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# taz.de -- „Jägerdenkmal“ in Hohenlockstedt: Finnlands Anker im deutschen…
> Das „Jägerdenkmal“ im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt erinnert an
> militärische Allianzen mit Finnland. Diese gelten bis heute als Erfolg.
Bild: Unter die Fittiche genommen vom großen Bruder Deutschland: So steht's se…
Hohenlockstedt taz | Ein Halbrund, darum niedrige Hecken und etwas Zaun,
davor ein paar Masten zum Flaggenhissen. Gekrönt von einem steinernen
Stahlhelm, erinnert eine Säule an jene, die 1918 nicht zurückkehrten von
der Front; eine backsteinerne „Mahnmauer“ soll die Gefallenen aus dem
Zweiten Weltkrieg vor dem Vergessen bewahren; einem Findling ist in
Beinahe-Runenschrift eingemeißelt: „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“, weitere
solcher knubbeligen Brocken erwähnen lange verblichene Infanterieregimenter
von 1917 – oder erinnern an die deutsche [1][Wiedervereinigung] von 1990.
Was wirkt wie ein Schnelldurchgang durchs deutsche 20. Jahrhundert, hier
vor Ort nennen sie es ihren „Ehrenhain“. 1955 wurden, neben Sportplatz und
Freiwilliger Feuerwehr, „alle im Ort stehenden Denkmäler“ zusammengeführt,
[2][verrät die Homepage] des kleinen Museums im Hohenlockstedter
Wasserturm.
Dass für einen (heute) 6.000-Seelen-Ort auffällig viele an Kriege und,
verklausuliert, ihre Opfer erinnern, hat mit seiner besonderen Geschichte
zu tun: Ebenfalls bis Mitte der 1950er-Jahre hieß der Ort „Lockstedter
Lager“, angelehnt an den Truppenübungsplatz, der hier existierte, lange
bevor 1927 die Gemeinde gegründet wurde. Ab 1872 übte hier die preußische
Armee, in Weimarer Zeiten tummelten sich hier demokratiefeindliche
Rechtsextremisten, Lockstedter Lager gilt als „Wiege der
schleswig-holsteinischen SA“. Auf dem 1936 gegründeten Flugplatz „Hungriger
Wolf“ war nach der NS-Zeit dann auch die bundesdeutsche Luftwaffe
stationiert.
Man kann also den ganzen Ort als Denkmal betrachten – inklusive seiner
Umbenennung aus Sorge um den, nun ja, guten Ruf; „Lager“ klang 1956 doch
arg nach der eben erst gestoppten deutschen Vernichtungsmaschinerie.
Tatsächlich: Einen guten Ruf hat das Örtchen bis heute – in Finnland. Das
Zentrum des „Ehrenhains“, gelegen an einer „Finnischen Allee“, stiftet
[3][ein 1939 enthüllter, rechteckiger schwarzer Stein] mit eingemeißelten
Soldatendarstellungen sowie Text auf Deutsch und Finnisch: „Das mächtige
Deutschland nahm Finnlands junge Männer auf und erzog sie in seinem
ruhmreichen Heere zu Soldaten.“
Tatsächlich bildete das Deutsche Reich im Lager Lockstedt ab 1915
Kriegsfreiwillige aus, oft höhere Söhne. Diese „Finnischen Jäger“ sollten
später den Kern der finnischen Armee bilden: 1917 löste sich das
„Großfürstentum Finnland“ von Russland – auch mit Hilfe der hier geform…
„Jäger“.
Den Feind der Feinde stärken – das versuchte das Kaiserreich auch in Afrika
und dem Nahen Osten, wo es bei den vielfach muslimischen Menschen in den
Kolonien nach Bündnispartnern gegen Frankreich, Großbritannien und Russland
suchte. Der Erfolg dieser nachträglich als „Djihad-Strategie“ bezeichneten
Schritte blieb überschaubar, es erhoben sich nicht massig Unterjochte gegen
ihre – von Berlin aus gesehen falschen – Kolonisierer.
Dagegen gilt die militärische Entwicklungshilfe im Norden bis heute als
Erfolg. Freilich: Deutschland hatte sich gleich auch noch einen
Bündnispartner verschafft für den nächsten Weltkrieg. Es führen mindestens
einzelne biografische Linien vom Lockstedter Lager auch zum späteren
„weißen Terror“, als die Wehrmacht, diesmal in Hitlers Auftrag, im
europäischen Osten wütete.
Schon im Finnischen Bürgerkrieg, Ende 1917 bis Mitte 1918, hatten die
Deutschen mit ihrer Ausbildung Partei genommen, gegen die „Roten“, die
vergleichsweise moderaten finnischen Sozialisten, und für die teils brutal
Vergeltung übenden „Weißen“. Daran aber wird nicht so sehr erinnert, wenn
alljährlich deutsche und finnische Gäste zum [4][„Finnentag“] anreisen,
Reden halten, Kränze ablegen, Geschenke austauschen.
Einen kleinen Partner zu stärken gegen einen großen Gegner im Osten, den
selbst zu bekämpfen sehr viel komplizierter wäre, riskanter auch: Das
klingt seit dem [5][russischen Überfall auf die Ukraine] wieder sehr
aktuell. Als Anfang März das vorerst letzte Mal finnische Fahnen in der
Finnischen Allee wehten, liefen die Verhandlungen über den Nato-Beitritt
des lange neutralen Landes.
Aber all das Finnische, das eingefriedete Halbrund, ganz Hohenlockstedt
stehen nicht nur für vergangene Glorie. Gegen alle offiziösen
Zuschreibungen (wie auch Auslassungen) weist dieser Ort mit den vielen
Verbindungen zum gewaltsamen Tod immer auch hin auf die Frage selbst: Was
finden wir glorreich, woran erinnern wir uns – und wie tun wir das? Im
besten Sinne anstößig also, der schwarze Stein und das, was ihn umgibt.
4 Dec 2023
## LINKS
[1] /Wiedervereinigung/!t5021942
[2] https://www.hohenlockstedt-museum.de/locksteter-lager
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schleswig-Holstein,_Hohenlockstedt,_Ehr…
[4] https://www.reservistenverband.de/niedersachsen/lueneburg/aktuelles/526588/
[5] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Schleswig-Holstein
Finnland
Schwerpunkt Erster Weltkrieg
Russische Revolution
Denkmal
Schwerpunkt Stadtland
Faschismus
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