# taz.de -- Scholz, Lauterbach und die CDU: Einhorn unter Ackergäulen | |
> Eigentlich stand dem Kanzler seine Augenklappe gut. Wichtig ist, immer | |
> locker zu bleiben. Nur dann nicht, wenn sich die CDU mit der AfD gemein | |
> macht. | |
Bild: Bin ich noch Einhorn oder schon Ackergaul? | |
Die Minderjährige, die zu meiner Hausgemeinschaft gehört, hatte diese Woche | |
Geburtstag. Hierzu eine schockierende Information: Sie ist volljährig | |
geworden. Ich hab noch mal nachgerechnet und alle Dokumente inklusive | |
Mutterpass und Geburtsurkunde geprüft. Alles scheint korrekt. Doch was sind | |
schon Fakten, wenn es die gefühlte Wirklichkeit gibt? | |
Gefühlt hat Bundeskanzler Olaf Scholz beispielsweise ewig lang [1][eine | |
Augenklappe] getragen und in diesem verwegenen Outfit die halbe Welt | |
bereist. Er wirkte dabei wie ein Einhorn unter Ackergäulen. Sogar die | |
frisch Volljährige hat seine Existenz plötzlich wahrgenommen. Eigentlich | |
wäre es für ihn ratsam gewesen, sich eine lichtempfindliche Augenkrankheit | |
attestieren zu lassen und nie mehr ohne herumzulaufen. Doch seit dieser | |
Woche ist Scholz wieder Scholz. Schade. | |
Das wahre Einhorn unter den Regierungsgäulen ist ohnehin Karl Lauterbach. | |
Auch ohne Augenklappe sticht er immer und überall heraus. Sei es, weil er | |
morgens seinen Kamm nicht findet, Fakten im rheinischen Singsang vorträgt | |
oder freudig erregt vor seiner salzarmen Kost steht. Und jetzt fällt der | |
Gesundheitsminister auch noch damit auf, dass er von [2][Krankenhäusern in | |
Deutschland] nicht einfach nur Betten, sondern Qualität verlangt. | |
Die Krankenversicherten sollen in seinem geplanten | |
Krankenhaustransparenzgesetz erfahren können, welche Häuser Operationen und | |
Behandlungen erfolgreich und gut ausführen – und welche nicht. Die Kliniken | |
sind empört. Es könnte zu Engpässen in gut bewerteten Häusern kommen, | |
befürchten sie, weil dann keiner mehr in die Kliniken will, wo es schon | |
viele Komplikationen gab. | |
## Einfach mal locker bleiben | |
Mit anderen Worten: Die Patienten sollen mal locker bleiben und den | |
Chirurgen, die sonst immer nur Blinddarm auf dem Tisch haben, auch mal eine | |
Herz- oder Hüft-OP gönnen. Ohne Herausforderungen könnte die | |
Arbeitszufriedenheit der Mediziner Schaden nehmen. Wer möchte sich das | |
Leben nicht mal ein bisschen interessanter machen? Auch die [3][CDU in | |
Thüringen] wollte mal aus der Oppositionsroutine ausbrechen und zur | |
Abwechslung mal einen Gesetzentwurf zimmern, den auch die rechtsextreme AfD | |
recht gut findet. | |
Wie hätte der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt ahnen könnten, dass im | |
Thüringer Landtag eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung unter der Führung | |
von Bodo Ramelow regiert? Auch die Thüringer FDP ahnte nichts und ist | |
ebenso überrascht von dem Ergebnis wie 2020, als der Liberale Thomas Karl | |
Leonard Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt | |
wurde. | |
Auch da war einfach schwer vorauszusehen, dass auch die Höcke-Partei dem | |
Ministerpräsidenten Bodo Ramelow eins auswischen wollte, weil er von der | |
schmuddeligen Linkspartei ist. Insgesamt könnte man leicht den Eindruck | |
gewinnen, dass die Brandmauer zwischen CDU und AfD in Thüringen tatsächlich | |
ein Raumteiler ist, den man nach Belieben verschieben kann. Sehr feuerfest | |
wirkt er dabei nicht. Aber gefühlt ist für CDU-Chef Friedrich Merz auch ein | |
Raumteiler eine Brandmauer. | |
Für Gefühltes habe ich grundsätzlich viel Verständnis. Bei der gefühlt | |
Minderjährigen brennt auch ständig etwas an, vor allem emotional. Und | |
selbstverständlich auch zu den unterschiedlichsten Tages- und Nachtzeiten. | |
Während man als junger Mensch in unserer Hausgemeinschaft grundsätzlich von | |
Müdigkeit überwältigt wird, wenn es nach dem Abendessen ans Kücheaufräumen | |
geht, sieht es zu späterer Stunde ganz anders aus. Sofort und unverzüglich | |
muss dann in Liebesangelegenheiten gehandelt werden. Weil sonst die Welt | |
untergeht, und zwar ganz im Ernst. | |
Schlaftrunken, wie ich war, dachte ich zunächst, mein Rat sei gefragt. Doch | |
es ging nur darum, meine Fahrdienste zur Verfügung zu stellen und draußen | |
zu warten, bis der Liebeskosmos wieder in Ordnung ist. Aber immerhin. Ich | |
werde noch gebraucht. Manchmal. Ein bisschen. | |
16 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Silke Mertins | |
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