# taz.de -- Nach dem Sturz des alten Familienclans: Jubel in Gabun | |
> Nachdem Gabuns Wahlbehörde Präsident Ali Bongo die Wiederwahl | |
> bescheinigt, wird er abgesetzt und verhaftet. Auf den Straßen feiert die | |
> Bevölkerung. | |
Bild: Port-Gentil, Gabun, 30. August: In der Oppositionshochburg ebenso wie in … | |
BERLIN taz | In Gabun hat das Militär Präsident Ali Bongo gestürzt und | |
damit der Herrschaft der Bongo-Familie nach 56 Jahren ein Ende gesetzt. | |
Eine Gruppe von Uniformierten gab am frühen Mittwochmorgen in einer [1][im | |
Fernsehen verlesenen Erklärung] bekannt, ein „Komitee für den Übergang und | |
die Wiederherstellung der Institutionen“ (CTRI) der Streitkräfte habe „im | |
Namen des gabunischen Volkes und als Garant des Schutzes der Institutionen | |
beschlossen, den Frieden zu verteidigen, indem dem amtierenden Regime ein | |
Ende gesetzt wird“. Alle Institutionen seien aufgelöst. | |
Die Inszenierung war surreal. Erst wurde im Staatsfernsehen das amtliche | |
Endergebnis der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Samstag verlesen: | |
293.919 Stimmen für Amtsinhaber Ali Bongo, also 62,47 Prozent bei einer | |
Wahlbeteiligung von 56,65 Prozent. | |
Es folgte eine Sendepause, dann füllten sich die TV-Bildschirme mit der | |
Erklärung der Putschisten, aufgenommen vom Sender „Gabon 24“, dessen Studio | |
sich im Präsidentenpalast befindet. Direkt im Anschluss wurden auch die | |
Internetverbindungen von Gabun in den Rest der Welt hergestellt, die die | |
Regierung bei der Wahl abgeschaltet hatte. | |
In den folgenden Stunden füllten sich die Straßen der Hauptstadt Libreville | |
und der großen Hafenstadt Port-Gentil, historisch eine Bastion der | |
Opposition, mit immer größeren Mengen feiernder Menschen. Sie jubelten | |
vorbeifahrenden Polizisten und Soldaten zu, die noch am Vortag den Befehl | |
hatten, auf Demonstranten zu schießen – offiziell gilt immer noch | |
Ausgangssperre. Auf einer Aufnahme ist zu sehen, wie grinsende Jugendliche | |
maskierten Soldaten mehrere Kästen Bier hinstellen. Überall freuen sich | |
Menschen über die „Befreiung“. | |
## Putschversuch bereits im Januar 2019 | |
Es gab zunächst Befürchtungen, dieser Putsch könne genauso schnell wieder | |
in sich zusammenfallen wie der letzte Putschversuch von Januar 2019, der | |
noch am gleichen Tag niedergeschlagen wurde. Doch im Laufe des Tages wurden | |
immer mehr Festnahmen hochgestellter Persönlichkeiten des Bongo-Regimes und | |
mächtiger Angehöriger der Bongo-Familie gemeldet – an erster Stelle | |
Präsidentensohn Noureddin Bongo Valentin, seit 2019 engster Berater des | |
Präsidenten, ebenso die Führungsspitze der Regierungspartei PDG (Gabunische | |
Demokratische Partei). Als Gründe nannten die Putschisten in einer | |
[2][zweiten Erklärung] unter anderem Hochverrat. | |
Der gestürzte Ali Bongo selbst, der seit einem Schlaganfall 2018 kaum noch | |
laufen kann, befinde sich im Präsidentenpalast unter Hausarrest, „umgeben | |
von seiner Familie und seinen Ärzten“. In einer auf Englisch aufgenommenen | |
[3][Videoansprache] aus einem Luxussalon im Palast rief Ali Bongo seine | |
„Freunde auf der ganzen Welt“ dazu auf, „Lärm zu machen“. Er sagte: �… | |
Leute hier haben mich verhaftet und meine Familie. […] Ich weiß nicht, was | |
los ist“. | |
Wer nun eigentlich die Macht ergriffen hat, blieb zunächst unklar. Die | |
Putschisten gaben sich bei ihrem frühmorgendlichen TV-Auftritt nicht | |
namentlich zu erkennen, mehrere von ihnen waren allerdings von hohem Rang, | |
wie deutlich zu erkennen war. Mittags zirkulierte ein Name als mutmaßlicher | |
Putschistenchef: General Brice Oligui Nguema, Kommandeur der | |
Präsidialgarde. | |
## Kein demokratischer Neuanfang mit Oligui | |
Er selbst äußerste sich als Erstes gegenüber der französischen Zeitung Le | |
Monde und sagte: „Ich erkläre mich noch nicht, für den Moment plane ich | |
noch nichts.“ Es werde im Laufe des Nachmittags ein Treffen aller Generäle | |
geben und dort solle ein „Konsens“ gefunden werden. Einige Medien meldeten | |
jedoch, das CTRI habe sich bereits auf Oligui als neuen | |
Übergangspräsidenten geeinigt, und er selbst präsentierte sich am | |
Nachmittag bereits online als „[4][Präsident des CTRI“]. | |
Für einen demokratischen Neuanfang steht Oligui nicht: In einer | |
[5][Antikorruptionsuntersuchung] wird er selbst als Profiteur des | |
Bongo-Systems bezeichnet: Er sei nicht nur ein Cousin des gestürzten | |
Präsidenten, sondern habe Immobilien in den USA für eine Million US-Dollar | |
in bar gekauft, heißt es. | |
In der Begründung für den Putsch nennen die Militärs neben der „schweren | |
Krise“ des Landes die Wahlen vom 26. August, deren Organisation nicht „die | |
Bedingungen eines transparenten, glaubwürdigen und inklusiven Urnengangs“ | |
erfüllt hätten. Viel wird nun davon abhängen, ob sich Gabuns politische | |
Opposition, die sich in letzter Minute auf den Universitätsprofessor und | |
ehemaligen Minister Albert Ondo Ossa als gemeinsamen | |
Präsidentschaftskandidaten geeinigt hatte, hinter die Putschisten stellt | |
oder nicht. | |
Das amtliche Ergebnis gibt Ondo Ossa 30,77 Prozent der Stimmen, er selbst | |
sprach von „orchestriertem Betrug“. Kurz vor den Wahlen hatte er selbst | |
[6][einen Militärputsch in Aussicht gestellt]: „Die PDGisten denken, sie | |
haben die Präsidialgarde auf ihrer Seite – sie täuschen sich. Wenn sie | |
denken, sie haben die Armee auf ihrer Seite, täuschen sie sich.“ | |
30 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/Info241_/status/1696751866510716962 | |
[2] https://twitter.com/Info241_/status/1696846958554734895 | |
[3] https://twitter.com/LarryMadowo/status/1696847659863048673 | |
[4] https://twitter.com/BriceOligui | |
[5] https://www.occrp.org/en/investigations/gabons-first-family-stashed-cash-in… | |
[6] https://twitter.com/lsiafrica/status/1696862889938706495 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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