwand.
Der Rückgang zeigt sich nicht nur beim Perito Moreno. Dramatischer ist er
beim 100 Kilometer entfernten Upsala-Gletscher. Allein im vergangenen Jahr
ist seine Eisfläche um einen Quadratkilometer zurückgegangen. Noch vor
einigen Jahren konnte man mit dem Katamaran im Upsala-Kanal bis zu
Gletscherwand fahren. Wegen der gestiegenen Instabilität der Gletscherwand
und der Zahl der abgebrochenen Eisblöcke im Kanal kommt man nur noch bis
auf zehn Kilometer heran.
Jetzt drängt Guide Abril Galvan etwas zur Eile. In den Wintermonaten wird
der Nationalpark bereits um 16 Uhr geschlossen, und der Besuch im
Glaciarium steht noch an. Die 30 Kilometer auf der Halbinsel Magallanes
führen in Serpentinen zurück zum Parkausgang. Dann öffnet sich die Ebene
der patagonischen Steppe. Auf einer geraden Asphaltstrecke geht es 50
Kilometer am tiefblauen Lago Argentino entlang. Der ist mir seinen mehr als
1.500 Quadratkilometern Wasserfläche Argentiniens größter See. Der Fluss
Santa Cruz, der vom See in den Atlantik fließt, gibt der Provinz ihren
Namen.
Rechter Hand ragt plötzlich ein Gebäude wie ein Eisberg aus der
Steppenlandschaft heraus. Das Glaciarium, das vor gut zehn Jahren eröffnet
wurde, wird oft als Gletschermuseum bezeichnet, ist aber ein
wissenschaftliches Dokumentationszentrum. Am Eingang wartet Alexis
Martínez. Der 28-Jährige stammt aus der 3.000 Kilometer nördlich liegenden
Provinz Jujuy. Er kam im Jahr 2000 auf der Suche nach Arbeit nach
Patagonien, hat Touristik studiert und absolvierte einen Intensivkurs in
Glaziologie.
Die Ausstellungsräume im Inneren des Gebäudes sind dunkel gehalten.
Leuchtende Displays ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. „Schnee fällt in
Form von Flocken. Sie sammeln sich Schicht auf Schicht und bilden kompakten
Schnee. Dann beginnt die Eisbildung.“ Dass Alexis Martínez die Führung mit
solchen Basics beginnt, hat einen Grund. Viele Argentinier*innen haben
keine persönliche Erfahrung mit Schnee und Eis. So hat es in der Hauptstadt
Buenos Aires im Juli 2007 letztmals einen Tag leicht geschneit, und das
nach 80 schneefreien Jahren. „Gletscher sind Eismassen in Bewegung,
angetrieben durch ihr Eigengewicht und die Schwerkraft“, erklärt Martínez
weiter.
Oberer Teil der Gletscher ist die Akkumulationszone, in der sich aus
Schnee Eis bildet. Ihr unterer Teil ist die Verlust- oder Auftauzone.
Zwischen beiden Zonen verläuft eine nicht sichtbare Gleichgewichtslinie.
Dass die Gletscher wegen der höheren Temperaturen in der Auftauzone auf den
Rückzug sind, ist bekannt. Bisher wenige Forschungsdaten gibt es darüber,
ob die Schneefälle in der Akkumulationszone zurückgegangen sind. „Die
Entwicklungen bei Gletschern sind in Jahrtausendzeiträumen zu begreifen,
nicht in wenigen Jahrzehnten“, sagt Alexis Martínez.
## Der Klimawandel beschleunigt die Prozesse
Der Scheinwerfer an der Decke strahlt auf ein ausgedehntes
Landschaftsrelief. Die braune Anden-Gebirgskette kontrastiert mit den
Gletschern in Weiß. Die Augen suchen nach dem Perito Moreno, der mit seinen
254 Quadratkilometern winzig erscheint und einer von 47 Gletschern in
Patagonien ist. „Alle Gletscher zusammen bilden das Südpatagonische
Eisfeld, das mit 12.500 Quadratkilometern nach der Antarktis und
[1][Grönland] das drittgrößte gefrorene Süßwasserreservoir der Welt ist“,
sagt Martínez. Vor 20.000 Jahren reichten die Eismassen bis zum Atlantik.
Damals läutete der Temperaturanstieg eine Epoche der Entgletscherung ein.
„Das Abschmelzen der Gletscher ist ein Phänomen, das seit Tausenden von
Jahren im Gang ist. Der Klimawandel hat diesen Prozess beschleunigt.“
In Argentinien gibt es rund 16.000 Gletscher entlang der
Anden-Gebirgskette. Ein Forschungsteam des Instituts für Schnee,
Glaziologie und Umweltwissenschaften (Ianigla) hat sie wissenschaftlich im
Blick. Die Daten zeigen, dass sich die Gletscher seit 1990 immer schneller
zurückziehen, vor allem im Süden Patagoniens.
Gletscher sind Süßwasserreservoirs, und Gletscherwasser ist wichtiges
Trinkwasser, insbesondere für die Bewohner der Städte in der Nähe der
Berge, aber auch entlang der Flüsse, die Argentinien in Richtung Atlantik
durchqueren. Zwischen 2000 und 2020 verloren die Gletscher durchschnittlich
4 Kubikkilometer Masse pro Jahr. Es sind nicht so sehr die riesigen
Eissäulen, die von den Gletschern abbrechen, die den Rückzug verursachen.
Das ist Teil des natürlichen Zyklus eines Gletschers. Der Verlust findet in
der Akkumulationszone statt.
Ein Raum im Glaciarium ist dem Namensgeber des Gletschers gewidmet:
Francisco Pascasio Moreno. „Perito“ ist ein Titel und bedeutet Experte oder
Sachverständiger. Moreno (1852–1919) erforschte nicht nur die Flora und
Fauna, sondern auch die Geografie Patagoniens. Den nach ihm benannten
Gletscher hat er nie gesehen.
Zum Abschluss wird in der GlacioBar angestoßen. Die eiskalte Bar im Stil
einer Gletscherhöhle schafft einen willkommenen Ausgleich zu all den
wissenschaftlichen Erklärungen.
Innerlich aufgewärmt geht es die letzten sechs Kilometer bis El Calafate,
dem touristischen Alpha und Omega eines Perito-Moreno-Besuchs. Der Ort wäre
gänzlich unbekannt, wenn er nicht über den besten Zugang zu dem Gletscher
verfügen würde. Entlang der Avenida Libertador reihen sich die Restaurants,
Souvenirläden und Verkaufsbüros der lokalen Reiseveranstalter auf. Hotels
in allen Stern- und Preisklassen heißen die Touristen willkommen. Bei der
Volkszählung 2001 wurden in El Calafate 6.143 Einwohner*innen gezählt.
Heute sind es 30.000 und nahezu alle leben direkt oder indirekt vom
Tourismus.
Ein kleiner Umweg über den Paseo Costanera Presidente Néstor Kirchner führt
zur Bahía Redonda am Lago Argentino. Flamingos gründeln im Licht der
tiefstehenden Sonne. Die Küstenstraße entlang dieser „Runden Bucht“ ist
nach dem ehemaligen Präsidenten Kirchner (2003–2007) benannt. Néstor
Kirchner starb im Oktober 2010 in El Calafate, seine Ruhestätte ist in der
Provinzhauptstadt Río Gallegos. Witwe Cristina Kirchner, ehemalige
Präsidentin (2007–2015) und amtierende Vizepräsidentin, hält sich oft in
ihrem Haus in El Calafate auf, das zu einem beliebten Fotomotiv geworden
ist und nur einen Steinwurf von der Hotelanlage Los Sauces entfernt liegt,
die Gegenstand eines [2][Korruptionsverfahrens gegen die Familie Kirchner
ist].
[3][Néstor Kirchner] war vierzehn Jahre Gouverneur der Provinz Santa Cruz
und wusste um das touristische Potenzial des Gletschers. Sechs Monate nach
seinem Amtsantritt als Präsident gelang es ihm, das spanische Königspaar zu
einem Besuch nach El Calafate zu locken. Die Hochglanzfotos von Juan Carlos
I. und Königin Sofía vor der Eiswand des Perito Moreno strahlten aus allen
Boulevardmagazinen und machten die Gletscherkulisse weltweit bekannt. Der
Aufschwung hatte jedoch bereits mit dem im Jahr 2000 eröffneten Flughafen
seinen Anfang genommen. Mussten Reisende zuvor in Río Gallegos landen und
die 300 Kilometer bis El Calafate in Bussen oder Pick-ups auf
Schotterpisten bewältigen, so landen seither die Maschinen in El Calafate.
## Die Ruhe und die Natur im Perito Moreno
In der Calle Almirante Brown ist die Öko-Gärtnerei Las Moras. Im kleinen
Verkaufsladen wird auch im Winter frisches Gemüse angeboten. Aus den
Regalen duftet es nach Kräutern und allerlei Teesorten. Pilar Duhalde hat
gerade die letzten drei Gläser mit Calafate-Marmelade verkauft. Der kleinen
Wildbeere verdankt der Ort seinen Namen. Die hartschalige,
heidelbeerähnliche Frucht hat einem intensiven Geschmack und stammt vom
Calafate-Strauch. Die bis zu 1,50 Meter hohen Calafate-Sträucher wachsen
überall in der umliegenden baumlosen Steppe.
„Wer will, geht im März und April hinaus und erntet“, sagt Pilar Duhalde.
Im Mai ist die Saison zu Ende, denn dann wird es zu kalt für die Beeren.
Neben Marmeladen werden auch Liköre daraus hergestellt. Beide sind bei
Touristen besonders beliebte Mitbringsel. Der Volksmund sagt, der Genuss
der wilden Beeren hat zwei Konsequenzen. Einerseits sind sie
verdauungsfördernd, andererseits kehrt jeder, der sie isst, nach Patagonien
zurück, lacht sie.
Dieses Jahr hat sich der Sommer länger hingezogen. „Das Wetter hat sich
sehr verändert“, sagt Pilar Duhalde. Die Winter sind zwar kälter, aber die
Kältephasen mit Minusgraden kürzer. „Bei der Vegetation merkt man es vor
allem im Frühling, nicht unbedingt in der Steppe, aber hier in der
Gärtnerei“, sagt sie. Das Klima ist zwar in der Regel trocken, aber es gibt
viel weniger Schnee und damit noch weniger Feuchtigkeit. „Als Kinder sind
wir den ganzen Winter in der Runden Bucht Schlittschuhe gelaufen. Das ging
schon im Mai los. Aber jetzt ist nicht einmal genügend Wasser in der
Bucht“, sagt die 32-Jährige.
Mit sechs Jahren ist sie nach El Calafate gekommen, hat hier die Schule
besucht und ist geblieben. „Die Lebensqualität ist enorm. Nicht in Bezug
auf das Einkommen, aber auf die Ruhe und die Natur, in der wir leben. Für
mich gibt es nichts Schöneres als den Perito Moreno. Er überwältigt mich
jedes Mal, wenn ich ihn sehe.“ Lange hat sie in der Gastronomie gearbeitet
und seit einem halben Jahr in der Gärtnerei.
In Las Moras verkaufen sie in den Sommermonaten vor allem Früchte wie
Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren und Hagebutten. Jetzt im
Winter sind die Beete in den Außenanlegen kahl. Im beheizten Gewächshaus
wachsen Salat, Spinat und Mangold in Hydrokultur. Der Microgreen-Anbau
sorgt für Baby-Karotten und Baby-Rote-Beete. Damit beliefert die Gärtnerei
die Restaurants, in denen die Touristen einkehren. Oder die Ortsansässigen,
die zum Einkauf kommen, aber ebenfalls vom Tourismus leben. „In El Calafate
hängt alles am Tourismus, direkt oder indirekt“, sagt Pilar Duhalde. „Der
Perito Moreno ist alles für uns alle“, fügt sie hinzu.
7 Sep 2023
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## AUTOREN
Jürgen Vogt
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