Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Putsch in Gabun: Das korrupte System Bongo
> Gabuns schwerreiche Herrscherfamilie war eng mit der früheren
> Kolonialmacht Frankreich verflochten. Dort laufen Ermittlungen gegen sie.
Bild: Präsident Ali Bongo unter Hausarrest in seiner Residenz am 30. August
Berlin taz | Gabun ist mit weniger als 2,5 Millionen Einwohnern ein Land am
Atlantik, das größtenteils aus tropischem Regenwald besteht, und daher
geostrategisch eher unbedeutend. Für Frankreich war und ist es aber einer
der wichtigsten Partner in Afrika.
Präsident Omar Bongo, der von 1967 bis 2009 absolut regierte, war einer der
einflussreichsten Staatschefs im frankophonen Raum: Durch seine
Langlebigkeit kannte er irgendwann jeden, durch seine Verfügungsgewalt über
Gabuns Ölgelder konnte er immer wieder diskret finanziell eingreifen.
In Gabuns Hauptstadt Libreville besteht bis heute eine ständige
französische Militärbasis am Flughafen mit aktuell 170 Soldaten. Bongos
Geburtsort heißt natürlich Franceville. Die französische Eramet-Gruppe ist
über ihre Filialen in Gabun, die Manganminen und das Eisenbahnnetz
betreiben, Gabuns größter privater Investor und Arbeitgeber.
Statistisch ist Gabun ein Rätsel. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt ohne
Strom, sauberes Wasser und Zugang zu Gesundheitsversorgung im Elend, aber
Gabuns Pro-Kopf-Einkommen ist [1][laut Weltbank] mit zuletzt 8.820
US-Dollar pro Jahr sechsmal höher ist als der afrikanische Durchschnitt und
doppelt so hoch wie das der Ukraine. Gabuns Bruttoinlandsprodukt ist größer
als das von Mali, das zehnmal so viele Einwohner hat.
## Paris entscheidet, wer die Macht hat
Die Lösung dieses Rätsels lautet „Francafrique“ – so nennen radikale
Kritiker das korrupte Geflecht aus privaten und öffentlichen Interessen
zwischen Frankreich und seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien, das dafür
sorgt, dass viele der dortigen politische Eliten sich mehr um ihre
Beziehungen zu Paris als um die eigene Bevölkerung kümmern. Weil eben Paris
entscheidet, wer die Macht hat. Die meisten afrikanischen Staaten haben
sich von diesem System emanzipiert. Gabun ist dabei geblieben, auch unter
Omar Bongos jetzt gestürztem Sohn Ali.
Der Grund: Die Bongo-Familie ist reich und mächtig wie wenige in Afrika.
Untersuchungsberichten zufolge spielte Gabun lange eine zentrale Rolle in
der Geldwäsche der korsischen Mafia, die über den Umweg von Gabuns Banken
ihr Geld in Frankreich anlegen und gaullistischen
Präsidentschaftskandidaten bis hin zu Nicolas Sarkozy zum Wahlsieg
verhelfen konnte. Dieses Geld soll 2009 auch in Gabun dafür gesorgt haben,
dass nach dem Tod Omar Bongos sein Sohn Ali Präsident wurde und nicht seine
Tochter Pascaline, die große Rivalin. Die beiden zerstritten sich vor allem
über das Familienerbe.
Nach [2][Recherchen der französischen Investigativseite Mediapart ] besitzt
die Holding „Delta Synergie“ im Besitz der Familie Bongo Anteile an fast
allen wichtigen Unternehmen Gabuns, auch Filialen französischer Firmen, vom
Öl über Bergbau bis zu Banken und Versicherungen.
Die Familie besitzt auch immense Ländereien in Gabun selbst, und Berichten
zufolge besaß Vater Bongo bei seinem Tod in Frankreich 70 Bankkonten, 39
Immobilien und 12 Luxusautos. Der Erwerb lief laut französischen Ermittlern
so: Von privaten Konten auf der BGFI-Bank in Gabun, einer Filiale der
französischen Bank BNP Paribas mit Bongo-Beteiligung, floss Geld nach
Frankreich auf ein Paribas-Konto der Firma „Atelier 74“. Mit Schecks auf
dieses Konto wurden Schlösser und Villen erworben – bis 2009 für 52
Millionen Euro, hieß es.
Erste Ermittlungen in Frankreich gegen die Bongo-Familie wegen unrechtmäßig
erworbener Güter (biens mal acquis) wurden 2007 eingestellt, 2010 aber
wieder aufgenommen – ebenso gegen die Familie Sassou-Nguesso, die
Kongo-Brazzaville regiert und mit der Bongo-Familie verschwägert ist, und
der Familie Obiang Nguema, die Äquatorialguinea regiert. 2016 wurden
erstmals Bongo-Immobilien in Paris und Nizza beschlagnahmt. Der gabunische
Immobilienbesitz unklaren Ursprungs wurde 2010 von der französischen Justiz
auf 85 Millionen Euro bewertet.
## Verfahren gegen neun Kinder Bongos
Seit Frankreichs Parlament im Juli 2021 beschloss, dass beschlagnahmte
Güter im Rahmen von Gerichtsverfahren wegen biens mal acquis an die
Bevölkerungen der bestohlenen Länder übergeben werden können, haben diese
Ermittlungen an Fahrt aufgenommen. Ermittlungsverfahren gegen neun Kinder
Omar Bongos wurden im Jahr 2022 eröffnet. Ali Bongo selbst genießt als
Staatsoberhaupt Immunität.
Im März 2023 ließ Frankreichs Justiz in den Bongo-Verfahren den Staat Gabun
als potenziell Geschädigten von Geldwäsche und Untreue als Nebenkläger zu –
zum Erstaunen vieler Kritiker, da der Staat Gabun bis jetzt mit der
Bongo-Familie weitgehend identisch gewesen ist. Aber wenn nun die
Bongo-Herrschaft tatsächlich dauerhaft beendet ist, wird diese Konstruktion
möglicherweise interessant. Bereits seit Mai 2021 läuft außerdem ein
Ermittlungsverfahren gegen die französische Bank BNP Paribas wegen
Geldwäsche.
Man darf gespannt sein, was noch alles ans Licht kommt, wenn die
Bongo-Familie tatsächlich entmachtet ist. Das könnte auch für Frankreichs
Präsidenten Emmanuel Macron unangenehm werden, der Gabun erst im März
besuchte. Macron verurteilte am Mittwoch den Putsch und rief dazu auf, das
amtliche Wahlergebnis – also den Sieg Ali Bongos bei den Wahlen vergangene
Woche – zu respektieren. Aber noch ist nicht klar, ob in Gabun jemand zur
Verfügung steht, der sich nicht irgendwo im Bongo-System kompromittiert
hat.
30 Aug 2023
## LINKS
[1] https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.PCAP.CD?locations=GA
[2] https://www.mediapart.fr/journal/international/dossier/la-fortune-cachee-de…
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Gabun
Schwerpunkt Frankreich
Militärputsch
Ali Bongo
Gabun
EU-Außenminister
Gabun
Gabun
Gabun
Wahlen
Gabun
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach dem Putsch in Gabun: Neuer Ministerpräsident eingesetzt
Nach dem Ende der Bongo-Herrschaft setzt Gabuns Armee den
Ex-Oppositionschef als Ministerpräsidenten ein. Ein Wahltermin stehen noch
aus.
Informelles EU-Gipfel in Toledo: Die 20-Milliarden-Euro-Frage
Die Verteidigungs- und Außenminister der EU wollen die Ukraine weiter
unterstützen. Doch die Höhe der Hilfen ist umstritten.
Nach dem Militärputsch in Gabun: Alter Besen soll neu kehren
Die Militärputschisten bestätigen den bisherigen Chef der Präsidialgarde
als neuen Übergangspräsidenten. Die Opposition sieht sich ausgebootet.
Staatsstreich in Gabun: Endlich mal ein sinnvoller Putsch
Beim Umsturz in Gabun ist der Herrscher einer mächtigen Familie abgesetzt
worden. Ob es einen demokratischen Aufbruch geben kann, ist ungewiss.
Nach dem Sturz des alten Familienclans: Jubel in Gabun
Nachdem Gabuns Wahlbehörde Präsident Ali Bongo die Wiederwahl bescheinigt,
wird er abgesetzt und verhaftet. Auf den Straßen feiert die Bevölkerung.
Machtübernahme in Gabun: Das Militär übernimmt
Vor einigen Tagen fanden im zentralafrikanischen Gabun
Präsidentschaftswahlen statt. Nun erklärten Militärvertreter die Wahlen für
ungültig.
Afrikanischer Ölstaat Gabun: Wahlfarce eines Autokraten
Ali Bongo lässt sich am Samstag wiederwählen, seine Familie hat Gabun fest
im Griff. Wahlplakate für die Konkurrenz gibt es nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.